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Kapitalistische Verbrechen

Hartmut

Well-Known Member
Registriert
15. August 2005
Beiträge
3.007
Hallo User,

Ziesemann ist ganz geil darauf, dass jemand diesen Thread eröffnet. So sei es denn.

Einsteigen möchte ich mit dem Thema "1. Weltkrieg". Den hat ja bekanntlich der Kapitalismus ganz allein zu verantworten. Und dieser Weltkrieg war das erste grosse Verbrechen an der Menschheit. Den Menschen in den beteiligten Ländern wurde von der Propaganda weiss gemacht, dass es sich um die "Verteidigung der Nation" gegen die "Erzfeinde" handle. Dabei ging es letzlich nur um eine Umverteilung der Macht zwischen den imperialistischen Staaten. Vor allem Deutschland, ein Riese an ökonomischer Kraft aber politisch ein Zwerg wollte sich dabei neu positionieren. Der 1. Weltkrieg wurde viele Jahre vorher von allen Beteiligten gründlich vorbereitet. Man wartete nur auf einen geeigneten Anlass zum Losschlagen. Der bot sich dann mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers durch einen serbischen Nationalisten.

Frage: Kann die Ermordung eines einzelnen Menschen, so hoch er auch stehen mag, Anlass für ein riesiges Völkermorden sein?

Wohl kaum. Es war die räuberische Gier der Kapitalisten aller europäischen Länder, insbesondere aber die Gier Deutschlands, die Millionen Tote nach sich zog.

Wohl kaum ein anderer hat die Vorbereitung dieses schändlichen Verbrechens an der Menschheit schonungsloser dargestellt als Rosa Luxemburg in ihrer "Junius-Broschüre" von 1916:

"Hier erweist sich aber auch der heutige Weltkrieg nicht bloss als ein grandioser Mord, sondern auch als Selbstmord der europäischen Arbeiterklasse. Es sind ja die Soldaten des Sozialismus, die Proletarier Englands, Frankreichs, Deutschlands, Russlands, Belgiens selbst, die einander auf Geheiss des Kapitals seit Monaten abschlachten ..."

Um einen Bezug zur heutigen Zeit herzustellen: Lassen wir uns doch nicht von den imperialistischen Interessen der USA vereinnahmen!

Gruss
Hartmut
 
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Hartmut, am Ende des „Ziesemann-threads“ habe ich argumentiert, warum derartige Schuldzuweisungen
von der Strickart
„der Kapitalismus“ war schuld
nichts bringen.
Für das von dir gewählte Beispiel 1.WK mag das noch zutreffen.
alle Parteien versprachen sich einen beutereichen Raubzug.

Aber bereits im WK2 war es schon etwas anders. Hier spielte die faschistische Ideologie eine große Rolle.
Und da sich gleich zu anfang Hitler und Stalin Polen untereinander aufgeteilt haben, war es nicht nur ein rein kapitalistischer sondern zur Hälfte auch ein kommunistischer Raubzug.
(Wenn man denn schon so katalogisieren will, was ich ja ablehne.)

Glücklicherweise haben sich die grenzkonflikte China-UDSSRin den siebziger und China-Vietnam in den achtziger Jahren nicht zu einem flächenbrand entwickelt, sonst hätten wir es hier mit rein kommunistischen Kriegen zu tun gehabt. (gehört also in den Ziesemann-thread)

Die Verbrechen Saddams, waren das kapitalistische Verbrechen?
Spätestens fürden islamistischen Terror müssen wir eine neue Schublade aufmachen.
und wenn sich Hindus und Moslems in Südasien oder Hutus und Tutzis in Afrika gegenseitig abschlachten, passt das dann nicht wiederum in eine neue Kategorie?
„Verbrechen im Namen der Religion“, da spielt es doch gar keine rolle mehr ob kapitalistisch oder nicht.

