Nachmittagsphantast
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(Hinweis: geschrieben am 17. Dezember 2007)
Im Mai 2001 reiste Devat Zogajs, Arigonas Vater, geboren im Kosovo, illegal in Österreich ein und begehrte Asyl, welches jedoch im September 2002 abgelehnt wurde. Die Familie, darunter Arigona Zogaj, kam später illegal nach. Die Familie ließ sich in Frankenburg in Oberösterreich nieder, der Vater ging einer legalen Arbeit nach, bezog nie Sozialleistungen und schickte seine Kinder zum Kindergarten bzw. zur Schule. Die Gemeinde sah die Familie als voll integriert an, ja, man kann geradezu von einer Musterintegration sprechen.... und startete im Juni 2007 eine Unterschriftenaktion gegen die Abschiebung der Familie. Ende September sollte die Familie in den Kosovo abgeschoben werden. Arigona konnte jedoch an besagtem Tag flüchten und ihre Mutter durfte bleiben, um nach ihr zu suchen. Der Vater und die anderen vier Kinder wurden in den Kosovo geflogen. Am 30. September 2007 tauchte ein Brief von Arigona auf, indem sie mit Suizid drohte und schrieb, dass sie sich nicht lebend der Polizei stellen werde, sollte ihre Familie nicht nach Österreich zurückkehren dürfen. Eine Woche bekräftigte sie ihre Drohung mit einem Video.
Darin bemerkte ich auch, wie sehr das Mädchen bereits in Österreich integriert war, sprach sie doch einen breiten oberösterreichischen Dialekt, wie ich ihn sonst nur von Einheimischen dort kenne. Unterschlupf fand Arigona bei Pfarrer Friedl von Ungenach im Bezirk Vöcklabruck. Seit 16. Oktober besucht sie wieder die Polytechnische Schule in Vöcklamarkt. Am 14. Dezember wurde die Beschwerde der Familie gegen die Verweigerung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen, jedoch blieb Innenminister Platter (ÖVP) noch das Recht, ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu gewähren, was er jedoch nicht tat. Stattdessen wurde Arigona und ihrer Mutter eine Art "Hinrichtungsaufschub" gewährt, nach dem sie Ende des Schuljahres im Sommer 2008 in den Kosovo abgeschoben werden sollten.
Soweit der Hintergrund zur aktuellen Thematik. Mich persönlich hat die Geschichte gleich mehrfach berührt. Zum Einen schildert der Abtprimas des Benektinerordens in Bayern, Notker Wolf, in seinem Buch "Worauf warten wir?" einen ähnlichen Fall mit einer kurdischen Familie, die in die Türkei abgeschoben werden sollte. Der Vater der kurdischen Familie wurde gefoltert, weil er den Militärdienst verweigerte und ein Psychologe in Deutschland, der ein Gutachten über das Asylverfahren erstellen sollte, beschied dem Vater "Täuschung". Notker Wolf nahm sich der Familie an und gewährte ihnen Unterschlupf in seinem Kloster. Aus den ursprünglich angedachten zwei Monaten wurden sechs Jahre - und am Ende konnte nach zähen Verhandlungen mit der bayrischen Regierung die Familie nach Polen (damals Nicht-EU-Land) ausreisen.
