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Die gewohnte Weltordnung gerät ins Wanken

Miriam

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26. Juni 2005
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9.722
Seit es keinen Eisernen Vorhang mehr gibt, eher noch seit Ende des Kalten Krieges, scheint unsere Orientierung in dieser Welt schwieriger geworden zu sein. Denn wir waren oder sind es noch (mehr oder weniger), geprägt durch ein schwarz-weiß Denken, durch die sehr überschaubare Einteilung in Gut und Böse, Freund-Feind, durch die Selbstverständlichkeit, dass der Westen mit seiner Kultur Maßstäbe setzt. Und der Blick während des zweiten Weltkrieges, aber auch unmittelbar danach in Richtung USA, ermöglichte uns eine Neuorientierung, die uns lange erhalten blieb.

Wann kam eigentlich dieses Wertesystem ins Wanken? Wahrscheinlich sehr viel früher als die meisten von uns es wahrgenommen haben. Aber persönlich wurde mir dies sehr bewusst durch den Irakkrieg. Hat dieser nicht endgültig die gewohnte, vermeintliche Weltordnung auf dem Kopf gestellt? Erst jetzt kam massive Kritik in Bezug auf die USA und deren Werteskala auf - Kritik die sich erneut verschärft die Tage, durch den Blick in das Gefangenenlager Guantanamo. Lange blieb uns da der Einblick verwehrt. Wir haben es einigen mutigen Journalisten zu verdanken, dass wir nun wissen was sich da eigentlich abgespielt hat. Ich möchte hier namentlich nur Roger Willemsen erwähnen.

Aber so langsam fingen wir an auch die so genannte Dominanz des Westens allgemein in Frage zu stellen. Und das aus zweierlei Gründen:

1. Der Westen wurde konfrontiert mit der Relativität seiner Werteskala. Und auch wenn wir weiterhin an den demokratischen Gedanken und an die westliche Kultur festhalten: Fragen sollen wir und müssen wir uns stellen.
2. Die geschichtliche Entwicklung hat Staaten einen Einfluss verliehen, die wir früher „dritte Welt“ nannten. Und diese Arroganz rächt sich zur Zeit gewaltig – im wahrsten Sinne, denn wir sind konfrontiert mit zahlreichen Gewalttaten, die im Grunde genommen Ausdruck der Empörung gegen die so genannte Dominanz des Westens sind. Nein, natürlich rechtfertige ich keine einzige dieser Ausschreitungen, aber wir sollten uns schon fragen ob der Westen nicht dazu erheblich beigetragen hat.

Handelt es sich nun im Grunde genommen um einen neuen Kampf der Kulturen?

Nach Fukuyamas „End of History“ der den Westen als höchste oder auch Endstufe des Fortschritts bezeichnete, folgte Samuel Huntingtons „Clash of civilizations“ – Kampf der Kulturen. Nun melden sich aber auf der Bühne der Weltöffentlichkeit neue Akteure, die wir bis jetzt nur als schweigendes Publikum wahrgenommen haben. Und sie haben , siehe da, eine Sprache. In vielen Fällen vorläufig eine unangenehme Sprache , denn es ist die Gewalt die sich in erster Linie vernehmen lässt.

Doch die Unterscheidung schwarz-weiß erweist sich als eine Schematisierung, die in eine Sackgasse führt. Den Maßstab den wir an unsere Werte angewendet haben müssen wir nun hinterfragen. Und vielleicht auch lernen, dass wir uns keine zwei Maße mehr leisten können. Eben weil es darum geht, unsere Prinzipien beizubehalten.
 