Aber ich bin sicher, gute Ideologen werden das alles dem Kapitalismus unterschieben. :)

meint Claus
 
ohne das Posting von Claus gelesen zu haben - Gleichzeitigkeit der Antwort an Hartmut

Ich weiß nicht, Hartmut, ob ich dem Terminus “ Verbrechen” so ohne weiteres zustimmen kann, denn was Ziesemann mit seinem unseligen Kommunismusthread anstellte, sollte hier nicht fortgeführt werden.
Strukturelle Gewalt ist etwas, dem sich niemand entziehen kann, nicht einmal diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht, auch der ökonomischen, sitzen.
Und trotzdem - der Kapitalismus/ Imperialismus/ Neoliberalismus hat eine Anzahl signifikanter Merkmale, die man vorsichtig als inhuman oder lebensbedrohlich bezeichnen darf.
Du hast den 1.WK als Beispiel für koloniales Machtstreben genannt. Das war er auch, wenn auch nicht nur.
Ich will mehr in die Gegenwart gehen und versuchen, aus dem Faktenbündel Globalisierung Beweise für Deine These zu finden. An sich ist ja nicht einmal die Gefahr der Globalisierung etwas total Neues. Schon vor ca 150 Jahren schrieben Marx und Engels so: “ Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. (...) Die uralten nationalen Technologien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Erdteilen zugleich verbraucht werden. ( ....) An der Stelle der alten nationalen und lokalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, ein allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen so auch in der geistigen Produktion.” Marx/Engels: Ausgewählte Wrke in sechs Bänden, Band 1 Berlin 1979
Dieser ersten Globalisierungswelle müssen wir heute als Mac Donaldisierung der Welt sehen.
Im Interesse des Kapitals, der Kapitalseigner, die in den seltensten Fällen personalisiert werden können, wird heute der Regenwald geschlägert, gibt es das Phänomen der dritten und Vierten Welt, werden Waren für einzelne Produktionsschritte quer durch Europa geschleppt usw. usw.

Nicht, dass das Zusammenwachsen der Völker als Grundidee nicht auch etwas Faszinierendes haben kann ( für mich), aber dass dieser Vorgang ein von nackten Profitinteressen gesteuerter ist, der erbarmungslos über die vitalen Interessen so vieler Menschen und der Natur gestellt wird, macht mir Bange.
Marianne
 
Der 1. WK, war nicht nur der Ausgangspunkt für einen ganzen Rattenschwanz von Übeln, er ist es noch immer. Das heutige Geschehen im Nahen und Mittleren Osten ist damit ursächlich verbunden, auch dank dessen, dass das Abendland diesen Topf am Köcheln gehalten und anbrennen lassen hat. Wer sich eingehend mit dem Umfeld und der „Entstehungsgeschichte“ des 1. WK befasst hat, wird von der unheimlichen Parallelität der Vorgänge, die im Umfeld des Entstehens des „Antiterrorkriegs“ der USA nach 9/11 ereigneten, erschreckt.

Ich stimme mit Marianne überein, es würde dieser Titel zu den selben Fehlern verführen, wie sie im Kommunismusthread geschehen sind. Wir sprächen von Verbrechen die von Menschen begangen worden sind, die gerade zufällig mal Kapitalisten waren. Reale Sozialisten aber haben dieselben Verbrechen begangen, spomit wäre es wieder nicht Systemimmanent. Nicht zuletzt war ja meine Kritik am Kommunismusthread mit schuld, dass Ziesemann so heiß auf eine Returkutsche war. Möge er sich halt gedulden, es hetzt ja nichts.

Wollten wir aber über eine „bescheuklappte Sicht“ hinauskommen, müssten wir riskieren, dass die Argumentation in beinharte Arbeit ausartet, gewürzt mit nicht wenigen klugbeißerischen aber sinnleeren Einsprengseln.

Jetzt aber hat mich Miriam (halb zog sie mich, halb sank ich hin) verzaht, oder verlockt, oder verführt, oder wie man da sagt; (na ja so gut kann ich Deutsch auch wieder nicht) zu ihrem thread "Eindrücke und Vorstellungen". Zwei thread gleichzeitig, wo ich denken sollte, schaffe ich aber nicht, da fehlt mir die Zeit.

Auf dann und liebe Grüße, diethelm
 
Bitte nimmt es mir nicht übel, dass ich hier völlig off topic schreibe. Aber ich musste so lachen über die Bemerkung von Diethelm am Ende seines Beitrages:

Diethelm schrieb:
Jetzt aber hat mich Miriam (halb zog sie mich, halb sank ich hin) verzaht, oder verlockt, oder verführt, oder wie man da sagt; (na ja so gut kann ich Deutsch auch wieder nicht) zu ihrem thread "Eindrücke und Vorstellungen". Zwei thread gleichzeitig, wo ich denken sollte, schaffe ich aber nicht, da fehlt mir die Zeit.

