Der "Schutzengel" wird oft erwähnt, was aber meint man damit ausser im religiösen Kontext?
Kann man ihn definieren? Für was steht er symbolisch? Haben wir alle einen? Aus welcher Ebene kommt er?
Können wir ihn würdigen?
Ich fand als Kind einen Schutzengel so wunderschön, dass ich einer werden wollte....
Verrätst Du uns, was daraus geworden ist ?
Sollte es sie geben, tauchen Fragen auf:
- hat jeder ein Anrecht auf einen solchen ?
- werden nur Auserlesene unter einen solchen Schutz gestellt ?
- haben sie wirklich Flügel ?
- sind sie immer im Dienst oder nur an Wochentagen ?
- arbeiten einige von ihnen im Bergwerk (Erzengel) ?
Scherz beiseite. Haarige Situationen und deren glimpflichen Ausgang wir mit "Schein gehabt" quittieren, haben wir alle schon erlebt. Dass Gefühl, dass da jemand seine ´Hand über uns gehalten´ hat, lässt uns schon mal über einen Schutzengel nachdenken.
Man sagt, wenn ich - in gefährlichen Situationen - keine Kontrolle mehr über das Geschehen habe, liegt mein Leben in Gottes Hand.
Es gibt Berichte (von z. B. abgestürzten Bergsteigern, die das ganze überlebten), dass es - in schier aussichtslos erscheinenden Momenten (bei einem Absturz etwa) - "Zeitdehnungen" gibt, die, obwohl wir hier von Sekunden reden, zulassen, dass das ganze Leben an einem vorbeizieht und zum anderen Möglichkeiten erkennen lassen, die den Ausgang der "Sache" noch erträglich gestalten lassen.
Normalerweise würde das einige Minuten in Anspruch nehmen.
Ich weiß vovon ich rede, ich habe so etwas schon einmal erlebt und auch hier im Forum (im Thread “Früchte des Schocks" im Forum “Eigene Geschichten” geschildert:
Es liegt viele Jahre zurück (ich war damals 23) und es war ein unvergessliches, einschneidendes Erlebnis.
Ich war noch in den Reihen der ˋNationalen Volksarmeeˋ und fuhr mit meinem Motorrad (einer 250er TS) in ein Wochenendfrei. Das Wetter war warm und sonnig und es machte richtig Spaß, der schmalen Straße, durch das kurvenreiche Waldgebiet, zu folgen.
In einer Haarnadelkurve kam mir plötzlich ein Gliederbus entgegen, der mit seinem Heckteil weit über die Straßenmitte hinaus schwenkte. Da ich für diese Situation wohl doch zu schnell unterwegs war und auch eine dementsprechende Kurvenlage hatte, ließ sich eine Berührung nicht vermeiden. Der Bus erwischte mich an der Schulter, richtete mich quasi auf und ich verließ, mit beachtlicher Geschwindigkeit, die Straße.
Dabei hatte ich, sicher in mehrfacher Hinsicht, ausgesprochenes Glück. Erstens saß ich noch (und jetzt wieder gerade) auf dem Motorrad, zweitens erwischte ich keinen der steinernen Begrenzungssteine und es gab damals dort noch keine Leitplanken. Die scharfe Kurve zog sich oberhalb eines Steilhangs entlang, nur den raste ich jetzt durch einen Fichtenhochwald hinunter.
Als ich meine Situation erfasste, verabschiedete ich mich gedanklich von diesem Leben; ich war mir sicher, dass das niemand heil überstehen kann. An ein Bremsen war, auf dem weichen Humus, nicht zu denken und die Maschine zu Fall zu bringen war, bei diesen wuchtigen Bäumen, auch keine Option. So raste ich, ohne die Geschwindigkeit vermindern zu können und ohne wirklich lenken zu können, auf ein vernichtendes Finale zu.
Wider alle Erwartungen schaffte ich es bis zum Waldrand. Nur endete der Steilhang übergangslos an einem relativ breiten Weg. Hang und Weg waren durch einen tief ausgehobenen Graben getrennt (offensichtlich um bei Starkregen das vom Hang strömende Wasser auffangen zu können). Ohne zu wissen wie, schoss ich plötzlich, immer noch mit hoher Geschwindigkeit, über diesen Weg. Direkt am Weg lag ein einzelnes Gehöft, vor dessen offenem Tor standen vier ältere Frauen und waren offensichtlich im Gespräch. Ich raste haarscharf an ihnen vorbei, durch das Tor auf den Hof.
