AW: Religiöse Fundamentalisten: Hand in Hand gegen den Verstand?
Hallo EarlyBird,
Seh ich nicht so, wenn das Tragen von symbolischer Kleidung verboten ist, weicht Mensch eben auf andere Symbole aus, um seine Einstellung kund zu tun!
Im Grunde reicht es aus, wenn darauf geachtet wird, dass kein Mensch zu etwas gezwungen wird, das er nicht will, schon gar nicht mit Gewalt!
Und wenn ein Muslim hierzulande eine Frau schlägt oder seine Tochter zwangsverheiratet usw, muss er eben in den Knast oder so was.
Was nützt es den Unterdrückten, wenn man die Symbole ihrer Unterdrückung verbietet, die Unterdrückung selbst aber zulässt?
ich möchte anmerken, dass das (kultureller Wertekonflikt) ein komplexes Thema ist; das heißt, dass es kaum sinnvoll ist, bestimmte Maßnahmen (Verbote von Kleidungsstücken etc.) als Allheilmittel darzustellen. Im Grunde wäre es mir viel lieber, wenn dergleichen nicht nötig wäre, wenn also alle Menschen sich gegenseitig tolerieren und jeder Mensch wiederum (auch in einem bestimmten Kulturkreis) die Möglichkeit hat, die eigenen Bräuche/Traditionen kritisch zu sehen und ggf. andere Werte als eigene Lebensorientierung zu wählen. Leider ist dem aber nicht so.
Generell lässt sich sicherlich sagen, dass man den konkreten und aktuellen Blick auf die Geschehnisse stets vor pauschale Urteile stellen muss, nur so kann man allgemeine Tendenzen feststellen und unbegründete Vorurteile meiden. Nun ist es richtig, dass das Kopftuch von vielen muslimischen Frauen aus scheinbar freien Stücken getragen wird. Ich hörte sogar einst von einer muslimischen Frau, die sagte, dass ihr Mann (ein liberaler Moslem) es lieber hätte, wenn sie sich ohne Kopftuch kleiden würde. Sie jedoch fühlte sich Allah gegenüber dazu verpflichtet.
Ideal wäre es in der Tat, könnte man den jeweiligen Einzelfall prüfen und also feststellen, ob eine Frau gegen ihren Willen gezwungen wird, eine bestimmte Bekleidung zu tragen. In der Praxis ist dies jedoch nicht möglich.
Nun sind wir des Weiteren mit dem Umstand konfrontiert, dass das Kopftuch (oder Burka, Tschador etc.) in einigen Gesellschaften ein nachweisliches Instrument politisch-religiöser Repression war und weiterhin ist; im Iran beispielsweise (als schillerndes Paradebeispiel) gilt ein Kopftuchzwang und hier zeigt sich deutlich, wie sehr Frauen unter solch rigiden Bestimmungen leiden. Selbst wenn wir - als Beispiel - in Deutschland solche Probleme nicht haben und hier also muslimische Frauen tatsächlich keinem allgemeinen Kopftuchzwang ausgesetzt sind, so bleibt das Kopftuch allein aus diesen Gründen heraus für eine demokratische, liberale Gesellschaft ein problematisches Phänomen.
Zumal ich es für bedenklich halte, dass - obwohl in anderen repressiven Ländern die Frauen unter Bekleidungszwang stehen und darunter leiden - auch (vermeintlich) liberal eingestellte Muslime jene Problematik nicht genügend als solche wahrzunehmen scheinen und dennoch weiterhin das Tragen von Kopftüchern mit der Begründung einfordern, dass es ein Recht auf freie Religionsausübung gebe. Gerade dieses Freiheitsrecht steht schließlich im deutlichen Widerspruch zur Pflicht, Kopftücher zu tragen.
Hier teile ich die Einstellung von Seyran Ateş, die (als liberale Muslima) ganz klar sagt (sinngemäß), dass das Tolerieren des Kopftuchs keine Toleranz, sondern Ignoranz darstelle, da das Kopftuch ein Symbol der Fremdbestimmung sei und die Frauen also mit Hilfe desselben (von Männern) unterdrückt werden.
Dieser symbolische Gehalt ist in streng muslimischen Gemeinschaften nachweisbar und sofern ein Mensch tatsächlich eine tolerante und liberale Lebensauffassung hegt, sollte er - so finde ich - auf solche Kleidung verzichten, zumal in einer Kultur lebend, in der von der Mehrheit der Menschen religiöse Kleidungsstücke als Affront gegen liberale Werte verstanden werden.
Auch wenn dieses Empfinden oftmals auch durch Vorurteile genährt wird, so gibt es tatsächlich genügend Beispiele auf der Welt, die bei näherem Hinblick zeigen, dass das Kopftuch in einer liberal eingestellten muslimischen Gemeinschaft kaum duldbar ist. Hinzu kommt, dass muslimische Frauen, die das Kopftuch tragen, in aller Regel aus konservativeren Familien stammen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dort, dass im Grunde westliche Werte abgelehnt werden und große Vorurteile gegenüber liberalen Grundeinsichten herrschen, auch wenn dies oftmals nur ungern öffentlich bekundet wird.
Übrigens: meine Freundin ist Muslimin und sie teilt meine Auffassung. Zugleich weiß ich durch sie, dass meine obigen Äußerungen nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern dass - was ich früher selbst nicht glauben wollte - viele muslimische Familien eine Scheinliberalität nach außen hin betreiben, tatsächlich sind sie kulturell verschlossen und isoliert; die Möglichkeiten einer toleranten, liberalen, demokratischen Gesellschaft werden zwar genutzt und genossen, zugleich jedoch jene Werte verdammt, die Grundpfeiler eben jener Gesellschaftsordnung sind: mitunter die Möglichkeit zur Selbstentfaltung von Frau und Mann.
Die Gründe hierfür sind oftmals in mangelnder Bildung zu suchen, freilich auch in einer mangelhaften Integrationspolitik. Eine einfache Lösung gibt es nicht, wie schon mein nun doch etwas lang gewordener Beitrag deutlich genug zeigt.
Beste Grüße,
Philipp