Ja, Diethelm, das mit nicht gut Deutsch können, das greift anscheinend um sich. Und wer wissen möchte warum ich dies sage, der sollte auch mal bei "Eindrücke und Vorstellungen" vorbeischauen, ohne dieses Thema hier zu verlassen.

Bei dir Hartmut, entschuldige ich mich für diesen kleinen Zwischenruf - die Art wie dieses Thema eröffnet bzw. weitergeführt wurde, scheint mir sehr interessant.
 
Claus schrieb:
Aber ich bin sicher, gute Ideologen werden das alles dem Kapitalismus unterschieben. :)
Hallo miteinander !

Lesezeit des folgenden Beitrags ca. 5 Minuten.

>Claus: Deinen smiley interpretiere ich so, dass Du es nicht ganz ernst meinst, dass "gute Ideologen alle Kriege nach dem 1. Weltkrieg dem Kapitalismus unterschieben" !?

Nun, als 57-jähriger, der von der Jugend auch schon hin und wieder Respekt erwartet, muss ich wohl an einem der beiden, bisher existierenden, verbrecherischen "Kriegsgrund-Debatten", Kommunismus oder Kapitalismus, auch teilnehmen.

Zumindest insofern, weil denkende, zeitweise moralisierende Menschen eine gewisse Verantwortung tragen, das Übel der Welt - und da gehören wohl die Kriege zweifellos dazu - wenigstens zu analysieren, wenn geht, natürlich auch Vorschläge zu deren Verhinderung zu geben.

Bis jetzt bin ich da insofern bei Claus, dass ich auch der Meinung bin, dass es nicht nur kommunistische und kapitalistische Verbrechen, sondern auch anders motivierte gibt.

Bleiben wir einmal beim 1. Weltkrieg - den wohl die meisten hier nur aus Geschichtsbüchern, Zeitungen, Fernsehberichten und aus dem Internet kennen; eventuell aus Überlieferungen innerhalb der Familie.

Der Ausspruch "Serbien muss sterbien" ist mMn einmal ein chauvinistischer (für Fremdwortmuffel: übertrieben nationalistischer). Wegen eines Attentates - so bedeutend es in der Monarchie an dem Thronfolger auch war - schrieb der Monarch unseres bis dahin durch Heiratspolitik bekannten Österreichs an "seine" Völker, dass er jetzt mit Serbien einen Krieg beginnen müsste. Zumindest aus heutiger Sicht eine chauvinistische Vermessenheit. Heute sagt ein modern denkendes Volk: "unsere Politiker". Die Kriegserklärung, sowie der obige Ausspruch vom "sterbien" implizieren und suggerieren: wir Adeligen in Österreich sind derart liebenswürdig, dass uns kein Serbe hassen darf. Das Tragische war, dass offensichtlich, wie hartmut richtig bemerkte, alle übrigen Nationen in Europa nur darauf warteten, zu beweisen, dass sie der einzig guten Nation angehören oder zumindest darauf, es Österreich-Ungarn und seinen Verbündeten zu "zeigen". Ich sehe hier - ehrlich gesagt - auch in erster Linie eine Art narzistische Herrschsucht und keinen Kapitalismus (im Sinne einer übertriebenen Geldgier) dahinter.

Spätestens seit Sigmund Freud wissen wir aber, dass - er meinte es natürlich individuell und persönlich - die zwei Hauptmotive menschlichen Handelns
Sex und Sehnsucht nach Geborgenheit einerseits sowie
Machtstreben anderseits​
sind.

Wenn wir nun weiter folgern, dass zu Macht natürlich materieller Besitz gehört, ist es natürlich wahrscheinlich, dass es auch kapitalistische Verbrechen gibt. Diese Psychogramme gab es aber in verstärkten Maße meiner Meinung nach - und es kann nur eine Vermutung sein - erst nach dem 2. Weltkrieg.

