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tractatus logico-philosophicus

ezzosDIARY

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Registriert
23. Oktober 2002
Beiträge
453
hi!
wer von euch hat lust und interesse
an einer erörterung
des
<tractatus logico-philosophicus>
von ludwig wittgenstein?

ist zwar
ein enigmatisches buch,
aber es gehört ohne frage
zu den schlüsselwerken
der neopositivistischen philosophie.

alsdann......
mal gucken......
wer da so mittun will.....

lg,werner:cool:
 
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...

habs mir heute eben von nem bekannten ausgeliehen. werd mir das mal durchlesen und dann kanns auch schon losgehen ;)

aber wird noch n bisschen dauern...
 
des haut mi ned firi !

Anscheinend sind "anthropos" und "Esperanza" mit dem Lessen noch immer nicht fertig,
deshalb presche ich halt einmal vor und deponiere inzwischen meine Position zum Tractatus.

Der Tractatus logico-philosophicus erscheint mir spätestens ab dem Punkt nicht mehr
nachvollziehbar, an dem sich der Autor zu dem Satz versteigt:
L. Wittgenstein schrieb:
Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.
Ab diesem Punkt ist für mich klar, dass Wittgenstein in einer anderen Welt gelebt haben muss.

Zu meiner Welt gehören auch die Dinge.

Selbst wenn etliche Dinge aus meiner Welt durch eine Tat hervorgebracht wurden und sie deshalb
auch mit gewisser Berechtigung als "Tat_sachen" bezeichnet werden können,
so gibt es doch auch viele Dinge, die zwar das Ergebnis eines Vorganges oder Prozesses sind,
wo aber kein handelndes Subjekt auszumachen ist, das diesen Vorgang oder Prozess eingeleitet
und gesteuert haben könnte.
Eine Tat hat aber immer einen Täter als notwendige Vorbedingung.

Einen Rosenstrauch in einem künstlich angelegten Garten kann ich beispielsweise als Tat_sache
begreifen, er wurde von einem Gärtner gepflanzt, der Täter ist hier bekanntlich immer der Gärtner.

Beim Mont Blanc, beim Orkan Kyrill, sowie bei etlichen Kräften und Wirkungsmechanismen ist weit
und breit kein Täter zu identifizieren, aber dennoch sind sie zweifellos Bestandteil meiner Welt.

Würde hingegen das Wort "Tatsachen" bei Wittgenstein als Synonym für "Gegebenheiten" bzw. für
"alles, was der Fall ist" stehen, dann wäre der zitierte Satz ein Widerspruch in sich, denn auch
Dinge sind Gegebenheiten, sind der Fall.

L. Wittgenstein im Vorwort schrieb:
[...]
Wenn diese Arbeit einen Wert hat, so besteht er in Zweierlei.

Erstens darin, dass in ihr Gedanken ausgedrückt sind, und dieser Wert wird umso größer sein,
je besser die Gedanken ausgedrückt sind. - Hier bin ich mir bewusst, weit hinter dem Möglichen
zurückgeblieben zu sein. Einfach darum, weil meine Kraft zur Bewältigung der Aufgabe zu gering
ist. - Mögen andere kommen und es besser machen.

Dagegen scheint mir die Wahrheit der hier mitgeteilten Gedanken unantastbar und definitiv.
Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben.

Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin,
dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass die Probleme gelöst sind.

Da hat Wittgenstein aber recht großzügig ein ganz wesentliches Bewertungskriterium für ein
Lösungskonzept unter den Teppich gekehrt, nämlich die Qualität der Gedanken.

Wie meinte doch einer von Wittgensteins Zeitgenossen so treffend (auf ???? bezogen):

"Es genügt nicht, keine Ideen zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken !"


Aus dem Tractatus konnte ich somit lediglich entnehmen, dass mich Ludwig Wittgenstein bei
meinem Bemühen, zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, nicht vorwärts bringt.
Daraus darf aber nicht abgeleitet werden,
dass Wittgenstein notwendigerweise ein kleiner Spinner war, ...
er könnte ja ebensogut auch ein großer Spinner gewesen sein.


Das musste auch einmal mit aller Klarheit gesagt werden.
 
Anspruch und Erfüllung.

Den Opernball lasse ich heute sausen, weil ein Pferd auf dem Tanzparkett halt wirklich nicht
nach meinem Geschmack ist.

Da widme ich mich lieber wieder dem ganz großen Aufreger-Thema "Wittgensteins Tractatus".

