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Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

Verarbeitung von Hass und Zorn ist zunächst einmal das gleiche. Ein ganz wichtiger Punkt für diese Diskussion. Hass ist ja nur gesparter Zorn, seine positive Seite ist die Tatkraft. Man könnte sagen: Hass wird in dem Moment wo er in die Welt ausgedrückt wird, wieder zum Zorn, da er nun ja vom „Sparkonto“ abgehoben wurde. Insofern hat Hass tatsächlich seine Berechtigung in Yin und Yang, im Gefüge des Ganzen.

Nehmen wir z.B. die Revolution von Kuba. Da geht es den armen Menschen jetzt besser als vorher (auch wenn sie jetzt immer noch sehr arm sind). Aber wie viel Sammlung von Zorn war erst nötig damit das Hasskonto zur Umsetzung dieser Revolte hoch genug war?
Andererseits werden Revolutionen meistens zu einem Riesen Aufwand um wenig. Die Französische Revolution ist da ein gutes Beispiel, wo kurz nach der Umsetzung die Führung wieder genauso elitär und von Vetternwirtschaft geprägt war. Eine Evolution, d.h. eine Änderung im kleinen Schritten scheint also zumindest normalerweise optimaler.

Wenn ich einen politischen Artikel im anderen Forum schreibe, würde ich auch nicht unbedingt von Zorn anstatt Hass sprechen. Erstmal sind es ja kleine Mengen dieser Energie, man könnte vielleicht auch von Missmut oder Unzufriedenheit mit einer Situation sprechen, zweitens habe ich dann ja immerhin meinen Geist gebraucht, um den Zorn auf sinnvolle und sachliche Bahnen zu lenken. So etwas ist also nicht immer negativ, sondern kann tatsächlich beides sein.

Viele Grüße
J.
 
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Cuba, no libre

Hi Muzmuz,
okay - mein etymologisches Lexikon gibt für den Begriff der "Urfehde" sogar "eidlicher Verzicht auf Rache", "Heraustreten aus dem Fehdezustand" - wer hätte nun das gewusst? Schon spannend, was sich hinter einem leichthin für bedeutungsklar gehaltenen Begriff manchmal so alles verbirgt.

Hallo Jing6,
Kuba heute ist ein schönes Beispiel für ein Patt - da wird die relative Armut staatlicherseite gerade mal auf einem solchen Niveau gehalten, daß immer noch keine Konterrevolution ausbricht. Informationsfreiheit besteht nicht - das Parlament ist politisch so gut wie bedeutungslos - Opposition bleibt bei Repression verboten. Die Mehrheit der Bevölkerung kann sich also wahrscheinlich nur ein ungenaues Bild davon machen, was in der Welt abgeht. Eventueller Zorn der Bevölkerung wird also sowohl mit "weichen" als auch mit "harten" Methoden unterdrückt. Ich wette, daß Kuba sich bei weiterer wirtschaftlicher Öffnung und innerer Freizügigkeit noch ganz anders entwickeln könnte. Castro bzw. sein Bruder dürften jedoch selbst wenig Interesse an der Beilegung des weiterglimmenden Konflikts insbesondere mit den USA haben - könnte es sie am Ende doch die Macht kosten. Eine gelungene Balance, die da auf dem Rücken der an allzugroßem Zorn gehinderten Bevölkerung gehalten wird?

Grüße, Thorsten
 
AW: Cuba, no libre

Hallo Jing6,
Kuba heute ist ein schönes Beispiel für ein Patt - da wird die relative Armut staatlicherseite gerade mal auf einem solchen Niveau gehalten, daß immer noch keine Konterrevolution ausbricht. Informationsfreiheit besteht nicht - das Parlament ist politisch so gut wie bedeutungslos - Opposition bleibt bei Repression verboten. Die Mehrheit der Bevölkerung kann sich also wahrscheinlich nur ein ungenaues Bild davon machen, was in der Welt abgeht. Eventueller Zorn der Bevölkerung wird also sowohl mit "weichen" als auch mit "harten" Methoden unterdrückt. Ich wette, daß Kuba sich bei weiterer wirtschaftlicher Öffnung und innerer Freizügigkeit noch ganz anders entwickeln könnte. Castro bzw. sein Bruder dürften jedoch selbst wenig Interesse an der Beilegung des weiterglimmenden Konflikts insbesondere mit den USA haben - könnte es sie am Ende doch die Macht kosten. Eine gelungene Balance, die da auf dem Rücken der an allzugroßem Zorn gehinderten Bevölkerung gehalten wird?

Grüße, Thorsten

Hallo... oh, da war mein Beispiel wohl kein gutes. Anscheinend gibt es auch garkein gutes für eine gewaltvolle Revolution. Zum Glück war es ja wenigstens als Ausnahme markiert. Es scheint doch besser, wenn die Energieflüsse gleichmäßig gehalten werden. Danke für die Erläuterungen der Situation dort.
Grüße
J.
 
AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

jing6 schrieb:
Hallo... oh, da war mein Beispiel wohl kein gutes. Anscheinend gibt es auch gar kein gutes für eine gewaltvolle Revolution.
So ganz gewaltlos ist der dreijährige Guerillakrieg im Vorfeld der kubanischen Revolution natürlich nicht abgelaufen, aber der vorherigen Militärdiktatur Batistas wird man auch keine Träne nachweinen. Und im Nachhinein nimmt sich Castro ja wie ein Waisenknabe aus, denn es gibt genügend Beispiele für revolutionäre Gewaltexzesse völlig anderen Ausmaßes: Pol Pot und die Roten Khmer - um die 2 Millionen Tote (ein Viertel der damaligen kamboschanischen Bevölkerung) zwischen 1975 und 1979, vor allem Akademiker, Anwälte, Ärzte. Maos "Großer Sprung nach vorn" und die Kulturrevolution - genaue Opferzahlen unbekannt, möglicherweise an die 40 Millionen. Keine kommunistische, sozialistische oder auch nationalsozialistische Revolution, die nicht in einer Katastrophe endete, vom repressiven Alltag des Staatsterrorismus einmal zu schweigen.

Nur stellt sich für mich die Frage, ob wir dem mit dem Begriffspaar Zorn / Haß beikommen. Oder ob da nicht vielmehr eine absolute Kaltblütigkeit am Werk ist, die man sich als ein Mensch, der immerhin noch zu einem Gefühl wie Haß fähig ist, gar nicht vorstellen kann.

Grüße, Thorsten
 
AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

Nur stellt sich für mich die Frage, ob wir dem mit dem Begriffspaar Zorn / Haß beikommen. Oder ob da nicht vielmehr eine absolute Kaltblütigkeit am Werk ist, die man sich als ein Mensch, der immerhin noch zu einem Gefühl wie Haß fähig ist, gar nicht vorstellen kann.

Ich würde sagen, das geht. Auch Hass ist im Gegensatz zum Zorn ein sehr kaltes Gefühl. Es sind lediglich extreme Mengen des Hasses, die sich da angesammelt haben. Sloterdijk spricht in seinem Werk auch von Zorndatenbanken, Zornkapital, Zornflüssen usw.. Er bringt den Gedanken des Zornflusses auch ganz deutlich in Verbindung mit politischen Revolutionen.

Nette Grüße
J.
 
AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

die medien haben also sicherlich enorme macht
macht, die (technisch sehr einfach) missbraucht werden kann
daher gibt es in unseren ländern viele und strenge regeln, deren einhaltung mehrere kontrollorgane kontrollieren

Guten Morgen, Muzmuz

nochmal zu dem Thema Medienmacht - ich war später nicht mehr on, daher jetzt:

ich finde, dass die Regeln zwar vorhanden sind und grobe Mißachtung oder Verstöße gegen die geltenden Grundrechte verfoglt und überwacht, aber nicht, welche Bilder wir sehen und welchen Reportern wir lauschen.

Beispiel die Vereinigten Staaten. Dass die derzeitige Politik des Landes im europäischen Westen so verpönt und abgelehnt wird, zeugt doch von den Berichten und Aussagen mancher Politiker und Mediengestalter (Tageszeitungen), die natürlich unabhängig und wertneutral berichten wollen, aber dies dochnciht sind. Denn auch sie greifen auf Bilder oder Nachrichten zurück, die vermutlich ebenfalls zensiert oder bewusst ausgewählt wurden.

Auch so wird Hass erzeugt. Vielleicht nicht in dieser Dimension oder Ausdrucksform wie in den afrikanischen Ländern, aber doch scheint die einhellige Meinung zu herrschen, dass der amtsinhabende Präsident ein A..... ist und von allen als Trottel "verkauft" wird.
Ich habe etwas gegen solche vereinfachte mainstream-Meinungen, die nicht die zwei Seiten einer Medaille zeigen. Daher gibt es auch in der Zeitschriftenwelt eine geringe Auswahl, die eben genau das kann. Gott sei Dank.
Daher finde ich schon, dass die Medien unser Weltbild manipulieren kann und dies auch tut. Beeinflussung ist in der Tat eher milde und kann doch reguliert werden, was bei Manipulation eher schwierig ist.

R.
 
AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

Nur stellt sich für mich die Frage, ob wir dem mit dem Begriffspaar Zorn / Haß beikommen. Oder ob da nicht vielmehr eine absolute Kaltblütigkeit am Werk ist, die man sich als ein Mensch, der immerhin noch zu einem Gefühl wie Haß fähig ist, gar nicht vorstellen kann.

Grüße, Thorsten

Hy Thorsten,

eine gewaltfreie Revolution - das sehe ich genau wie Du - wird und kann es nicht geben. Da halte ich es mit Hegel, der den Lauf der Weltgeschichte als notwenigen Prozess sieht. Wie eine Wunde, die bei latenter Entzündung einmal aufbricht und verheerend sein kann, braucht es ein Volk/ Staat, dass irgendwann das Volk aufbegehrt und dies meistens in Form einer Revolution.