In diesem Fall stehen die Dinge anders. Der Vater hat Fehler gemacht, indem er illegal einreiste und trotz nicht bewilligtem Asylantrag die Familie nachkommen ließ. Allerdings integrierte sich die Familie gut in Österreich, vorbildhaft für viele Ausländer. Spielt es da eine Rolle, ob es sich um Zuwanderung oder um Asyl handelt? Platters strikte "rechtskonforme" Ablehnung, die auch von Kanzler Gusenbauer unterstützt wird, stößt aus mehreren Gründen auf:
Das humanitäre Bleiberecht mutet der Willkür eines Gnadenakts an, das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz ist damit nicht gegeben. Der Innenminister kann nach eigenem Ermessen entscheiden, was nicht unbedingt objektiv ist. Weiters maßen die verantwortlichen Politiker bzw. Parteien an "sozial gerechte" und "christliche" Entscheidungen zu treffen, lassen hier aber überhaupt keine Milde aufkommen. Die Gründe liegen auf der Hand. Es wird befürchtet, dass eine mögliche Befürwortung des humanitären Bleiberechts als Präzedenzfall angesehen wird und sich dann möglicherweise hunderte Familien melden, die gleiches Recht einfordern. Perfide in diesem Zusammenhang mutet die Begründung Platters für die Ablehnung an:
Bemerkenswert: Auch die Abschiebung des Vaters und der Geschwister Arigonas im September wird vom Platter-Ressort zur Begründung des verweigerten humanitären Aufenthalts angeführt: "Es ist evident, dass starke Bindungen zum Heimatstaat bestehen, da sich große Teile der Familie im Kosovo befinden. (Quelle: ORF)
Da fehlen mir die Worte. Zumal BZÖ bzw. FPÖ natürlich Beifall klatschten: "Im Vordergrund stehe die Familienzusammenführung im Kosovo." - ich frage mich, was die Familie der Bevölkerung eigentlich angetan hat. Sie ist illegal eingereist, diesen Vorwurf kann man machen. Auf der anderen Seite arbeiten tausend illegale Pflegekräfte in Österreich, die nach dem Willen einige Politiker "legalisiert" werden sollen. Wer illegale Pflegekräfte daheim beschäftigt, soll dagegen nicht mehr bestraft werden ("Pflege-Amnestie"). Auf der anderen Seite sollte gegen Pfarrer Friedl ein Strafverfahren eingeleitet werden, weil er der "illegal" in Österreich sich befindlichen Arigona Unterschlupf gewährte. Hier wird wohl eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. Auf der einen Seite wird Integration gefordert, auf der anderen Seite werden integrierte Familien abgeschoben. Dann wird über jene Ausländer geschimpft, die seit Jahren in Österreich leben, kaum ein Wort Deutsch sprechen und straffällig oder andersartig unangenehm auffällig werden.
Wenn es nach mir ginge, was es sowieso nie tun wird, aber ich denke auch, dass es wichtig ist, Alternativvorschläge zu machen, wenn man etwas kritisiert, dann sollte man jenen Familien, die illegal zugereist sind, ein humanitäres Bleiberecht zuweisen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, z.B. eine legale Arbeit, die Beherrschung der deutschen Sprache (die Arigona strenggenommen auch nicht beherrscht, was sie in Oberösterreich noch sympathischer macht ;-)), die Integration in die Gemeinde bzw. in die Regeln des Staates (Schule, Kindergarten, keine kriminellen Dinger), an sich also Selbstverständliches. Es gibt meiner Ansicht nach keinen vernünftigen Grund, solche Leute abzulehnen, was immer auch der "Migrationshintergrund" (ein unseliges, politisch korrektes Wort) sein mag.
Rechtskonform mag es ja sein, sie abzuschieben, aber diese Rechtshörigkeit kann auch fatale Folgen haben, wenn das Recht moralisch und ethisch nicht mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar ist, zu denen wir uns in Europa bekennen. Ich fühle mich hier als Autor weder als Deutscher noch als Österreicher, sondern mehr als unabhängiger Beobachter. Man könnte mir vorwerfen, mich durch den Medienhype blenden zu lassen, doch ich halte dagegen, dass ich einen Medienhype um Kommerz und Proporz, um Popstars, Popstarreproduktionen und Stars und Sternchen wie Paris Hiltons Gefängnisausflug viel schlimmer halte. Arigona wird mit ihrem medialen Aufsehen keine Karriere machen, sondern im besten Fall die Bevölkerung und die Politiker zum Nachdenken anregen, dass weder mit ihren Gesetzen noch mit dem moralischen Verhalten ihrer gewählten Politiker alles erste Sahne ist. Auch eine Natascha Kampusch hat die Medien im positiven Sinne genutzt, um für ihre Sache - ihr Einsatz für verschwundene Kinder und ähnliches- zu werben. Sie ist unverschuldet in die Misere gekommen, während Arigona für die Fehler ihres Vormunds geradestehen muss.
Wie die Sache auch letzlich ausgeht. Das lange Zögern, das Versprechen Platters gegebenüber Arigona, "eine Lösung zu finden", wenn sie sich freiwillig der Polizei stelle, und das nun eiskalte Verkünden der Ablehnung des humanitären Bleiberechts hat dem Ansehen Österreichs in so manchen Augen, der der Menschenrechtsorganisationen aber auch in der Bevölkerung überhaupt und außerhalb geschadet.
