AW: An Austria - Was macht ihr bloß?
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was habt ihr für eine einstellung zu dieser krise, wenn ich es so nennen darf?
Hallo Psbvbn1!
Du rührst an einer Wunde, die derzeit von den Ereignissen in Österreich immer wieder aufgekratzt wird und mich sehr schmerzt.
Wenn ich die Frage "Was macht ihr bloß?" mal auf mich persönlich beziehe, dann kriegst du zur Antwort, "ich bin gespalten und ich leide".
Ich bin selbst in der Ortsgruppe der Sozialdemokratischen Partei tätig. Bei uns herrscht sowas wie Lähmung. Unser Parteivorsitzender, Bundeskanzler Gusenbauer, lässt keine klare Linie erkennen, wo sein Regierungsziel liegt. Die Sprachregelung geht nun dahin, dass wir mit einer Strategie der gegenseitigen Blockade zwar nicht weiterkommen, weder schwarz noch rot bringt etwas zustande, aber es wird dadurch auch eine weiterer Abbau der sozialen Errungenschaften verhindert, wie er in den 7 Jahren der schwarz/blau-orangen Koalition betrieben wurde.
Dabei blutet vor allem den Sozialdemokraten das Herz, denn im letzten Wahlkampf klangen die Versprechungen von Gusenbauer viel klarer, als er jetzt umsetzen kann. Es gibt nur Kompromisse bzw. so eine Art Tauschgeschäfte mit dem Koalitionspartner.
Die Optik lässt den Schluss zu, dass die "Roten" mit dieser Art von Regierungspolitik ihre Seele verkaufen. Dahinter steht allerdings wirklich die Sorge, dass bei einem Bruch der Koalition und durch Neuwahlen die ÖVP wieder gestärkt hervorgehen könnte. Was mMn aber grad durch diese "rückgratlose" Haltung der SPÖ erst geschürt wird.
Wenn wir Roten also schon eine sehr zwiespältige Meinung über unsere eigenen Regierungsmitglieder haben, dann schaut es bei den andern Bürgern des Landes sicher nicht positiver aus.
Was in den Köpfen der ÖVP-Politiker vorgeht, kann ich sehr schwer nachvollziehen. Ich hab noch nie mit soviel Häme und Intrigantentum zu tun gehabt, als im Wahlkampf auf Gemeindeebene bzw. bei der Nationalratswahl. Diese Erlebnisse sind für mich der Grund, warum ich meine politische Arbeit auf Gemeindeebene so schnell wie möglich wieder niederlegen möchte. Es widerstrebt mir zutiefst, Menschen, die auch nur ihre Interessen wahren möchten, zu beschimpfen, zu diffamieren, zu belügen, mit Hohn und Spott zu übergießen, in Intrigen zu verwickeln, zu benützen für parteipolitische Zwecke, aber all das sind Mittel der Wahlkampfstrategien der ÖVP, die ich selbst erlebt habe. Das Traurige dabei ist, dass viele Menschen trotzdem ÖVP-Wähler sind, weil diese Partei Geld hat und es gezielt einsetzen kann für Propaganda und populistische Maßnahmen. Und sie sieht sich als die Wirtschaftspartei und wird dementsprechend von der Wirtschaft unterstützt.
Vielleicht hast du mitgekriegt, dass im Zug des großen BAWAG-Skandals auch der ÖGB, der Österreichische Gewerkschaftsbund involviert war, der dadurch fast zerschlagen wurde und schwer zu kämpfen hat, um sich wieder neu zu ordnen. Das waren gezielte Manöver der Schwarzen, die dadurch viel Spielraum für ihre Zwecke gewonnen haben. Natürlich haben die Roten genug Anlässe geliefert, dass diese Machtspielchen greifen konnten, aber alles, was an verdächtigen Machenschaften bekannt wurde, wurde erst dann öffentlich gemacht, als es für den Wahlkampf der ÖVP als Munition eingesetzt werden konnte. Super Strategie!
Derzeit packt grad ein hoher Polizeibeamter, selbst von der ÖVP auf einen wichtigen Posten gesetzt, aus, weil er es mit seiner Moral nicht vereinbaren konnte, was er aus seiner Amtstätigkeit alles an die ÖVP-Parteizentrale liefern sollte.
Ein Untersuchungsausschuss, der prüfen soll, in welcher Art das Innenministerium hier für Parteizwecke missbraucht wurde, ist nun gerade zum Prüfstein für die Koalition geworden. Die ÖVP tat kund, falls die SPÖ diesem Untersuchungsausschuss zustimme, dann sei dies ein Bruch der Koalition.
In dieser Tonart geht es schon die ganze Zeit. Der eine schiebt dem anderen die Schuld am Nicht-Zustandekommen von wichtigen Entscheidungen in die Schuhe.
Du siehst, lieber Psbvbn1, es geht drunter und drüber. Wenn ich in der Früh die News online anschaue, dann fürchte ich schon, dass es wieder Grund zum Ärgern gibt. Oder auch zum wütend Werden oder sogar zum Schämen.
In Niederösterreich sind am 9.März Landtagswahlen, d.h. die Landesregierung wird gewählt. Hier hat die ÖVP eine satte Mehrheit, unser Landeshauptmann Pröll agiert wie ein feudaler Herrscher, das spielt hier natürlich auch noch eine Rolle in der derzeitigen politischen Landschaft.
Die parteipolitischen Übergriffe im Innenministerium geschahen anscheinend auch in der kurzen Amtszeit der Innenministerin Liese Prokop, die lange Jahre in der Niederösterreichischen Landesregierung tätig war, ehe sie ins Innenministerium wechselte. Sie starb letztes Jahr ganz unvorhersehbar an einem Aortariss, nach relativ kurzer Amtszeit. Nun wird es fast wie Blasphemie dargestellt, dass eine verstorbene Ministerin womöglich beschuldigt wird an Unredlichkeiten beteiligt gewesen zu sein.
Naja, ich glaub, das ist erstmal genug. Hintergrundberichte gibt es mMn auch ganz interessante auf
http://derstandard.at/ oder in anderen online-Zeitungen.