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Es ist in der Geschichte ein normaler Prozeß, daß Kulturen irgendwann einmal ihren Zenit erreichen und es dann bergab geht. Früher oder später wird es auch die europäische Kultur (plus ihres Abkömmlings in Übersee) treffen. Die Frage ist nun, ob dies schon begonnen hat. Meiner Meinung nach ja.
Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten eine Kultur geschaffen, die (natürlich durch den politischen Wettbewebsdruck durch den kalten Krieg) versucht hat, den Menschen maximale individuelle Freiheit, Selbstentfaltung, Reichtum zu bringen. Allerdings haben wir das auf die Kosten des Restes der Welt getan. Die Demokratie, die wir vertreten haben wir unseren Vasallen nie erlaubt. Man denke nur an all die gestürzten Regierungen in Afrika und Südamerika die meistens nur deshalb fielen, weil sie wirtschaftlichen Interessen des Westens im Weg waren.
Es ist durch dieses System ein globales Ungleichgewicht entstanden. Die Natur ist allerdings kein Freund von Ungleichgewichten und deshalb ist für die Aufrechterhaltung so eines Zustandes eine Menge Energie nötig - Energie die uns nun auszugehen scheint.
Seit dem Ende des kalten Krieges haben unsere Politiker die Angst vor dem gegnerischen System verloren, deshalb ist von der Politik nicht mehr besonders viel Widerstand gegen immer schon gestellte Forderungen nach Einschränkungen staatlicher Leistungen zu Gunsten einiger weniger gekommen. Man darf auch nicht vergessen, daß viele Politiker davon auch massiv profitierten. Die Politik als Regelungsinstrument und damit als zentraler Faktor zur Aufrechterhaltung des angesprochenen Gleichgewichtes ist beinahe inexistent geworden, was meiner Meinung nach der Hauptfaktor für die derzeitige Wirtschaftskrise ist. Schließlich kann man weder von einer Firma noch von den auf ihr Geld schauen müssenden Konsumenten verlangen, volkswirtschaftlich klug zu handeln. Nun haben die Leute immer weniger Geld, Arbeitsplatzsicherheit existiert nicht mehr und die Forderungen der Wirtschaft sowie die Belastungen der Haushalte durch z.B. private Pensionsvorsorge sorgen für eine pessimistische Grundstimmung und das ist Gift für eine Kultur.
Diese Stimmung wird immer mehr zur Angst, Angst scheint mittlerweile das Grundgefühl der Europäer und Amerikaner des frühen 21. Jahrhunderts zu sein. Aber warum bieten die Leute nicht der Angst die Stirn? Weil sie es nie gelernt haben! Die Menschen von heute kennen nur das reiche, materialistische System in dem sie aufgewachsen sind, kaum wer hat noch ein Bewußtsein für das Auf und Ab der Geschichte, man lebt nur von Tag zu Tag, von Event zu Event und lässt sich dazwischen von gleichgeschalteten Medien das Hirn mit weißem Rauschen füllen. Die Menschen haben die Grundlagen der Zivilisation in der wir leben komplett vergessen, kaum jemand kann mit Worten wie Freiheit und Demokratie wirklich etwas anfangen, hat Kant oder Voltaire gelesen oder redet noch mit Freunden über solche Themen (die Forumsteilnehmer mal ausgeschlossen ;-) - die Menschen sind keine politischen Wesen mehr. Durch diese Entwurzelung von den geistigen Grundlagen sind sie nun nicht mehr in der Lage, auf Bedrohungen adäquat zu reagieren. Da reicht dann schon eine kleine Abwanderungsdrohung einer Firma und die Menschen schweigen. Schließlich kann man sich nicht vorstellen zu leben, ohne sich TV, Internet, Parties und Mallorca leisten zu können. Widerstandsgeist und Solidarität such man da vergebens. Bei einem Streik wird nicht gefragt, ob er gerechtfertigt ist sondern gleich geschimpft, schließlich könnte es sein, daß man einmal auf sein Bier verzichten muß, wenn z.B. Bruaereibedienstete streiken.
Und wenn schon so nichtige Bedrohungen des Luxus einen solchen Effekt haben, wie ist es dann mit größeren Bedrohungen?
Nehmen wir den 11. September. Es wird allgemein gesagt, daß der 11. September die Welt erschütterte. Könnte eine in sich gefestigte, von politischen Wesen getragene Zivilisation wirklich von einem Terroranschlag erschüttert werden? Ich glaube nicht!
Aber was passierte? Massive Eischränkungen der Grundrechte waren die Folge, doch die Leute stört das nicht, sie verlangen noch mehr damit ja das Gefühl für die Unsicherheit der Welt, das bisher von den Medien und unserem Reichtum von ihnen ferngehalten wurde wieder verschwindet.
Nehmen wir den Karrikaturenstreit: Die normale Reaktion wäre, mit gemäßigten Moslems über dieses Thema zu diskutieren (es gibt schließlich unzählige Moslems die die Meining der radikalen Minderheit nicht teilen), die jenigen, die sich wirklich beleidigt fühlen auf die Gesetze verweisen, die unter Umständen sehr wohl Klagen wegen Verletzung von religiösen Gefühlen erlauben und im übrigen die radikalen Regime, die 200 Anhänger vor die Kamera treiben und dann behaupten es wären 50.000 gewesen (und woher nehmen die so schnell all die dänischen Flaggen? Ich fand "spontane" Unmutskundgebungen in Diktaturen immer schon suspekt) zu ignorieren.
Aber was tun wir? Wir verfallen in Panik, die Leute teilen sich plötzlich in zwei Gruppen auf, die einen die aus Angst wieder Zensur einführen wollen und die anderen, die am liebsten alle Moslems des Landes verweisen und den Isalm verbieten wollen.
Von der Vogelgrippe fang ich jetzt gar nicht erst an.....
Fazit: Ich glaube durch den Verlust der politischen Grundbildung und der Ignoranz gegenüber allem nicht materialistischem haben die Leute in unserer Kultur die Fähigkeit verloren, sich der sich ständig ändernden Welt anzupassen. Dies wird auf Dauer die Weltordnung verändern, wenn nicht mittels Bildung und Aufklärung dagegengearbeitet wird. Europa und Amerika werden an Bedeutung verlieren. Aber wer sollte diese Arbeit leisten? Der Staat ist durch das Kaputtsparen der letzten Jahre nicht mehr dazu in der Lage......
Wie gesagt, wahrscheinlich handelt es sich um einen natürlichen Prozeß, aber da niemand in dieser Hinsicht unbefangen ist, kann einem der mögliche Abstieg unserer Kultur nicht wirklich kalt lassen.

