Waldboden
Well-Known Member
- Registriert
- 17. März 2022
- Beiträge
- 465
Philosophische Notwendigkeit als Maß des Messens für (... ja was? ...) uneigennütziges Teilen, Geben?
Ja, als Maß der sozialen Interaktion - indem ich erkenne, dass es nicht nur mich gibt und die Welt sich nicht nur um mich dreht, sondern dass ich mich auf Andere, auf Objekte zu beziehen habe, verschafft mir nicht nur ein gesichertes Überleben, sondern auch ein gutes Leben, wenn ich die Fähigkeit erlerne, mich den guten Dingen in geordneter Weise zu bedienen.
Meine Devise, seit Kindheit an "Im Teilen liegt der Genuss".
Die Überwindung des Neides bringt den Genuss mit sich, sich an dem Wohlergehen anderer miterfreuen zu können und vor allem sie in ihrer Eigenständigkeit anzuerkennen, so wie man sich selbst als eigenständiges Wesen erkennt. Der Neidige hingegen verfolgt eine narzisstische Logik. Er beneidet den Anderen und macht ihn zu "seinem Anderen", also zu seiner gesamten übrigen Welt. Deswegen sagt der Narzisst "entweder du oder ich - aber nicht wir beide"
Ganz anders, laut meiner Eltern, meine ältere Schwester, war mir nie aufgefallen.
Hier wäre interessanter, ob du deiner älteren Schwester aufgefallen warst. Nach Lacan ist es ja der ältere der dem jüngeren Bruder "den bösen Blick" zuwirft, wenn er ihn an der Brust der Mutter sieht. Das spannende hier ist, dass der Ältere ja nicht das will was der Bruder gerade bekommt, sondern er begehrt das Begehren seines Bruders - denn eigentlich ist er ja schon zu alt für die Mutterbrust. Es geht also um einen ideellen Wert und nicht um einen materiellen. Entscheidend ist hier das Nicht-haben wollen des Anderen und nicht das eigene Haben wollen.
Irgendwann im TV gesehen: Ein Ehepaar, auf Kinder verzichtet um sich den Traum vom Porsche zu erfüllen, darüber weinend. Fahren nur nachts damit, mit Sturmhauben! Nur nicht gesehen werden, keinen Neid erzeugen. Ist das die Umkehrung von Neid oder krankhaft?
Neidparanoia: nicht man selbst ist neidisch, sondern man wird gefürchtet, der Andere könnte neidisch sein. Eigentlich ein Anzeichen dafür, sich selbst im Leben hemmen zu wollen.
Konrad Lorenz Theorie zur Paarfindung: Schönstes Nest oder buntestes Gefieder beim Graugänserich werden vom Weibchen bevorzugt. Genau die Errungenschaften, die vordergründig zu Neid führen. Geistiger oder materieller Reichtum. Werden wir also beneidet, weil die/der beneidenswerte einen Schlag hat beim bevorzugten, Ernährung der Brut sichernden Mann oder der vermehrungswürdigst erscheinenden Frau?
Das ist eine sehr gesunde Entwicklung, das Beste für sich zu beanspruchen. Wenn ich vor einem Apfelbaum stehe, suche ich mir auch den schönsten, größten Apfel aus. Auch hierfür gibt es positive Vorteile, den ich wähle vermutlich einen aus, der reif genug ist um gepflückt zu werden.
Ich glaube es ist eher so, dass Fortschritt nur möglich ist, wenn wir fähig sind Neid zu überwinden. Neid ist eigentlich ein idealistisches Laster. Epiktet meint dass unser Neidobjekt in Wahrheit gar kein Objekt ist, es ist eher ein Trugschluss, eine Einbildung und hängt am narzisstischen Moment fest. Es geht auch nicht darum sich materiellen Werten zu entsagen, ganz im Gegenteil, es will gelernt sein, mit Objekten, mit der äußeren Welt einen angemessenen Umgang zu finden.Finde, ohne Neid hätten wir nicht das, was wir Fortschritt nennen. Weiterentwicklung, und auch soziales Verhalten. Im Tierreich bleibt das Rudelmitglied, welches nicht mehr zur Nahrungsbeschaffung beitragen kann, auf der Strecke. Vielleicht ist unser Verhalten, auch dem kranken Stammesangehörigen das Überleben zu ermöglichen, der Antagonist zum Neid, das oben thematisierte Maß des Messens. Dann ist der Neid nämlich viel mehr als nur eine der Sieben Todsünden. Dann brauchen wir nur, jeder für sich, ihn kultivieren.
Es ist ja so, dass Neid eigentlich aus einem Überschuss an etwas entsteht und nicht wie oft fälschlich behauptet wird: aus einem Mangel. Das Tier schafft es, sich aus dem Überschuss an Paarungsangebot das geeignete Objekt zur Fortpflanzung zu wählen, weil es rein materialistisch denkt. Der Mensch besetzt seine Wahl auch ideell und steht sich damit vielleicht oft selbst im Weg.