Und auch was die Kaltblütigkeit an sich angeht, ist es wie mit jeder anderen Gefahr: manche Menschen sind anfällig dafür, andere immun. Und das fügt sich eben so ins Bild der Welt - Yin + Yang.
LG
R.
 
AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

jing6 schrieb:
Auch Hass ist im Gegensatz zum Zorn ein sehr kaltes Gefühl. Es sind lediglich extreme Mengen des Hasses, die sich da angesammelt haben. Sloterdijk spricht in seinem Werk auch von Zorndatenbanken, Zornkapital, Zornflüssen usw.. Er bringt den Gedanken des Zornflusses auch ganz deutlich in Verbindung mit politischen Revolutionen.
Gut, dann will ich das verstärken und sagen, Haß ist nicht bloß ein Gefühl, sondern kann sich zu (blinder) Leidenschaft steigern. "Extreme Mengen" ja - aber wir sprechen von glühendem Haß, davon, daß Haß entbrennt - "eiskalt" wäre höchstens die planvolle Rationalität des Mordens. Jeder Versuch, diese Wirkung durch emotionale Begriffe zu erklären, neigt zur Rechtfertigung der Barbarei.

Ich möchte einem klugen Mann wie Sloterdijk, dessen Buch ich (noch) nicht gelesen habe, jedoch nicht unterstellen, in diese Falle zu geraten.

rahel schrieb:
eine gewaltfreie Revolution - das sehe ich genau wie Du - wird und kann es nicht geben. Da halte ich es mit Hegel, der den Lauf der Weltgeschichte als notwenigen Prozess sieht. Wie eine Wunde, die bei latenter Entzündung einmal aufbricht und verheerend sein kann, braucht es ein Volk/ Staat, dass irgendwann das Volk aufbegehrt und dies meistens in Form einer Revolution.

Und auch was die Kaltblütigkeit an sich angeht, ist es wie mit jeder anderen Gefahr: manche Menschen sind anfällig dafür, andere immun. Und das fügt sich eben so ins Bild der Welt - Yin + Yang.
Gegen Revolutionen wäre zunächst nichts einzuwenden, aber wie wir gesehen haben, wird dabei in der Regel die eine Form der Tyrannei durch eine andere ersetzt. Das Volk bleibt gefesselt.

Sowohl die Sichtweise Hegels als auch der Verweis auf Yin und Yang ist mir zu fatalistisch, wo es humanerweise nur um die Begrenzung, wo nicht Befreiung von Gewalt und Unterdrückung gehen kann.

Aber leider scheint dieser Gedanke im Versuch, alles zu erklären und alles zu verstehen, allmählich der Vergessenheit anheimzufallen?

:morgen:
Thorsten
 
AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

Gut, dann will ich das verstärken und sagen, Haß ist nicht bloß ein Gefühl, sondern kann sich zu (blinder) Leidenschaft steigern. "Extreme Mengen" ja - aber wir sprechen von glühendem Haß, davon, daß Haß entbrennt - "eiskalt" wäre höchstens die planvolle Rationalität des Mordens.

Da stimme ich dir zu. Hass muss nicht immer kalt sein. Ich habe eben an so einen Fall, wie den Mörder oder sagen wir mal einen Bankräuber, gedacht.

Gleichzeitig ist etwas leidenschaftliches zumindest öfter Zorn. Zorn ist nicht weniger negativ oder positiv wie Hass. Auch Zorn kann in riesigen Mengen vorkommen. Auch Zorn kann absolut grausam sein. Wie z.B. ein wütender Mob, der vor Mord nicht zurückschreckt.

Grüße
J.
 
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AW: Der Hass in Abgrenzung zum Zorn bei Sloterdijk

So ganz gewaltlos ist der dreijährige Guerillakrieg im Vorfeld der kubanischen Revolution natürlich nicht abgelaufen, aber der vorherigen Militärdiktatur Batistas wird man auch keine Träne nachweinen. Und im Nachhinein nimmt sich Castro ja wie ein Waisenknabe aus, denn es gibt genügend Beispiele für revolutionäre Gewaltexzesse völlig anderen Ausmaßes

Revolutionen scheinen mir doch noch etwas besser sein zu können, als der akuelle Diskussionsstand erscheinen lässt. In dem Sinne, dass viele sehr positive Auswirkungen hatten und haben werden. In Cuba hat wohl der Zahn der Zeit von direkt nach der Revolution bis heute auch gewirkt. Nach der Revolution ging es den Leuten aber erstmal besser als vorher.
Dann haben Revolten noch einen seiteneffekt, nämlich eine Art vorbildfunktion für andere Länder. Ich könnte mir vorstellen, dass ohne den (inzwischen gescheiterten) Kommunismus die negativen Auswüchse des Kapitalismusses edutlich schlimmer ausgeartet währen. Auch die französische Revolution hatte bei allen Umsetzungsschwierigkeiten eine absolut bedeutende Auswirkung auf die europische Geschichte: eine linksgerichtete Bewegung zur Demokratie.

Grüße
J.
 
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