AW: An Austria - Was macht ihr bloß?
Hallo Benjamin!
Ich nehm mal deinen Beitrag her, um auf das Thema Parteipolitik näher einzugehen.
Lilith und Marianne beschrieben hier nun sehr ausführlich eine, wie ich denke, recht rote Sicht der Dinge. Darin spiegelt sich meines Erachtens ein entscheidendes Problem unserer Innenpolitik wider, das sich von der Gemeindepolitik bis zur Bundespolitik mehr oder minder recht konstant durchzieht.
Ich spreche von Parteidenken. Eine Partei neigt dazu die Fehler bei den anderen Parteien zu suchen. Und auch wenn Fehler der eigenen Partei erkannt werden, so wird meistens vermieden, nach außen hin darüber zu sprechen.
Wenn du von Parteidenken sprichst, so muss erst einmal klar sein, dass die Parteien eine wesentliche Basis für die Demokratie sind. Irgendwie klingt es oft so, als ob das was grundsätzliche Schlechtes wäre, dass es Parteidenken gibt. Dabei ist das doch ganz klar, dass ich nur durch eine Parteienstellung meine Interessen artikulieren und wahren kann.
Die Politiker vertreten die Interessen jener Menschen, die sie in diese Funktion gewählt haben. Das ist anscheinend nicht jedem klar, dass er beim Ankreuzen eines Stimmzettels einem Menschen den Auftrag gibt, seine individuellen Interessen zu einem öffentlichen Anliegen zu machen.
Jede Partei vertritt andere Interessen und daher muss in allen Bereichen ein Konsens gefunden werden. Die Streitereien, wer woran Schuld ist, sind dabei auch aus meiner Sicht sehr überflüssig und ärgerlich.
Das nur ganz grob. Einiges läuft da schief, das will ich nicht leugnen, aber grundsätzlich finde ich diese Struktur ganz brauchbar.
Die jetzige Situation unserer Politik ist in dem Sinn keine neue. Wohl aber vielleicht ist der Umstand neu, dass so vieles an die Öffentlichkeit getragen wird. Das Problem wurzelt meines Erachtens zu einem großen Teil darin, dass sich zwei Parteien gegenüberstehen, die von sich glauben, dass sie die stärkere wäre. Sie blockieren sich gegenseitig. Im Unterschied zu unserer vorherigen Regierung, in der es eine klare Linie gab, nämlich die der merklich stimmenstärkeren Partei, der ÖVP.
Genau diese klare Linie der ÖVP war der Grund, warum die SPÖ trotz BAWAG-Skandals und ÖGB-(Fast)Zusammenbruch bei der Nationalratswahl 2006 wieder stimmenstärkste Partei wurde. Denn die sehr einseitige Wirtschafts- und Steuerpolitik der Schwarz-blaurangen Regierung, die die Schere zwischen arm und reich noch weiter aufmachte, die wollten viele nicht mehr unterstützen.
Nun jedoch will keiner von seiner Linie mehr abweichen, und die Situation ist dahin gekommen, dass sich dieser Machtkampf nach außen gedrängt hat, und dass das, was sonst hinter verschlossenen Türen ausgetragen wurde, nun an die Öffentlichkeit gerät.
Und das ist auch gut so. Vom Volk gewählte Vertreter haben nicht hinter verschlossenen Türen Geheimnisse auszumauscheln.
Meiner Meinung nach gibt es keine (große) Partei, die nicht irgendwo Dreck am Stecken hat. Sie alle führen ihre insgeheime Machttreiberei. Das ist aber kein politisches Problem an sich, es ist ein menschliches Problem.
Da hast du leider Recht. Aber eben, weil es ein menschliches Problem ist, gibt es ja Kontrollorgane. Nun stellt sich heraus, dass dort, wo eine Partei schon lange die Mehrheit hat, gewisse Usancen einreißen, wo sich das öffentliche Mandat und die Parteiinteressen mischen. Wie sich ja beim Innenministerium herausstellt, das aus langer Tradition bis zu Liese Prokop mit niederösterreichischen Politikern besetzt wurde, was der Landeshauptmann von NÖ, Erwin Pröll, ganz offensichtlich als Möglichkeit betrachtete, der Nö. ÖVP Informationen aus erster Hand zu verschaffen. Denn viel Interessantes bzw. möglicherweise Brisantes, was dort an polizeilichen Informationen erhoben wurde, landete gleich einmal auf dem Tisch der NÖ. VP-Zentrale.
Wie praktisch sowas ist, sah man ja auch am ganz zufällig in einen Wahlkampf gefallenen Bawag-Skandal, wo Informationen, die schon relativ alt waren, plötzlich als Munition gegen die SPÖ verwendet wurden. Oder jetzt wieder, jetzt tauchen auf einmal sehr auffällig platzierte Schachteln mit Unterlagen auf, die auf eine mögliche Parteienfinanzierung der SPÖ durch die BAWAG hinweisen. Aber es gibt ja auch nächste Wochen Landtagswahlen in NÖ. Wär ja schade, wenn diese Schachteln nicht sinnvolle Verwendung gefunden hätten.
Machtspiele sieht man genauso in Familien, Nachbarschaften, in Betrieben und Firmen. Es wäre naiv, wenn wir uns selbst da ausnehmen würden.