So, das war jetzt sehr lange, ich hoffe ich breche hier keinen ungeschriebenen Konventionen über die Beitragslänge.....

lG,
Spielmann
 
Hallo Spielmann,

in der Tat ein langer aber auch sehr inhaltsreicher Beitrag. Aber ist es nicht das Thema selber das dazu verleitet?

Ich werde mir erlauben nur über einige der von dir angesprochenen Aspekte weiter nachzudenken und hoffe, dass es auch andere tun werden.

Spielmann schrieb:
Es ist durch dieses System ein globales Ungleichgewicht entstanden. Die Natur ist allerdings kein Freund von Ungleichgewichten und deshalb ist für die Aufrechterhaltung so eines Zustandes eine Menge Energie nötig

Auch dieses globale Ungleichgewicht ist ein Aspekt der Globalisierung. Die Frage ist, wie viel Globalisierung die Welt überhaupt verträgt bzw. wieviel Globalisierung der einzelne Mensch verträgt?
Dies fragte sich auch der Philosoph Rüdiger Safranski in seinem Buch: "Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?" (2003)
Die Antwort ist: nicht sehr viel - und die Beschleunigung der Ereignisse wird eben so wenig vertragen. So befinden wir uns eigentlich in einer schwachen Position: wir vertragen diese unaufhaltsamme Entwicklung nicht - und müssen uns gleichzeitig zurechtfinden in der neuen Position die der Westen und seine Kultur einnehmen, im neuen Wertesystem über den ich in meinem ersten Beitrag schrieb.

Im Grunde genommen setzen wir uns auch mit den Schatten der Globalisierung auseinander, nicht nur mit dem neuen Wertesystem. Wohl bemerkt: die Globalisierung ist eine natürliche historische und wirtschaftliche Entwicklung - unsere Kritik sollte eben ihren Schattenseiten gelten.

Noch einen Aspekt aus deinem Beitrag möchte ich aufgreifen:

Spielmann schrieb:
Angst scheint mittlerweile das Grundgefühl der Europäer und Amerikaner des frühen 21. Jahrhunderts zu sein. Aber warum bieten die Leute nicht der Angst die Stirn? Weil sie es nie gelernt haben! Die Menschen von heute kennen nur das reiche, materialistische System in dem sie aufgewachsen sind, kaum wer hat noch ein Bewußtsein für das Auf und Ab der Geschichte, man lebt nur von Tag zu Tag, von Event zu Event und lässt sich dazwischen von gleichgeschalteten Medien das Hirn mit weißem Rauschen füllen. Die Menschen haben die Grundlagen der Zivilisation in der wir leben komplett vergessen, kaum jemand kann mit Worten wie Freiheit und Demokratie wirklich etwas anfangen, hat Kant oder Voltaire gelesen oder redet noch mit

Nun, ich sehe diese Entwicklung zur Spaßgesellschaft als Ausdruck einer Ratlosigkeit, einer Flucht aus der für den einzelnen schwer erträglichen Beschleunigung und vielleicht auch eines Unvermögens sich zu orientieren, eine Richtung für sich auszumachen.
Vieles wird unkritisch den Medien überlassen bzw. aus den Medien konsumiert, was auch der Beschleunigung entspricht. Denn Kant oder Voltaire zu lesen und zu verstehen, ist sehr viel Zeit- und Energieaufwändiger.
 
