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Kapitalistische Verbrechen

An und für sich wird auch mein augenblickliches Posting in die Tiefen des Off-Toppics führen.


Aber, seit Max Weber:" Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" wissen wir um die Interdependenz von Ideologie und Wirtschaftsform.Ihn interessierten zeitlebens die Bedingung der Entstehung einer Wirtschaftsgesinnung: er sah einen signifikanten Zusammenhang in der Entwicklung des westlichen kapitalismus mit der sehr rationalen Ethik des asketischen Protestantismus Calvinistischer Prägung, die durch die Auswanderungen nach Nordamerika getragen wurde.

Nicht zuletzt gelten ja die Schweizer - Nachfahren Calvins - für besonders " gute" Kapitalisten.


Aber_*grins* wir wollen ja über das "Schlechte" des Kapitalismus reden.
Und da sind nun denn doch noch einige Stimmen ausgeblieben.

Marianne
 
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ich habe mich zur Ordnung gerufen

Hier der Film, den ich mir heute in arte um 20 Uhr 40 ansehen werde.




Darwins Alptraum – ein Film von Hubert Sauper

Ein wissenschaftliches Experiment bildet den Ausgangspunkt von Hubert Saupers verstörendem und zugleich packendem Dokumentarfilm, der gerade erst mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.
In den 1960ern wurde ein neue Spezies im Viktoriasee ausgesetzt: Der Nilbarsch, ein gefräßiger Räuber, merzte fast den gesamten Bestand einheimischer Fische aus und wurde damit zur akuten Bedrohung für das natürliche Gleichgewicht des Sees.

Unternommen wird dagegen jedoch nichts, denn die weißen Filets des Nilbarsches sind ein weltweiter Exportschlager. Riesige Flugzeuge treffen täglich ein um den Fischfang gegen eine Fracht auszutauschen, über die niemand etwas wissen mag – Kalaschnikows und Munition für die unzähligen Kriege im „dunklen“ Zentrum des Kontinents.

So hat die blühende multinationale Fisch- und Waffenindustrie ein verheerendes Bündnis am Ufer des weltgrößten tropischen Binnensees geschaffen: eine Armee einheimischer Fischer, Weltbankvertreter, Straßenkinder, afrikanischer Minister, EU-Kommissare, tansanischer Prostituierter und russischer Piloten.

2004, Dok./ 35mm, F/A/B, 107 Min – im Verleih von Arsenal Film

Preise:
Bester Dokumentarfilm 2004 - European Film Awards
Europa Cinemas Label Jury Award - Venice
Vienna Film Prize - Viennale
NFB Documentary Award - Montreal
Best Film - Copenhagen Dox
Grand Prix - Festival de Film d'Environnement Paris
 
Marianne schrieb:
Hier der Film, den ich mir heute in arte um 20 Uhr 40 ansehen werde.

Da war ich bei der Premiere in Wien!

Nachher war für mich bis zum nächsten Tag Schweigen angesagt. Da wird man so richtig zum €U-fan. Kann ich nur empfehlen.

Eine gute Nacht dann allen, diethelm
 
Ich möchte nun - nach diesem Film, der geradezu ein Musterbeispiel für die systemimmanenten Verbrechen unseres Wirtsachaftssystems ist - auch nichts mehr sagen.
Nur hinweisen möchte ich auf das Schlussinterview:

Der russische Pilot, der Waffen nach Tansania bringt und den Fisch, der den Viktoriasee zu einer Kloake macht in die Länder der EU bringt, konnte nur noch mit Tränen in den Augen stammeln: " Ich will doch auch, dass alle Kinder glücklich sind - aber - was soll ich machen ... ich habe Familie " ( sinngemäßes Zitat)


Täter und Opfer zu sein sind und das zu erkennen, ist eine schwere Last, die wir in den reichen Industrienationen alle tragen müssen.
Ich verabschiede mich jetzt aus diesem Thread : allzuviel Erkenntnis und Leid hat mir der Dokumentarfilm gestern vor Augen geführt: da mag ich irgendwie nicht mehr klugbeißerisch sein.