Noch ein paar aktuelle Artikel, nachdem das Thema in den letzten Monaten gänzlich in Vergessenheit geriet:
http://www.oe24.at/zeitung/oesterreich/chronik/oberoesterreich/article290945.ece
http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/375909/index.do?_vl_backlink=/home/politik/index.do
Inntranetz
Im Mai 2001 reiste Devat Zogajs, Arigonas Vater, geboren im Kosovo, illegal in Österreich ein und begehrte Asyl, welches jedoch im September 2002 abgelehnt wurde. Die Familie, darunter Arigona Zogaj, kam später illegal nach. Die Familie ließ sich in Frankenburg in Oberösterreich nieder, der Vater ging einer legalen Arbeit nach, bezog nie Sozialleistungen und schickte seine Kinder zum Kindergarten bzw. zur Schule. Die Gemeinde sah die Familie als voll integriert an, ja, man kann geradezu von einer Musterintegration sprechen.... und startete im Juni 2007 eine Unterschriftenaktion gegen die Abschiebung der Familie. Ende September sollte die Familie in den Kosovo abgeschoben werden. Arigona konnte jedoch an besagtem Tag flüchten und ihre Mutter durfte bleiben, um nach ihr zu suchen. Der Vater und die anderen vier Kinder wurden in den Kosovo geflogen. Am 30. September 2007 tauchte ein Brief von Arigona auf, indem sie mit Suizid drohte und schrieb, dass sie sich nicht lebend der Polizei stellen werde, sollte ihre Familie nicht nach Österreich zurückkehren dürfen. Eine Woche bekräftigte sie ihre Drohung mit einem Video.
Darin bemerkte ich auch, wie sehr das Mädchen bereits in Österreich integriert war, sprach sie doch einen breiten oberösterreichischen Dialekt, wie ich ihn sonst nur von Einheimischen dort kenne. Unterschlupf fand Arigona bei Pfarrer Friedl von Ungenach im Bezirk Vöcklabruck. Seit 16. Oktober besucht sie wieder die Polytechnische Schule in Vöcklamarkt. Am 14. Dezember wurde die Beschwerde der Familie gegen die Verweigerung einer Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen, jedoch blieb Innenminister Platter (ÖVP) noch das Recht, ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu gewähren, was er jedoch nicht tat. Stattdessen wurde Arigona und ihrer Mutter eine Art "Hinrichtungsaufschub" gewährt, nach dem sie Ende des Schuljahres im Sommer 2008 in den Kosovo abgeschoben werden sollten.
Soweit der Hintergrund zur aktuellen Thematik. Mich persönlich hat die Geschichte gleich mehrfach berührt. Zum Einen schildert der Abtprimas des Benektinerordens in Bayern, Notker Wolf, in seinem Buch "Worauf warten wir?" einen ähnlichen Fall mit einer kurdischen Familie, die in die Türkei abgeschoben werden sollte. Der Vater der kurdischen Familie wurde gefoltert, weil er den Militärdienst verweigerte und ein Psychologe in Deutschland, der ein Gutachten über das Asylverfahren erstellen sollte, beschied dem Vater "Täuschung". Notker Wolf nahm sich der Familie an und gewährte ihnen Unterschlupf in seinem Kloster. Aus den ursprünglich angedachten zwei Monaten wurden sechs Jahre - und am Ende konnte nach zähen Verhandlungen mit der bayrischen Regierung die Familie nach Polen (damals Nicht-EU-Land) ausreisen.