Im Grunde kann ich den von euch vorangestellten Zerfall des Wertesystems nicht erkennen, auch wenn dieses Wertesystem durchaus unter Druck gerät.

Für mich ist es kein Konflikt der Werte oder Kulturen, sondern ein Konflikt zwischen Arm und Reich. Und auch da muß man unterscheiden, daß die Länder Asiens in der Mehrheit keine gewaltsame Auseinandersetzung suchen, auch wenn sie als Länder der Dritten Welt eingestuft wurden. So ist von Korea über China bis nach Indien eine Aufbruchstimmung, die zu wirtschaftlichem Wettbewerb, aber nicht zu militärischen oder gewaltsamen Auseinandersetzungen führen wird. Das gilt bislang auch noch für Südamerika, wobei sich die Lage dort eventuell eher zum schlechten ändern könnte.

Es geht also im Wesentlichen um Länder in Afrika und dem mittleren Osten. Diese Auseinandersetzung wird auf verschiedenen und wohl meist gewaltsamen Ebenen geführt werden, wird aber letztlich keinen Erfolg haben. Die einzig wirkliche Gefahr sehe ich in den Strömen von Menschen aus den armen Ländern in Richtung der Industrienationen.

Die Industrienationen verfügen heute über einen Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt, der kaum oder nur mit massiven Anstrengungen auszugleichen ist. Bankenwesen, Versicherungen, Medizin, Pharma, Gentechnologie, Informationstechnologie, Luftverkehr, Maschinenbau, Optik, Telekommunikation und vieles andere liegen fest in den Händen der Industrienationen - und daran wird sich auch so schnell nichts ändern.

Die Achillesverse ist nur das Öl.

Während die Länder Asiens sich dem Wettbewerb stellen, wird es bei den verbleibenden Ländern weiter gewaltsame Auseinandersetzungen geben. Da jedoch die militärische Macht der USA, NATO und anderer Beteiligten wie China und Rußland so groß ist, wird es bis auf weiteres eben den Terrorismus geben.

Der wird aber unsere Wertesyteme auch nicht stürzen, es sei denn wir geben den Forderungen der Terroristen nach. Beim Untergang früherer Kulturen war dies noch etwas anders, denn da kam es im Wesentlichen auf die militärische Stärke und die Einigkeit innerhalb des Systems an. Heute dominieren jedoch multinationale Unternehmen und Exxon Mobil verdient mehr als das Bruttosozialprodukt vieler Länder der Dritten Welt.

Die Welt ist polarisiert und ich kann mir kaum vorstellen, daß sich diese Polarisierung grundlegend ändern wird. China, Indien und andere werden dem Klub der Reichen beitreten und die anderen werden auch weiterhin das Nachsehen haben.

Das wird zu Problemen führen, jedoch haben die Armen von Jahr zu Jahr weniger Optionen. Das ist mehr als bedauerlich.
 
Vorweg nur eine Bemerkung:

dieser Thread läuft genau so wie ich es mir gewünscht habe: bei dieser komplexen und schwierigen Problematik (es treffen ja so viele Faktoren aufeinander), diskutieren wir und vertreten dabei unterschiedliche Standpunkte. Wobei es vielleicht auch so ist, dass beides zutrifft.

Bis später

Miriam
 
Ich würde ja gerne mitdiskutieren, aber:
a) iignorierst Du ja alles, was ich sage - vor allem das, was zur Sache ist.
und b) ist auch dieses Thema wieder eines von den üblichen Gummithemen, die ich , argumentierte ich mit, in viele kleine und damit beantwortbare " umwandeln" würde.


Aber: wir beide sind intellektuell eben sehr verschieden. Ich sehe immer nur das nahe liegende, Kleine, Du bst mehr für das Große .


Als Beispiel für Sachinteresse - und nicht nur für Ironie - :


Aus dieser Bemerkung in Deinem Eröffnungsthread

1. Der Westen wurde konfrontiert mit der Relativität seiner Werteskala. Und auch wenn wir weiterhin an den demokratischen Gedanken und an die westliche Kultur festhalten: Fragen sollen wir und müssen wir uns stellen

ließe sich hervorragend ein Thema in allgemeiner Politik oder in allgemeiner Philosophie machen.
Es hätte dann zwar den Nachteil, dass wir hier schon öfter - auch vor kurzem - darüber spekulierten, aber das muss per se kein Nachteil sein.

Also: lasst Euch meine kritischen Bemerkungen nicht verdrießen und spekuliert weiter. Das Thema ist ja breit genug angelegt. Und Lob gibt es ja für jeden, langen oder kurzen Beitrag.

