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Der Neid - verwerfliche Vorstufe zum Hass oder sozialpolitische Notwendigkeit?

Philosophische Notwendigkeit als Maß des Messens für (... ja was? ...) uneigennütziges Teilen, Geben?

Ja, als Maß der sozialen Interaktion - indem ich erkenne, dass es nicht nur mich gibt und die Welt sich nicht nur um mich dreht, sondern dass ich mich auf Andere, auf Objekte zu beziehen habe, verschafft mir nicht nur ein gesichertes Überleben, sondern auch ein gutes Leben, wenn ich die Fähigkeit erlerne, mich den guten Dingen in geordneter Weise zu bedienen.

Meine Devise, seit Kindheit an "Im Teilen liegt der Genuss".

Die Überwindung des Neides bringt den Genuss mit sich, sich an dem Wohlergehen anderer miterfreuen zu können und vor allem sie in ihrer Eigenständigkeit anzuerkennen, so wie man sich selbst als eigenständiges Wesen erkennt. Der Neidige hingegen verfolgt eine narzisstische Logik. Er beneidet den Anderen und macht ihn zu "seinem Anderen", also zu seiner gesamten übrigen Welt. Deswegen sagt der Narzisst "entweder du oder ich - aber nicht wir beide"

Ganz anders, laut meiner Eltern, meine ältere Schwester, war mir nie aufgefallen.

Hier wäre interessanter, ob du deiner älteren Schwester aufgefallen warst. Nach Lacan ist es ja der ältere der dem jüngeren Bruder "den bösen Blick" zuwirft, wenn er ihn an der Brust der Mutter sieht. Das spannende hier ist, dass der Ältere ja nicht das will was der Bruder gerade bekommt, sondern er begehrt das Begehren seines Bruders - denn eigentlich ist er ja schon zu alt für die Mutterbrust. Es geht also um einen ideellen Wert und nicht um einen materiellen. Entscheidend ist hier das Nicht-haben wollen des Anderen und nicht das eigene Haben wollen.

Irgendwann im TV gesehen: Ein Ehepaar, auf Kinder verzichtet um sich den Traum vom Porsche zu erfüllen, darüber weinend. Fahren nur nachts damit, mit Sturmhauben! Nur nicht gesehen werden, keinen Neid erzeugen. Ist das die Umkehrung von Neid oder krankhaft?

Neidparanoia: nicht man selbst ist neidisch, sondern man wird gefürchtet, der Andere könnte neidisch sein. Eigentlich ein Anzeichen dafür, sich selbst im Leben hemmen zu wollen.

Konrad Lorenz Theorie zur Paarfindung: Schönstes Nest oder buntestes Gefieder beim Graugänserich werden vom Weibchen bevorzugt. Genau die Errungenschaften, die vordergründig zu Neid führen. Geistiger oder materieller Reichtum. Werden wir also beneidet, weil die/der beneidenswerte einen Schlag hat beim bevorzugten, Ernährung der Brut sichernden Mann oder der vermehrungswürdigst erscheinenden Frau?

Das ist eine sehr gesunde Entwicklung, das Beste für sich zu beanspruchen. Wenn ich vor einem Apfelbaum stehe, suche ich mir auch den schönsten, größten Apfel aus. Auch hierfür gibt es positive Vorteile, den ich wähle vermutlich einen aus, der reif genug ist um gepflückt zu werden.

Finde, ohne Neid hätten wir nicht das, was wir Fortschritt nennen. Weiterentwicklung, und auch soziales Verhalten. Im Tierreich bleibt das Rudelmitglied, welches nicht mehr zur Nahrungsbeschaffung beitragen kann, auf der Strecke. Vielleicht ist unser Verhalten, auch dem kranken Stammesangehörigen das Überleben zu ermöglichen, der Antagonist zum Neid, das oben thematisierte Maß des Messens. Dann ist der Neid nämlich viel mehr als nur eine der Sieben Todsünden. Dann brauchen wir nur, jeder für sich, ihn kultivieren.
Ich glaube es ist eher so, dass Fortschritt nur möglich ist, wenn wir fähig sind Neid zu überwinden. Neid ist eigentlich ein idealistisches Laster. Epiktet meint dass unser Neidobjekt in Wahrheit gar kein Objekt ist, es ist eher ein Trugschluss, eine Einbildung und hängt am narzisstischen Moment fest. Es geht auch nicht darum sich materiellen Werten zu entsagen, ganz im Gegenteil, es will gelernt sein, mit Objekten, mit der äußeren Welt einen angemessenen Umgang zu finden.

Es ist ja so, dass Neid eigentlich aus einem Überschuss an etwas entsteht und nicht wie oft fälschlich behauptet wird: aus einem Mangel. Das Tier schafft es, sich aus dem Überschuss an Paarungsangebot das geeignete Objekt zur Fortpflanzung zu wählen, weil es rein materialistisch denkt. Der Mensch besetzt seine Wahl auch ideell und steht sich damit vielleicht oft selbst im Weg.
 