Es braucht ja nur jemand das Wort Trac... halblaut zu denken, und schon sprießen die Kommentare
wie die Pilze aus dem Boden, da werden innerhalb eines halben Jahrzehnts gleich mehr als zwei
Kommentare abgegeben.

So erquicklich und belebend dieser imposante Trubel auch ist, manchmal wirkt er fast schon
irritierend und beängstigend. Ich habe mich in dieser Frage ja zurückgehalten und nach der Lektüre
des Tractatus meine Meinung mehr als ein Jahrzehnt lang nur im engsten Kreis artikuliert,
aber schließlich fühle ich mich nun doch geradezu verpflichtet, meinen Senf auch hier dazuzugeben.
Das ist gewissermaßen Ehrensache, ein Ehrensenf also, eben unmissverständlicher Ausdruck
meiner Freigiebigkeit und Großzügigkeit, meiner nahezu grenzenlosen Bereitschaft, andere an
meinem Philosophieren teilhaben zu lassen.

Damit wären wir nun wieder beim Thema Philosophieren.

Wenn eine der wichtigsten Antriebskräfte für ein Philosophieren das Bestreben ist,
zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält,
dann muss beim Philosophieren im Zentrum der Aufmerksamkeit stets die Frage stehen:
Ist eine getroffene Aussage über die Welt zutreffend ?

Damit dieser Fokus auch erhalten bleiben kann, muss an philosophischen Texten
allem voran klar sein, welche Aussage denn nun eigentlich getroffen wird.

Ein Text, der den Leser auf eine Rätsel-Rally schickt und ihn erst einmal mühsam 99.999
verschiedene Interpretationsmöglichkeiten auseinanderklauben lässt, um mittels statistischer
Analyse zu einer Vermutung zu gelangen, was mit diesem Rätselwort denn gemeint sein könnte, ...

ein solcher Text kann nie und nimmer den Anspruch erheben, ein philosophischer Text zu sein.

Solche kryptischen Texte taugen bestenfalls für Orakel oder für Offenbarungen,
für einen philosophischen Diskurs sind sie schlichtweg unbrauchbar.

Ludwig Wittgenstein muss die Bedeutung der Klarheit von Aussagen bewusst gewesen sein,
denn im Vorwort zu seinem Tractatus vernehmlasst er in gestrengem Schulmeisterton:

Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen;
und worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.

Gut gebrüllt, Luigi, wirklich seeeehr gut !

Doch warum, zum Kuckuck, hat sich Wittgenstein dann nicht
an seinen eigenen Empfehlungen und Forderungen orientiert ?

Im Tractatus beginnt schon beim zweiten Satz
"Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge" das große Raten:
Was ist mit diesem Rätselwort gemeint ?


Das kann doch nicht wahr sein ! Da pocht einer lautstark auf Klarheit und Wahrheit,
und serviert dann noch im selben Atemzug einen Orakelspruch ???

Auf gut Wienerisch würde man da fragen: Ja spinnnnt denn der ?

Und die Antwort darauf lautet: Joho, owa ned wenig !


Das musste auch einmal mit aller Klarheit gesagt werden.


P.S.: Rein zufällig wurde der Tractatus auch im Eröffnungsbeitrag dieses Threads
als "enigmatisch" eingestuft. **hintergründiggrins**
 
AW: Tractatus logico-philosophicus

http://www.mauthner-gesellschaft.de/mauthner/hist/witt.html

Habe die Seite gefunden, muß aber den Tractatus in RUHE lessen und verstehen. Danach diskutiere ich gerne.

Esperanza

Würd ja vorschlagen es in (kleineren) Abschnitten zu lesen, zu diskutieren, wieder zu lesen und weiter zu lesen, ebenfalls auch weiter diskutieren... um dann irgendwann mal mehr zu verstehen. Und sich nicht von den Worten und deren vermeintlicher Klarheit (Tatsache, Sachverhalt o.ä.) auf die falsche Fährte (vermeintliche Sicherheit im Verstehen) führen lassen. Ist aber nur so eine Idee.
Wie man es nicht macht, hat mein Beitragsvorgänger bereits eindrucksvoll demonstriert (nicht böse gemeint, aber es ist so).
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: des haut mi ned firi !

Der Tractatus logico-philosophicus erscheint mir spätestens ab dem Punkt nicht mehr
nachvollziehbar, an dem sich der Autor zu dem Satz versteigt:

Ab diesem Punkt ist für mich klar, dass Wittgenstein in einer anderen Welt gelebt haben muss.