Marianne
 
Ach ja - ein kleiner Nachtrag:
Ich habe das Thema nicht bewertet. Ich hätte - aber, das seht ihr ja an meinem obigen sachkritischen Posting, was ich hätte.
Also, Miriam, freue Dich, Louiz und Spielmann sind so begeistert, dass sie so gut bewertet haben.
Du kannst also meine kritischen Bemerkungen, die Wahl des Themas betreffend , umgehend vergessen.


PS: Kann frau/man sich eigentlich auch selbst sein Thema bewerten? Das weiß ich ehrlich nicht. Ich probiere es mal bei einem meiner Themen aus, dann weiß ich es. Aber: falls das klappt, gebe ich mir die schlechteste Note.
 
Ist der Mensch lernfähig?

Zunächst möchte ich bekunden, dass Miriam ein interessantes Thema angeschnitten hat, obwohl dieses in viele Aspekte aufgefächert werden kann.

Die gewohnte Weltordnung gerät ins Wanken,

lautet die Überschrift und ich bin der Meinung sie ist niemals stabil gewesen. Begonnen bei Kain und Abel und über die ganze Historie der Geschichtsschreibung gab es ständig Meinungsverschiedenheiten, die in der Regel von jenen angestachelt wurden und werden, die sich einen persönlichen Vorteil davon versprechen.
Ein simples Beispiel: Ein Intrigant setzt Gerüchte in die Welt, worüber sich genau jene in die Haare bekommen, die er gern ausschalten möchte und ist so der lachende Dritte.


Nun, das Thema ist nicht neu und bereits im alten Ägypten wird z.Zt. vom dritten zum zweiten vorchristlichen Jahrtausend in der Inschrift einer ägyptischen Steintafel geklagt, daß die heutige Jugend kaum noch Respekt vor den Eltern zeige, sie sei von Grund aus verdorben, voller Ungeduld und ohne jede Selbstbeherrschung. Über die Erfahrungen und Einsichten der Älteren werde gespottet, es seien bedenkliche Zeiten und man müsse vermuten, daß sich in dem Verhalten der Jugendlichen Verderben und Untergang des Menschengeschlechtes drohend ankündigt.

Also, was lehrt uns dies? Richtig, nichts Neues unter der Sonne, es ist immer wieder aufs Neue wie es war und jede Jugend möchte ihre eigenen schmerzlichen Erfahrungen sammeln.

Vor einigen Jahren habe ich mich mit einem Bekannten aus der Schweiz darüber unterhalten und er erzählte folgende schöne Fabel:
Auf ihren Bahnen durch das All, begegnet die Erde einem anderen Planeten, den sie aus der Zeit kannte als beide noch jung waren. Kurze Begrüßung und der andere Planet erkundigt sich nach dem Wohlergehen der Erde.
Diese klagt bitterlich darüber, dass ihr der homo sapiens erhebliche Schmerzen verursache und sie wohl bald daran zu Grunde gehen werde.
Darauf bekam sie zur Antwort: Mach dir nichts daraus, das geht vorüber, denn ich hatte die Krankheit auch schon zweimal.


Die uns bekannte Weltordnung gerät ins Wanken und jede Veränderung flößt uns Angst ein. Und die Angst vor der Veränderung lässt uns nur zu gern dort verharren wo wir uns befinden. Das gängige Argument lautet: Was ich habe weiß ich, aber was ich stattdessen bekomme, weiß ich nicht.
Während mehrerer Wahlkämpfe prangte der Spruch von den Litfasssäulen: „Keine Experimente – wählt CDU“.

Wir sind hier eine kleine Schar von Diskutanten und wir werden sicherlich die Welt nicht aus den Angeln heben können, aber was wir können ist, dass wir die uns durch Erziehung und die gesteuerte Beeinflussung durch die Medien, Geschichtsschreibung und religiösen Gurus verpassten Scheuklappen beiseite werfen und uns ein eigenes Bild schaffen, selbst auf die Gefahr hin, dass man sich irrt. Lieber als Irrer sterben, als immer fremden Wahrheiten nachlaufen.


Nun möchte ich von Hermann Hesse schließen:
Stufen

„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“

MfG Jan Amos
 
Mienst Du mit deinen Worten oben: es hat immer die Meinung gegeben, der Weltlauf sei am Ende angelangt?

Stimmt - so pflichte ich Dir bei.


Marianne
 
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@ Marianne

Deine Feststellung: "freue Dich, Louiz und Spielmann sind so begeistert, dass sie so gut bewertet haben" verstehe ich nicht.

Kannst du das kurz erklären?
 
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