Das Wohnhaus stand weiter rechts, nur die Garage, die glücklicherweise weiter hinten stand, kam rasend schnell auf mich zu. Ich warf mich mit dem Motorrad zur Seite. Die Maschine drehte sich wie ein Kreisel auf der Fußraste und schleuderte mich weg. Ich blieb im wesentlichen unverletzt. Was ich dann tat, war recht fragwürdig. Ohne mich den schockierten Frauen zu erklären, richtete ich das Motorrad auf, schwang mich auf die Sitzbank, gab Gas und suchte das Weite.
Als ich, an den immer noch völlig verstörten Frauen vorbei, vom Hof fuhr, sah ich, welchen Umstand es zu verdanken war, dass ich diesen Hof überhaupt erreichen konnte. Genau gegenüber dem Hoftor, gab es ein etwa ein Meter breites Brückchen über den Graben, bestehend aus einem Betonrohr und Erdreich darüber, das den Zugang zu einem Pfad durch den Wald ermöglichte. Die Chancen, dieses schmale und vorher überhaupt nicht erkennbare Brückchen zu erwischen, lagen bei Null.
Ich fuhr noch um die zwei Kilometer, dann sah ich Sternchen und verspürte einen unwiderstehlichen Drang zum niedersetzen. Ich bog in den nächsten Feldweg ein und gab dem Sog nach unten nach. Damals rauchte ich noch; ich rauchte mehrere Zigaretten bis mein Kopf wieder halbwegs funktionierte.
Da schon zu Beginn des Horrortrips Glück im Spiel war, war das Glück im Finale regelrecht unglaublich. Allein, das schmale Brückchen zu erwischen (die einzige Möglichkeit mit heilen Knochen davonzukommen), war unfassbar; das offene Tor, die – zumindest körperlich – unverletzten Frauen, die Chance (auf Grund der baulichen Gegebenheiten) die immer noch erhebliche Geschwindigkeit in einer Kreiselbewegung zu entschärfen, das alles ist fast zu viel, um nur von einer Reihe von Zufällen reden zu können.
Auf jeden Fall war Glück dabei, ein Schutzengel vielleicht (fast möchte ich es glauben) aber es muss auch ein hellwaches Bewusstsein meinerseits im Spiel gewesen sein, ein Bewusstsein, das nur in äußerst bedrohlichen Situationen frei wird. Was auch bezeichnend ist, obwohl ich kein zertifizierter Superheld bin, war da keine Angst in dieser haarsträubenden Situation. Ich war einfach in einer Weise hellwach, die nur schwer zu beschreiben ist.
Das ganze hat vielleicht dreißig Sekunden gedauert; vorgekommen ist es mir, wie endlose zehn Minuten. Ich dachte – in dieser Zeit – darüber nach, wie meine Eltern die Nachricht von meinem Tod aufnehmen würden, stellte mir vor, wie auf der Dienststelle die Schlussfolgerung gezogen würde ´Der ist mit Sicherheit zu schnell gefahrenˋ und bereute der ˋSache mit Christine´ keine wirkliche Chance gegeben zu haben. Zudem zog eine ganze Reihe von Bildern, aus prägnanten Situationen meines Lebens, an mir vorbei.
Ganz nebenher habe ich aber diese haarsträubende Situation (souverän?) zu Ende gebracht. Wie ist das möglich? Irgendwie sind die Gesetze der Zeit ausgehebelt worden; die Zeit wurde lang gezerrt wie ein Kaugummi. Auch auf diese Art und Weise, wurde mir eine Chance eingeräumt, die eigentlich gar nicht bestand.
Ich denke, die Frage, ob es Schutzengel gibt oder nicht, kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ich selbst bin der Auffassung, dass es Kanäle gibt, die sich - in den Momenten, in denen wir viel Glück brauchen - öffnen können. Unser menschliches Alltagsbewusstsein ist vom höheren Bewusstseinnur nur scheinbar abgeschnitten unmd manchmal stellen wir fest, dass wir möglicherweise nicht alleine lenken.
LG * Helmfried