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Ich finde ja grundsätzlich, dass es besser ist Menschen wegen ihrer Persönlichkeit zu "bewundern" als ihren Besitz. ;)

mfg
Warum nicht beides?
Wenn sich eine Freundin von mir ein Haus mit großem Garten leistet und mich zu einer Grillfeier einlädt, ist das ja auch ein Genusserlebnis für mich. Ich darf an etwas teilhaben, das zwar nicht meins ist, aber es ist dafür da um in Gesellschaft genossen zu werden.
 
Warum nicht beides?
Wenn sich eine Freundin von mir ein Haus mit großem Garten leistet und mich zu einer Grillfeier einlädt, ist das ja auch ein Genusserlebnis für mich. Ich darf an etwas teilhaben, das zwar nicht meins ist, aber es ist dafür da um in Gesellschaft genossen zu werden.
Das eine schließt das andere ja nicht aus.
Ich hab im Freundeskreis einen Multimillionär. Er hat sich mit einigen Softwarefirmen nicht nur sein altes Privatleben inkl. Ehe versaut, er hatte auch starke Belastungen zu erleiden (einige Nervenzusammenbrüche).
Ein krasser Cut war das Ergebnis. Alles verkauft und sich etwas heimisches aufgebaut. Als ich ihn kennen lernte, er ist mit einer meiner ältesten Freundinnen zusammen gekommen, war er noch rudimentär ein Wrack. Als wir uns über unsere Probleme unterhielten (Depression, Burnout) stellten wir beide fest, dass wir ähnliche Erfahrungen teilten.
Heute respektieren und mögen wir uns, weil wir uns mit diesen Gesprächen gegenseitig geholfen haben. Ich neide ihm sein Vermögen nicht aber ich freue mich, wenn es ihm gut geht. Ich freue mich mit ihm, wenn er diesen Sommer mit seinem Bruder 10 Wochen auf Tour mit selbst ausgestatteten Wohnmobil und Enduros durch die südlichen Ex Sowjetrepubliken reisen will.
Ich könnte mir das nie leisten. Bin ich neidisch? Warum? Es gibt keinen Grund.
Ich erfreue mich dann lieber an die Video und Bilderabende bei einem guten Whisky und an den Erfahrungen, die er und sein Bruder in dieser Zeit machen. Ach und nur mal so, den Whisky werde wohl wieder ich besorgen, denn da verläßt er sich voll auf meinen Geschmack. ;)

Ja, auch ich werde dann die "Gesellschaft" genießen. Neidische Gedanken würden da eh nur im Weg stehen.

mfg
 
Ich hab im Freundeskreis einen Multimillionär.
Ich könnte mir das nie leisten. Bin ich neidisch? Warum? Es gibt keinen Grund.

Deine Aussagen ergeben Sinn in Bezug darauf dass du deinem Freund nicht neidig bist, denn es geht beim Neid nicht um etwas Großes, Schönes, Bedeutendes - sondern um eine minimale Differenz. Es herrscht zwischen dir und deinem Freund ein zu großes strukturelles Ungleichgewicht das offensichtlich ist - die Ungerechtigkeit muss nicht aufgedeckt werden, sie offenbart sich von selbst. Deswegen kannst du deinem Freund nicht neidig sein.
Neidisch sind wir in der Regel auf jene, die in einer ähnlichen Situation sind, wie wir selbst. Jemand aus der unteren Mittelschicht wird einem Multimillionär nicht neidig sein können, weil der Bezugsrahmen zu weit auseinander fällt. Der Reiz liegt bloß in der kleinen Abweichung gegenüber dem, was ich habe. Freud nennt das den Narzissmus der kleinen Differenzen.
 
Deine Aussagen ergeben Sinn in Bezug darauf dass du deinem Freund nicht neidig bist, denn es geht beim Neid nicht um etwas Großes, Schönes, Bedeutendes - sondern um eine minimale Differenz. Es herrscht zwischen dir und deinem Freund ein zu großes strukturelles Ungleichgewicht das offensichtlich ist - die Ungerechtigkeit muss nicht aufgedeckt werden, sie offenbart sich von selbst. Deswegen kannst du deinem Freund nicht neidig sein.
Das Ergebnis seines Kontostandes ist seine harte Arbeit und seiner destruktiven Auswirkungen auf sein Privatleben geschuldet.
Auch ich war in einer Führungsposition, die mir meine letzten Nerven kostete und mich in dieser Zeit zu einem Menschen hat mutieren lassen, der ich nicht war. Mich hat, ebenso wie ihn, ein harter Cut aus diesem Schlamassel gerettet.