Zu meiner Welt gehören auch die Dinge.


.


Die Diskussion führt m.E. zu nichts, wenn man querbeet über den ganzen Text geht und nicht bei einem Satz einmal gründlich bleibt.

Wäre die Welt "nur" die Gesamtheit der Dinge, wäre es ein bloßes Sammelsurium (eine Addition einzelner Sachen). Ich denke aber, mit "Tatsachen" meint W. mehr; Dinge existieren für uns ja nur, wenn wir in Beziehung zu ihnen stehen; m.E. umfasst daher der Begriff "Tatsache" diese Beziehungszusammenhänge, wodurch ein ungleich komplexeres Gebilde entsteht als durch eine Aneinanderreihung von Dingen. Ab Satz 2 wird das auch deutlich als "Sachverhalt" und "Verbindung von Gegenständen" genannt.

Allgemein finde ich den Traktat immer wieder spannend, auch wenn W. selbst einige Jahre später nicht mehr so ganz zu ihm stand; es ist ein originäres Stück Philosophie aus dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts und lohnt das gründliche Lesen immer wieder.
 
AW: des haut mi ned firi !

Zu meiner Welt gehören auch die Dinge.

Ein Ding ist ja auch eine Tatsache.

Wittgenstein sagt ganz deutlich, dass die Welt aus den Dingen sowieso besteht, aber dass sie nicht nur aus den Dingen besteht.

Z.B. besteht die Welt auch aus Menschen, aus Träumen, aus Gefühlen, aus Gesetzmäßigkeiten und aus Zusammenhängen. All das sind keine Dinge. Trotzdem kommt all das - zusätzlich zu den Dingen - in der Welt vor.

Und für all das (nämlich die Dinge und alles andere) hat Wittgenstein einen Überbegriff gesucht, und dann hat er das Wort "Tatsachen" vorgeschlagen.

Das ist nicht sehr enigmatisch. Das ist bloß ziemlich praktisch.

Damit stößt er ja die Überlegung an zu begreifen, dass die Welt nicht nur alles Banale ist. Nicht nur alles, was wir sowieso sehen und angreifen können. Sondern mehr. Und dass dieses alles, was wir wir nicht sehen und angreifen können, auch nicht "Gott" oder "Übernatürlich" ist, sondern dass es sich nur mithilfe des Gehirns erschließt: durch Konstruktion.

Wir konstruieren Zusammenhänge. Und plötzlich sehen wir sie. Wir sehen plötzlich mehr als nur die Dinge*. Wir sehen Verbindungen ziwschen den Dingen: das sind auch Tatsachen. Neue Tatsachen. Die sind auch Teil der Welt.

lg Frankie

*Manche von uns sehen auch Zusammenhänge zwischen den Dingen und begreifen diese Zusammenhänge auch als Tatsachen. Die anderen müssen leider darüber schweigen. Nicht weil sie nicht mitreden dürfen. Weil sie nicht mitreden können. Weil sie nur die Dinge aber nicht die Tatsachen insgesamt (also z.B. Zusammenhänge, Gefühle, Systeme, Ordnungen, Entwicklungen, usw.) sehen.
 
AW: des haut mi ned firi !

Z.B. besteht die Welt auch aus Menschen, aus Träumen, aus Gefühlen, aus Gesetzmäßigkeiten und aus Zusammenhängen. All das sind keine Dinge. Trotzdem kommt all das - zusätzlich zu den Dingen - in der Welt vor.

Und für all das (nämlich die Dinge und alles andere) hat Wittgenstein einen Überbegriff gesucht, und dann hat er das Wort "Tatsachen" vorgeschlagen.

Entschuldige, aber das halte ich für ausgemachten Unsinn.
Mit Tatsache ist gemeint, dass etwas der Fall ist - also eine logische Formel.
 
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AW: des haut mi ned firi !

Ein Ding ist ja auch eine Tatsache.

Wittgenstein sagt ganz deutlich, dass die Welt aus den Dingen sowieso besteht, aber dass sie nicht nur aus den Dingen besteht.
.


Man muss sich schon die Mühe machen, die verwendeten Begriffe genau zu verstehen. Wittgenstein definiert Tatsache als "das Bestehen von Sachverhalten".

Wären Ding und Tatsache synonym, würde er ja nicht die deutlich geschiedenen Begriffe verwenden. "Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können." Satz 2.011
 
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