AW: Ärztehaftung für korrekte Pränataldiagnose.
Aus der Sicht einer ehemals schwangeren Frau kann ich nur sagen, ich bin froh daß die Pränataldiagnose damals noch nicht so weit war.
Ich lehnte auch die damals bereits praktizierte Fruchtwasseruntersuchung ab, denn ich wollte mich vorbehaltslos auf meine Kinder freuen und nicht vor die eventuelle Entscheidung gestellt werden, was tun wenn das Kind behindert ist. Abgesehen davon, daß mir das Risiko zu groß war.
Ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, ob die PID ein Segen oder ein Fluch ist. Es wird sich wahrscheinlich wie bei allem die Waage halten.
Aber in einem bin ich mir ziemlich sicher. Ärzte verklagen, wenn eine Behinderung trotz aller Untersuchen nicht erkannt wird, das darf mMn nicht sein.
lg.eule
Das ganze Problem ist eher ein gesellschaftliches:
In unseren heutigen Wohlstandsgesellschaften werden immer weniger Kinder gezeugt und geboren. Die Gründe liegen vor allem im Egoismus und in der überkomplizierten Gedankenwelt bei weitgehendem Wegfall von religiösen und gesellschaftlichen Traditionen, wie bspws. der Großfamilie.
Eine Frau möchte (soll) heutzutage selber berufstätig sein, möglichst Karriere machen (mindestens analog zum Mann). Dafür benötigt sie Lebenszeit, die für die Aufzucht von Kindern entweder fehlt, oder nur unzureichend dafür eingesetzt wird. Die Folgen solcher Familienentwicklung sehen wir überall.
Wenn aber tatsächlich "ein Kind" geplant wird, dann soll es möglichst später in dieser brutalen Leistungsgesellschaft funktionieren, also alle Fähigkeiten besitzen, sich trotz größter Konkurrenz durchzusetzen.
Ein behindertes Kind ist in diesem durchgeplanten Leben - eine Katastrophe.
Einerseits, weil es unaufhörlich der Pflege und besonderer Zuwendung bedarf, andererseits, weil die sozialen Institutionen finanziell durch die Politik ausgehungert werden.
Viele Frauen und Paare mit Kinderwunsch sind heute über 35 Jahre alt, haben also dadurch allein schon ein erhöhtes genetisches Fehlbildungsrisiko ihrer Nachkommen zu tragen. Deshalb ist die Gynäkologie heute in der Pränatalen Diagnostik soweit entwickelt, daß sie die statistischen oder anamnestischen Risiken eingrenzen und Fehler beweisen oder ausschließen kann.
Allerdings ist die Entscheidung der Patientin für den Einsatz aller Möglichkeiten verantwortlich. Bei Auffälligkeiten im Ultraschall steht die Frage im Raum, ob Frau/Paar den ersten Verdacht abklären lassen will, oder nicht.
Eine häufige Überforderung, da sich viele Paare garnicht klarmachen, was im Falle einer schweren fetalen Fehlbildung für eine Belastung auf sie zukommt. Auch und besonders auf die Beziehung. 70% aller Trisomie-Kinder landen irgendwann in Heimen, obwohl etwa genauso viele Partnerschaften bei Kenntnis dieser Diagnose behaupten, "kein Problem" damit zu haben.
Deshalb sind Schwangere, die trotz sonographischer Auffälligkeiten meinen, keine Fruchtwasserpunktion haben zu wollen - dem Risiko der eigenen Fehlentscheidung unterworfen. Ärzte machen lediglich Angebote zur Abklärung.
Die Gefahr, durch die Fruchtwasserpunktion eine Fehlgeburt auszulösen liegt zwischen 0.5 - 1 %. Dabei ist ein Beobachtungszeitraum von 14 Tagen nach der Punktion einbegriffen, sodaß es eine Grauzone gibt, in welcher garnicht beweisbar ist, ob die Fehlgeburt wirklich durch den Eingriff oder durch die mögliche fetale Fehlbildung geschah.
Wenn man über all diese Zusammenhänge aufgeklärt ist - und trotz der Auffälligkeiten im Ultraschall keine weiteren Konsequenzen wünscht, dann muß man wohl oder übel mit den möglichen Folgen eines schwerstbehinderten Kindes leben - können. Wer kann das ohne eigene Erfahrung sicher von sich behaupten ?
Perivisor