In diesem Fall stehen die Dinge anders. Der Vater hat Fehler gemacht, indem er illegal einreiste und trotz nicht bewilligtem Asylantrag die Familie nachkommen ließ. Allerdings integrierte sich die Familie gut in Österreich, vorbildhaft für viele Ausländer. Spielt es da eine Rolle, ob es sich um Zuwanderung oder um Asyl handelt? Platters strikte "rechtskonforme" Ablehnung, die auch von Kanzler Gusenbauer unterstützt wird, stößt aus mehreren Gründen auf:
Das humanitäre Bleiberecht mutet der Willkür eines Gnadenakts an, das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz ist damit nicht gegeben. Der Innenminister kann nach eigenem Ermessen entscheiden, was nicht unbedingt objektiv ist. Weiters maßen die verantwortlichen Politiker bzw. Parteien an "sozial gerechte" und "christliche" Entscheidungen zu treffen, lassen hier aber überhaupt keine Milde aufkommen. Die Gründe liegen auf der Hand. Es wird befürchtet, dass eine mögliche Befürwortung des humanitären Bleiberechts als Präzedenzfall angesehen wird und sich dann möglicherweise hunderte Familien melden, die gleiches Recht einfordern. Perfide in diesem Zusammenhang mutet die Begründung Platters für die Ablehnung an:
Bemerkenswert: Auch die Abschiebung des Vaters und der Geschwister Arigonas im September wird vom Platter-Ressort zur Begründung des verweigerten humanitären Aufenthalts angeführt: "Es ist evident, dass starke Bindungen zum Heimatstaat bestehen, da sich große Teile der Familie im Kosovo befinden. (Quelle: ORF)
Da fehlen mir die Worte. Zumal BZÖ bzw. FPÖ natürlich Beifall klatschten: "Im Vordergrund stehe die Familienzusammenführung im Kosovo." - ich frage mich, was die Familie der Bevölkerung eigentlich angetan hat. Sie ist illegal eingereist, diesen Vorwurf kann man machen. Auf der anderen Seite arbeiten tausend illegale Pflegekräfte in Österreich, die nach dem Willen einige Politiker "legalisiert" werden sollen. Wer illegale Pflegekräfte daheim beschäftigt, soll dagegen nicht mehr bestraft werden ("Pflege-Amnestie"). Auf der anderen Seite sollte gegen Pfarrer Friedl ein Strafverfahren eingeleitet werden, weil er der "illegal" in Österreich sich befindlichen Arigona Unterschlupf gewährte. Hier wird wohl eindeutig mit zweierlei Maß gemessen. Auf der einen Seite wird Integration gefordert, auf der anderen Seite werden integrierte Familien abgeschoben. Dann wird über jene Ausländer geschimpft, die seit Jahren in Österreich leben, kaum ein Wort Deutsch sprechen und straffällig oder andersartig unangenehm auffällig werden.
Wenn es nach mir ginge, was es sowieso nie tun wird, aber ich denke auch, dass es wichtig ist, Alternativvorschläge zu machen, wenn man etwas kritisiert, dann sollte man jenen Familien, die illegal zugereist sind, ein humanitäres Bleiberecht zuweisen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, z.B. eine legale Arbeit, die Beherrschung der deutschen Sprache (die Arigona strenggenommen auch nicht beherrscht, was sie in Oberösterreich noch sympathischer macht ;-)), die Integration in die Gemeinde bzw. in die Regeln des Staates (Schule, Kindergarten, keine kriminellen Dinger), an sich also Selbstverständliches. Es gibt meiner Ansicht nach keinen vernünftigen Grund, solche Leute abzulehnen, was immer auch der "Migrationshintergrund" (ein unseliges, politisch korrektes Wort) sein mag.
Rechtskonform mag es ja sein, sie abzuschieben, aber diese Rechtshörigkeit kann auch fatale Folgen haben, wenn das Recht moralisch und ethisch nicht mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar ist, zu denen wir uns in Europa bekennen. Ich fühle mich hier als Autor weder als Deutscher noch als Österreicher, sondern mehr als unabhängiger Beobachter. Man könnte mir vorwerfen, mich durch den Medienhype blenden zu lassen, doch ich halte dagegen, dass ich einen Medienhype um Kommerz und Proporz, um Popstars, Popstarreproduktionen und Stars und Sternchen wie Paris Hiltons Gefängnisausflug viel schlimmer halte. Arigona wird mit ihrem medialen Aufsehen keine Karriere machen, sondern im besten Fall die Bevölkerung und die Politiker zum Nachdenken anregen, dass weder mit ihren Gesetzen noch mit dem moralischen Verhalten ihrer gewählten Politiker alles erste Sahne ist. Auch eine Natascha Kampusch hat die Medien im positiven Sinne genutzt, um für ihre Sache - ihr Einsatz für verschwundene Kinder und ähnliches- zu werben. Sie ist unverschuldet in die Misere gekommen, während Arigona für die Fehler ihres Vormunds geradestehen muss.
Wie die Sache auch letzlich ausgeht. Das lange Zögern, das Versprechen Platters gegebenüber Arigona, "eine Lösung zu finden", wenn sie sich freiwillig der Polizei stelle, und das nun eiskalte Verkünden der Ablehnung des humanitären Bleiberechts hat dem Ansehen Österreichs in so manchen Augen, der der Menschenrechtsorganisationen aber auch in der Bevölkerung überhaupt und außerhalb geschadet.
Noch ein paar aktuelle Artikel, nachdem das Thema in den letzten Monaten gänzlich in Vergessenheit geriet:
http://www.oe24.at/zeitung/oesterreich/chronik/oberoesterreich/article290945.ece
http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/375909/index.do?_vl_backlink=/home/politik/index.do
Inntranetz
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