Marianne
 
dextra schrieb:
allerdings ist letztendlich der kommunismus von seinem wesen her nichts anderes als "kapitalismus mit umgekehrten vorzeichen" - sprich es existiert exakt das gleiche streben nach dem mehr an produktivität und konsum. lediglich bezüglich der verteilungsmuster bestehen gegensätze.
von daher sind diese beiden wirtschafts-/gesellschaftsformen keine echten alternativen und müssen von ihrem wesen her beide als menschenfeindlich betrachtet werden.


sichschonmalduckenderweise
dex

Hallo dextra,

ich möchte dem Thread wieder etwas Leben einhauchen.

Das Streben nach mehr Produktivität und Konsum, das sowohl Kapitalismus als auch Sozialismus eigen ist resp. war, ist doch nichts Schlechtes geschweige denn menschenfeindlich (solange es nicht auf Kosten anderer geht). Die Verteilungsmuster beider Gesellschaftssysteme sind allerdings grundverschieden (nicht nur "lediglich gegensätzlich"). Im bisherigen (realen) Sozialismus gab es nicht diese krassen sozialen Gegensätze, die den Kapitalismus (global betrachtet) kennzeichnen.

Allerdings war das Verteilungsmuster des (realen) Sozialismus nicht geeignet, die Produktivität im erforderlichen Masse zu steigern. Nur deshalb ist der Sozialismus dem Kapitalismus letztlich unterlegen gewesen. Es war nicht die mangelnde Demokratie, welche z.B. die Bürger der DDR auf die Barrikaden trieb (auch wenn es mancher gern so sehen möchte), sondern das nicht verwirklichte Leistungsprinzip: Wer etwas leistet, hat nicht nur mehr Geld, sondern kann sich für dieses Geld auch mehr kaufen - und zwar das, was er gern möchte! Wie hiess es doch zur Wendezeit in der DDR: "Kommt die D-Mark nicht zu uns, kommen wir zu ihr". Nun, über Wert oder Unwert des Kapitalismus oder Sozialismus haben die DDR-Bürger inzwischen ihre eigenen Erfahrungen gesammelt ...

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Sozialismus ausgerechnet an dem grundlegenden Gesetz zugrunde ging, das Karl Marx zuerst formulierte, nämlich das Gesetz von der notwendigen Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem (leider sehr dynamischen) Charakter der Produktivkräfte.

Ich hoffe auf eine fruchtbare Diskussion.

Gruss
Hartmut
 
Marianne schrieb:
Aber - ich sitze jetzt und warte auf lichtvolle Postings dessen, der unentwegt nach diesem Thread schrie.

Hallo Marianne,

mir geht es auch so. Ich habe ja Verständnis für Urlaub oder gewisse Auszeiten, die sich jeder nehmen kann wie er lustig ist, aber bei Ziesemann habe ich nun mittlerweile den Verdacht, dass er kneift! Ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

Gruss
Hartmut
 
Hartmut schrieb:
Hallo Marianne,

mir geht es auch so. Ich habe ja Verständnis für Urlaub oder gewisse Auszeiten, die sich jeder nehmen kann wie er lustig ist, aber bei Ziesemann habe ich nun mittlerweile den Verdacht, dass er kneift! Ich lasse mich gern eines Besseren belehren.