Trotzdem will ich weder Kommunismus noch Kapitalismus generell verteufeln. Sehr wohl aber die Gewaltbereitschaft - besonders die zur offensiven Gewalt (was offensive Gewalt ist bzw. was ich darunter verstehe, habe ich in einem anderen thread schon gepostet).

Wir Menschen brauchen Material und Emotion. Zur totalen Askese sind wir meiner Überzeugung nach nicht geboren. Also gibt es
gute Kapitalisten - die vorwiegend Material und Kapital wollen und gleichzeitig ein gutes Gewissen dabei haben wollen und
gute Kommunisten, die für die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen auf friedlichem Wege sind.​

Schlecht und verbrechensfördernd ist der Extremismus, die "Nur"-Philosophie (nur ich, nur ein bestimmtes Geschlecht, nur eine bestimmte Nation, nur ein bestimmtes Land, nur ein bestimmter Staat), den wir maximal als menschliche Entwicklungsstufe ansehen sollten.

In China - das natürlich auch über die Gewaltphilosophie noch nicht erhaben ist - gab und gibt es schon lange die "Sowohl als auch-Philosophie"; deswegen sind derer wahrscheinlich auch 1,2 Milliarden.

Partnerschaftliche Grüße aus Wien

Zeili
 
Wenn wir von Kapitalismus sprechen, meinen wir meisst eine Wirtschaftsordnung - doch denke ich, dass dieser Begriff eigentlich mehr bedeutet als dies - oder der Gesellschaft die auf diese Wirtschaftsform basiert.

Einen zu wenig diskutierten Aspekt des Kapitalismus analysiert Georg Franck in seinem Buch: Mentaler Kapitalismus. Eine politische Ökonomie des Geistes.

Hier eine Rezension der man entnehmen kann was der Autor unter diesem Begriff versteht:

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=9403
 
Miriam: ohne den Link auch nur angeklickt zu haben - eine marxistische Antwort .
Das ( ökonomische) Sein bestimmt das Bewusstsein - dafür kannst Du auch so sagen:
Wer im Kapitalismus lebt, wird die Verhaltenweisen ( mental) entwickeln, die das System ihm/ihr aufzwingt.
Das gleiche gilt für die ehemaligen Staaten des real existierenden Sozialismus - deren Wirtschaftssystem letzendlich auch nur eine Art staatlich gelenkter Kapitalismus war - und deshalb auch nicht gefunzt hat.

Aber - ich sitze jetzt und warte auf lichtvolle Postings dessen, der unentwegt nach diesem Thread schrie.

Marianne
 
Marianne schrieb:
Das gleiche gilt für die ehemaligen Staaten des real existierenden Sozialismus - deren Wirtschaftssystem letzendlich auch nur eine Art staatlich gelenkter Kapitalismus war - und deshalb auch nicht gefunzt hat.

so ist es marianne.

allerdings ist letztendlich der kommunismus von seinem wesen her nichts anderes als "kapitalismus mit umgekehrten vorzeichen" - sprich es existiert exakt das gleiche streben nach dem mehr an produktivität und konsum. lediglich bezüglich der verteilungsmuster bestehen gegensätze.
von daher sind diese beiden wirtschafts-/gesellschaftsformen keine echten alternativen und müssen von ihrem wesen her beide als menschenfeindlich betrachtet werden.


sichschonmalduckenderweise
dex
 
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Marianne schrieb:
Das ( ökonomische) Sein bestimmt das Bewusstsein

Ach, ich habe so wenig Zeit um diesen Satz richtig aufzugreifen, Marianne!

So möchte ich nur diese eine Frage stellen: was du ansprichst, ist ja ein Bestimmt Werden. Also eine Fremdbestimmung. Die ist tatsächlich auch in anderen Systemen festzustellen.
Es kommt also letztendlich auf den Aspekt der Manipulation an - und für mich auf die Frage: was sind wir, wer sind wir eigentlich, wenn wir den Versuch machen uns nicht fremd bestimmen zu lassen?

Wie auch in meinem Lieblingsthread "Eindrücke und Vorstellungen", stelle ich fest: in einem Kreis mit intelligenten Diskutanten, wirft jede Frage andere zehn auf.
Aber ist das nich eben Sinn eines Denkforums? (Also noch eine Frage mehr...)

Liebe und eilige Grüße in die Runde

Miriam
 
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