Es geht mMn gar nicht darum, sich über Machtspiele zu ärgern. Es geht darum, die Auswüchse dieser Machtspiele, nämlich einerseits persönliche Bereicherung und Amtsmissbrauch, andererseits die dadurch wieder wachsende Korruption von öffentlichen Bereichen zu verhindern bzw. wieder aufzudecken und hier Ordnung zu schaffen.
Das ist sicher nicht ganz leicht, denn wenn sowas schon eine Zeit lang läuft, ohne dass irgendjemand genau hinschauen will - die Gründe lass ich jetzt einmal beiseite, dann hat das schon Kreise gezogen.
Ich wünsche und hoffe, dass es trotzdem möglich ist, auch wieder Licht in so manches Dunkel zu bringen.
Meine persönliche Einstellung ist daher folgende: Es berührt mich nicht sonderlich. Ich ärgere mich nicht über das, was die Medien mir gerade auftischen, weil ich mir bewusst bin, dass es noch viel mehr von solchen Geschichten gibt, und ich von den meisten nichts weiß und nie etwas wissen werde. Von dem her müsste ich mich ja im Grunde fortlaufend ärgern, über all diese Machttreiberei und dem Egoismus der Menschen. Im Allgemeinen, nicht nur in der Politik.
Das habe ich so wie du, auch nicht für sinnvoll erachtet. Deshalb bin ich ja auf Gemeindeebene in die Politik gegangen. Da wusste ich so viel wie das, was ich hier von dir lese.
Ich dachte, die sind ja alle gleich, alle haben Dreck am Stecken, keiner braucht über den anderen zu schimpfen.
Und eigentlich ist es egal, wer da oben sitzt. Sie bedienen sich ja alle nur im eigenen Interesse.
Aber das stimmt so nicht. Nicht so allgemeingültig und so pauschal.
Es gibt Korruption, aber es gibt auch Kontrolle. Es gibt Willkür, aber sie hält sich nicht lang. Es gibt, wie du sagst, Benjamin, alles das, was an menschlichen Abgründen auftauchen kann. Aber die Kontrollinstanzen funktionieren im Großen und Ganzen ganz gut. Wenn auch die Mühlen manchmal sehr langsam mahlen.
Das hat jedoch keinen Sinn. Ich kann nur darauf vertrauen, dass letzten Endes schon das Richtige geschehen wird, und bemühe mich lieber, selbst besser zu handeln, als unsere Politiker. Ich glaube nämlich, die meisten unserer Politiker (egal welcher Partei) haben dies in ihrem Leben vergessen, und daher sieht die Situation so aus wie sie heute eben aussieht.
Du ziehst sehr edle Schlüsse für dich. Dafür möchte ich dir meine Anerkennung aussprechen. Das ist es auch, was jeder einzelne tun kann, denn die Politik gibt durch Gesetze ja nur einen Rahmen vor.
Eins ist mir aber klar geworden: Es ist ein großer Unterschied, wo die Richtung der ÖVP hinführt und wo die Richtung der SPÖ. Denn wenn auch die Art und Weise, wie Politiker reden, wie sie sich gegenseitig die Schuld zuschieben, oder wie sie einen Wahlkampf führen, in allen Parteien sehr ähnlich ist, so geht es doch um die Inhalte, die sie im Interesse der Menschen, die sie gewählt haben, umsetzen sollen.
Gusi hat als Persönlichkeit viel Glaubwürdigkeit eingebüßt, weil er seine großartigen Versprechen nicht halten konnte. Er opferte sie der Koalition. Die ÖVP weiß, dass Gusenbauer die Koalition nicht aufs Spiel setzen will, und presst damit die SPÖ bis an die Schmerzgrenze.
Aber wenn man sich ansieht, wo in Österreich in den Jahren der Schüssel-Regierungen eingespart wurde - bei den Leistungen der Krankenkassen, beim öffentlichen Verkehr, bei den Pensionen,..... und wenn man sieht, welche Steuerpolitik betrieben wird, wie z.B. die Abschaffung der Erbschaftsteuer, oder eine geplante Senkung des Einkommensteuerhöchstsatzes, dann sieht man schon wo es hinführen sollte. Ja, von irgendwoher musste das ja kommen, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer wurden.
Es ist kühl geworden hier in Österreich. Gusenbauer hat sehr viel versprochen, damit er Kanzler werden konnte, hat sehr viel verspielt mit den leidigen Kompromissen für die Koalition mit der ÖVP, aber hält hoffentlich die Blockade noch eine Weile durch, weil mit weiteren Jahren ÖVP-Politik der Sozialabbau noch radikaler betrieben würde.
Die Sozialdemokraten können ihre Politik erst dann wirksam umsetzen, wenn die Mehrheitsverhältnisse nicht so knapp liegen, sodass sich eine Koalition mit einer der kleinen Parteien ausgeht.
Sollten wir wirklich auf Neuwahlen zusteuern, dann bricht bei mir das große Zittern und Bangen aus, so wie vor der letzten Wahl. Denn derzeit lässt sich nicht einschätzen, für welche der beiden Koalitionsparteien der günstigere Wind weht.