Gruss
Hartmut
Der Ziesemann mag ja alles Mögliche sein; eines ist er jedoch gewiss nicht: Feige.
Aber er hat vielleicht eine gewisse Zeit lang keine Lust mehr, mit Leuten zu diskutieren - ich schließe Dich jetzt expressis verbis aus - , die weder fähig noch willens sind, sich auf Sachargumente zu konzentrieren sondern nur polemisieren können.
Sollte dieser Thread in 14 Tagen noch leben, werde ich vielleicht zu ihm stoßen.
Als Erweiterung schlage ich - in Unkenntnis des bisher Geschriebenen - thematisch schon mal vor:
Die Verbrechen der Erfinder des Automobilbaus
Die Verbrechen des Merkantilismus
Die Verbrechen der Deutschen im WK I
Die Verbrechen der Kriegsmächte - in Sonderheit der Deutschen - im Krieg 1870/71.
Die Verbrechen der Betreiber von Kohlebergwerken
Die Verbrechen des Pöbels von 1789
Die Verbrechen des Rittertums
Die Verbrechen der Christenheit
Vor allem aber: Die täglichen Verbrechen der Mörder, der Kinderschänder, der Mädchenhändler, der Rauschgiftdealer, ach, beinahe hätte ich es vergessen: der Bullen im Lande.
Fortsetzung gewünscht?
Und jetzt erwarte ich eine Rüge des oder der Oberguru im Forum. womit kein Admin gemeint ist.
Ziesemann
 
Der wahre Kapitalismus ist im Kopf.
Und ist er nicht im Kopf,
Dann ist er nirgendwo!
Meiner Ansicht nach greift das Buch etwas zu kurz. Nicht nur, dass gewisse Mechanismen aus der realkapitalistischen Welt in eine mentalkapitalistische Welt transponiert werden. Kapitalismus im Kopf ist mehr als das Erzwingen von Aufmerksamkeit oder Beachtung, das gibt es auch nichtkapitalistischen hierarchischen Strukturen, ein Funktion der zukommenden Macht, ist nicht nur die in Wertsetzung von Aufmerksamkeit. Das „erfolgreiche ökonomische Sein“ bewirkt einen Paradigmenwechsel, eine Umwertung in der Werteskala. Auch bei jenen, die nicht wirklich an diesem erfolgreichen Sein teilhaben können. Reales wird ausgeblendet, irreales eingeblendet, Erreichbares durch Erhoffbares substituiert. Indem ein jeder „nach „seinen Verdiensten“ entlohnt und gewürdigt wird, hat er sich das Fehlende eben einfach nicht verdient. Auch so lässtt sich die Welt einfach und überschaubar machen.

Diese gelungene Rekonstruktion der Meritokratie führt über das „erfolgreiche ökonomische Sein“ Anderer auch zu einer mentalen Bestochenheit. Die Welt kann und darf nicht mehr anders wahrgenommen werden, sonst gehe ich selbst meiner Illusion verlustig. Eine unerträgliche Situation wird nicht nur erträglicher, wenn ich an einem Anderen die Schuld festmachen kann, sondern, auch wenn ich sie mir selbst zuschreiben darf. „Kapitalismus ist in den Köpfen“ aller fest verankert. Es gibt auch keine Partei mehr, auch keine „Linke“, die ein Konzept für eine Überwindung dieses Kapitalismus hat.


Liebe Grüße, diethelm
 
Zuletzt bearbeitet:
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(ökonomisches) Sein und Bewusstsein sind nicht unidirektional linear mit einander verbunden, sondern rückkoppelnd - zyklisch, sodass das eine das andere mit beeinflusst.

Brechts Meinung: „Erst kommt das Fressen und dann erst die Moral“ als leicht fassliche Metapher hiefür ist ja nur in einem beschränkten Bereich gültig. Wir wissen doch ganz genau, dass ab einem Gewissen Ausmaß des Fressens die Moral sich wieder verflüchtigt. Ebenso wissen wir, dass der absolut leere Magen keinen revolutionären Ideen zugänglich ist, überfüllte Mägen auch wieder nicht.

Da wir uns kein anderes ökonomische Sein mehr vorstellen können, hier also bereits ein absolutes Denkverbot (gewissermaßen ein Denktabu) vorliegt, mag es wohl so scheinen, dass alles nur in die eine Richtung ablaufen kann: „Ich konsumiere, daher bin ich“.

Liebe Grüße, diethelm
 
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