Jing6
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„Wenn Zorn zu Haß wird, kommen Basisoperationen von Ideologiebildung ins Spiel, da begriffliche Fixierungen bekanntlich das beste Konservierungsmittel für emphemere Regungen abgeben. Wer sich seinen Zorn merken will, muß ihn in Hasskonserven aufbewahren. Konzeptualisierungen des Zorns bieten den Vorteil, reichlich verausgabt werden zu können, ohne den Fundus zu erschöpfen. Dem absoluten Haß, der extremsten Form des Etwas-übrig-Habens für Andere, muß schließlich gar kein bestimmter Gegenstand vor Augen sein. Gerade seine Abstraktheit, die an Ziellosigkeit grenzt, garantiert sein Überfließen ins Allgemeines. Es genügt ihm zu wissen, dass er sich an die All-Adresse, das verworfene Reale in seinem ganzen Umfang, wendet, um sicher zu sein, sich nicht vergeblich zu verschwenden. Hier wird das Stadium erreicht, in dem von Verausgabung überhaupt, Verausgabung sans phrase, die Rede sein kann. Bei Veräußerungen dieses Ranges setzt der zornige Schmerz-Spender nicht selten sein eigenes Leben in die Rechnung ein. In solchen Fällen macht der Geber aus sich die physische Zugabe zu der Bombe, die das fehlende Leiden herbeischaffen soll.
Es hat also keinen Sinn, den selbstbewussten Haß mit Begriffen wie Nihilismus in Bezug zu setzen – einer beliebten Erklärungsmode zum Trotz. Insgesamt erweist sich der Hassbegriff als analytisch unbrauchbar, da er sich vom Zornphänomen ableitet und nur als eine Form seiner Konservierung intelligibel zu machen ist. Man muss darauf bestehen, dass der zum Standpunkt, ja zum Projekt erweiterte Zorn keineswegs eine Affaire mit dem Nichts unterhält – wie man es gern dem Haß nachsagt. Er ist nicht bloß eine militante Form von Gleichgültigkeit gegen sich selbst und andere.“
(Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2003)
Zorn ist bei Sloterdijk, wie auch in diesem Abschnitt über Hass angedeutet, etwas Gebendes. Man schenkt nämlich jemanden seine Aufmerksamkeit – das Gegenteil von Ignoranz. Hass ist das komplexartig fest gefasste Festhalten des Zorns, wodurch er intellektuell einsetzbar wird.
Zorn hingegen ist eine gesunde emotionale Reaktion, ein Gefühlsleben im Augenblick. Ausgedrückt ist er ein spontanes verändern der Welt gemäß des eigenen Empfindens. Er kann sich auf Menschen, Dinge, Zustände, Phänomene, beliebige Tatsachen richten.
Dies soll eine Beschreibung der Tatsachen sein, ohne werten zu wollen.
Ich hoffe meine Erklärung konnte etwas Licht in den schwierigen Schreibstil von Sloterdijk bringen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen.
viele Grüße
Jing
Es hat also keinen Sinn, den selbstbewussten Haß mit Begriffen wie Nihilismus in Bezug zu setzen – einer beliebten Erklärungsmode zum Trotz. Insgesamt erweist sich der Hassbegriff als analytisch unbrauchbar, da er sich vom Zornphänomen ableitet und nur als eine Form seiner Konservierung intelligibel zu machen ist. Man muss darauf bestehen, dass der zum Standpunkt, ja zum Projekt erweiterte Zorn keineswegs eine Affaire mit dem Nichts unterhält – wie man es gern dem Haß nachsagt. Er ist nicht bloß eine militante Form von Gleichgültigkeit gegen sich selbst und andere.“
(Peter Sloterdijk, Zorn und Zeit, 2003)
Zorn ist bei Sloterdijk, wie auch in diesem Abschnitt über Hass angedeutet, etwas Gebendes. Man schenkt nämlich jemanden seine Aufmerksamkeit – das Gegenteil von Ignoranz. Hass ist das komplexartig fest gefasste Festhalten des Zorns, wodurch er intellektuell einsetzbar wird.
Zorn hingegen ist eine gesunde emotionale Reaktion, ein Gefühlsleben im Augenblick. Ausgedrückt ist er ein spontanes verändern der Welt gemäß des eigenen Empfindens. Er kann sich auf Menschen, Dinge, Zustände, Phänomene, beliebige Tatsachen richten.
Dies soll eine Beschreibung der Tatsachen sein, ohne werten zu wollen.
Ich hoffe meine Erklärung konnte etwas Licht in den schwierigen Schreibstil von Sloterdijk bringen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen.
viele Grüße
Jing