Ungerecht ist hier mMn nichts. Und es gab auch mal eine Zeit, wo unsere Unterschiede gar nicht so groß waren. Nur kannten wir uns da noch nicht. Klar geht es meinst um die kleinen Dinge im Leben, da bin ich voll bei dir. Mein Beispiel sollte eigentlich nur verdeutlichen, dass ich eher den Menschen sehe, als sein Vermögen oder seine materiellen Werte. Mal davon ab, dass er seinen "Millionär" nicht raushängen läßt. Nur hin und wieder merkt man eben, dass er nicht sonderlich auf den Euro schauen muß, wenn er etwas macht.
Zu seiner Hochzeit hat er mal eben die VIP Caterer von RB Leipzig gebucht und in deren Hauptsitz geladen.
Neben den üblichen Familienangehörigen waren natürlich auch noch Menschen aus seinem beruflichen Umfeld geladen. Ich sach ma.... 80% von denen waren die typischen Poser und sehr unsympathisch. Allein schon die Tatsache, dass zu solch einer Feierlichkeit mit den eigenen Protzerkisten angereist wurde, um zu zeigen was man hat, hat selbst ihn etwas genervt.
Warum nicht mit Taxi oder Fahrservice anreisen, um wenigsten mal auf das Paar anzustoßen? ....aber egal, es sollte ja eigentlich nur mal ein Beispiel sein, wo "Universen" aufeinander prellen, ohne dass man sich selbst irgendwie "unten" fühlt und/oder anderen etwas neidet.
Ich will das auch nicht weiter vertiefen. Für die Diskussion hier ist das eh zu persönlich und mMn auch unerheblich.
Neidisch sind wir in der Regel auf jene, die in einer ähnlichen Situation sind, wie wir selbst. Jemand aus der unteren Mittelschicht wird einem Multimillionär nicht neidig sein können, weil der Bezugsrahmen zu weit auseinander fällt. Der Reiz liegt bloß in der kleinen Abweichung gegenüber dem, was ich habe.
Kann man so sehen. Hab aber auch schon anderes erlebt und Menschen neidisch über andere reden hören, die mal so überhaupt nicht ihre (Lohn)Gewichtsklasse waren. Ich find solches natürlich auch etwas befremdlich, denn dahin kommen eben solche nie. Es sei denn, das Lottoglück ist denen mal hold. Aber ich ahne bei einigen, dass sie dann auch nur als Mittelose Lottomillionäre enden werden, weil ihr Neid sie zu Aktionen verführt, die sie sich eigentlich doch nicht leisten können. ;)

Der Neid auf kleines ist natürlich eine häufige Form. Also vllt weil die Beziehung des anderen glücklicher ist oder das Leben der anderen schlicht konstruktiver. In solchen Fällen ist nach meiner Meinung der Neid nur ein Aufzeigen der Unzulänglichkeiten der Neidischen.
Ich kann mich da durchaus irren. Bei mir ist das eh etwas anders, weil ich neidische Gedanken nicht mal wirklich nachvollziehen kann.
Deshalb sind auch die meisten Analysen von Philosophen oder Psychoanalytikern für mich böhmische Dörfer.
Ich verstehen zwar den Ansatz der Analyse, kann aber die Konsequenzen nicht nachvollziehen oder die Auswirkungen verstehen. :)

mfg
 
Klar geht es meinst um die kleinen Dinge im Leben, da bin ich voll bei dir.
Ich habe nicht gemeint dass es um die kleinen Dinge im Leben geht, sondern um eine minimale Differenz - die meist nur einen feinen Unterschied ausmacht. Es kann sich dabei durchaus um größere Dimensionen handeln, wie zB zwei Nachbarn haben ein ähnlich großes Haus vom gleichen Wert, aber die Häuser unterscheiden sich in der Außenfassade bezüglich der Farbe. Nun gibt es Fälle, wo Nachbarn aus so einem Grund untereinander konkurrieren und immer wieder die Außenfassade neu streichen lassen. Was hier reizt, ist die kleine Abweichung gegenüber dem, was einer hat. Natürlich ist das krankhaft, aber es gibt sehr viele solcher Szenarien auf unterschiedlichen Ebenen - Freud bezeichnet das als den Narzissmus der kleinen Differenzen.
Dazu gibt es noch etwas interessantes von ihm aus "Massenpsychologie und Ich-Analyse":
"In den unverhüllt hervortretenden Abneigungen und Abstoßungen gegen nahestehende Fremde können wir den Ausdruck einer Selbstliebe, eines Narzissmus, erkennen, der seine Selbstbehauptung anstrebt und sich so benimmt, als ob das Vorkommen einer Abweichung von seinen individuellen Ausbildungen eine Kritik derselben und eine Aufforderung, sie umzugestalten, mit sich brächte."

Bis jetzt habe ich leider noch nicht soviel von Freud gelesen, aber ich muss zugeben, dass mir sein Schreibstil besonders gut gefällt, obwohl ich mir nicht immer so sicher bin, was ich von seinen Theorien halten soll. Aber das Thema Neid scheint mir sehr sehr komplex zu sein.
 
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"Massenpsychologie und Ich-Analyse":
"In den unverhüllt hervortretenden Abneigungen und Abstoßungen gegen nahestehende Fremde
... sind ( natürlich ... ) "Du selbst" : ... denn "wir sähen" : ... "die" Arbeit ...
:-)
... aber "erklärbar" wird's wohl erst durch Jung's "Subjekt" : ... denn Mensch - sei - Objekt ...
... "der" Arbeit .
:-)
... ( natürlich "sehr" zusammengefaßt ... ) ...
 
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