Mitten auf der Brücke halte ich die Füße still, um dem Schauspiel das mir die fallende und knallrote Sonne auf ihrem Weg in den tiefblauen Fluss bietet, mit meinen Augen zu folgen. Noch bevor sie verglüht, trete ich mein Rad weiter. Es ist immer noch warm, fast zu warm, aber egal, der Fahrtwind schlägt mir ins Gesicht, dass es scheppert.
Am Eingang sitzen verkleidete Idioten, vielleicht auch nicht und ich betrete einen staubigen Platz, der vollgestopft ist mit Zelten und Menschen und einigen Hunden. Andere Tiere sehe ich nicht, nur deren Felle, die von den am Eingang Entlarvten verkauft werden. Immerhin muss man hier bar bezahlen, im Mittelalter gibt es keine Digitalisierung. Ich erinnere mich an die 80er, da hingen Teile von toten Tieren an Antennen von Fahrzeugen. Heute trägt man Hasenpfoten am Körper. Und andere Sachen. Damals erschien es mir irgendwie harmloser. Insgesamt.
Einige der Verkleideten laufen barfuß herum oder mit Lappen, anstatt Schuhen. Sicherheitshalber atme ich in mein Halstuch, ich meine, das rettet mich seit Jahrzehnten. Die Bauern und Bürger oder was immer die Gestalten hier darstellen möchten, tragen anstatt Halstuch Knochenketten. Dennoch lassen es sich einige nicht nehmen einen Mund-Nasenlappen der Neuzeit in ihren Gesichtern zu platzieren. Vielleicht haben sie Angst vor der Pest oder wahlweise Cholera? Jedenfalls scheint die Detailverliebtheit da aufzuhören, wo der Wahnsinn anfängt.
Ich drehe gelangweilt eine Runde im Kreis, aus dem ich aussteige, als ich ihn sehe. Er liegt zwischen zwei Zelten, drapiert auf einem Bärenfell. Unglücklicherweise hat er mich auch gesehen und versucht meine Aufmerksamkeit durch Winken und Rufen auf sich zu lenken. Ich stehe am Rande der ehemaligen Bärenhaut und glotze nach unten, er räkelt sich genüsslich auf dem staubigen Ding herum. Vor ihm steht eine Holzschüssel mit einem überdimensionierten Löffel darin, auch aus Holz. Von einem Anfänger geschnitzt oder so, grob jedenfalls in der Machart. Wer bitte bekommt diese Kelle in den Mund, ohne anschließend unter einer Maulsperre zu leiden?
Er zückt sein Handy, tragischerweise handelt es sich nicht um eine hölzerne Attrappe; es spuckt Fotos von seinen Besitztümern aus, die er mir unter die Nase hält. Autos und Motorräder und Motoren aus Chrom, handpoliert. Meine Fresse, ich soll beeindruckt sein, wirke aber offenbar gelangweilt. Er ist beleidigt. Jetzt folgen Abbildungen seiner Innenausstattung und die entsprechenden, unendlichen Geschichten dazu, und ich wünsche mir einen fliegenden Drachen, ich bin schnell reizüberflutet.
Als die Maultrommel erklingt versammelt sich die Menge zum Kreisgetanze, ich nutze die Gelegenheit meinen Drahtesel zu besteigen und zu entkommen. Ohne Beleuchtung bahne ich mir den Weg zurück über den Fluss, der inzwischen schimmert wie eine schwarze Mamba, angestrahlt durch das Licht des Mondes und das Funkeln der Sterne. Gute Nacht.