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Berateritis

johko

Member
Registriert
17. August 2003
Beiträge
248
Der Chefredakteur der Cuxhavener Nachrichten hat mich in einem Kommentar auf das Wort BERATERITIS gebracht.BERATER ist doch
eigentlich ein geiler Job? FAST jeder - von Staat bis zum einfachen Bürger - braucht ihn heutzutage zu allen erdenklichen Gelegenheiten, weil kaum einer mehr das
Risiko irgendeiner falschen Entscheidung eingehen will. Dabei ist der Berater, wenn er sich bei der Vertragsgestaltung nicht allzu blöd anstellt, doch
der einzige, der kein Risiko eingeht: Wenn es schiefläuft, war er eben der falsche Berater.Ein neues Opfer wird sich schon
finden - man muß nur genügend Beratungsbedarf wecken: Wer clever und creativ ist, erfindet neue Probleme oder verkauft
altbekannte Weisheiten als neueste geistige Highlights. Wer dumm ist, hängt sich an eingefahrenen Beratungswellen dran und
erlebt die Risiken eine in Schwüren ergrauten Schneeballsystems. Schlecht beraten, kann ich da nur sagen. Fachkompetenz
scheint da eher hinderlich,gefragt sind Verkaufstalent und Skrupellosigkeit.Es sei denn, die Beratung ist gratis, was aber
ein schmaler Grat is, denn dann kann sie ja der Volksmeinung ja nur umsonst sein - oder es steckt ein lukrativer Gedanke
dahinter.Dann doch lieber draufzahlen?

Johko
 
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Danke, Johko, du hast mich auf den Gedanken gebracht, wie ich mehr aus meinem Leben machen könnte.

Was zeichnet einen guten Berater aus?

1. abstruse englischsprachige Berufsbezeichnung
2. Mangel an Selbstzweifel
3. Neigung zu klaren, vereinfachenden Aussagen
4. Neigung, klare Aussagen durch nebulöse Sprache wieder zu verklären
5. Lösungsvorschläge, die leider nicht umzusetzen sind aus rechtlichen oder sozialen Gründen, "aber nur so könnte es gehen".
6. Bestechendes Wissen über die Zukunft:
7. Gute Kontakte zu Astrologen, Zukunfst- und Trendforschern.
8. Herausragende Kontakte zu Steuer- und Anlageberatern.
9. Vertrag mit der Bundesagentur für Arbeit in der Tasche.
10. Zur Absicherung Nebenberuf als Stripteasetänzer, Sumo-Ringer, Fernglasverkäufer oder SPD-Vorsitzender
 
Obwohl ich kein Berater/Consultant bin frage ich mich, warum alle auf die Berater einprügeln.

Weil man gehört hat dass damit auch Schindluder betrieben wird?
Weil es vorkommt, dass es unseriöse Berater gibt?
Weil es so einfach ist?
Weil man voller Neid auf gute Gehälter blickt?
 
Sicher gibt es unter den Beratern auch etliche schwarze Schafe, aber ich würde die Berateritis nicht so negativ sehen.

Noch niemals zuvor gab es so vieles zu wissen, noch niemals zuvor gab es so viele Spezialgebiete. Niemand kann sich überall auskennen, aber es wird immer schwieriger, ohne dieses Spezialwissen auszukommen. Also braucht man einen Berater. Was soll daran schlecht sein?

Sicher treibt es auch Blüten. Wenn ich mich nicht mehr aus dem Haus traue, weil mein Stilberater mir nicht das passende Outfit verschreiben kann, wird's zumindest skurril. :p

Konfuzi
 
Original geschrieben von walter
Obwohl ich kein Berater/Consultant bin frage ich mich, warum alle auf die Berater einprügeln.

Weil man gehört hat dass damit auch Schindluder betrieben wird?
Weil es vorkommt, dass es unseriöse Berater gibt?
Weil es so einfach ist?
Weil man voller Neid auf gute Gehälter blickt?

Nun ja, Walter, in Deutschland ist für mich der Inbegriff der Berateritis die so genannte Hartz-Kommision.
Die Regierung hat keine Idee, also beauftragt sie ein Team um Herrn Hartz, um konkrete Reformvorschläge des Arbeitsmarktes zu machen.
Herr Hartz schlägt einen umfangreichen Aktionskatalog vor, der die Arbeitlosenzahl bald halbieren soll (!).
Er warnt aber davor, die Vorschläge zu verwässern, sonst könne es AUF kEINEN FALL funktionieren.

Natürlich kann es sowieso nicht funktionieren, aber Herr Hartz hat nun eine gute Ausrede.
Die von ihm propagierten Jobagenturen sind ein Flop. Die so genannten Mini-Jobs laufen zwar gut, senken aber die Arbeitslosigkeit nicht - statt dessen kommen sie den Arbeittgebern teuer - senken also die Lohnnebenkosten nicht. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter...

Natürlich braucht es ab und zu Berater. Wir hatten hier im Betrieb auch welche. Meine Erfahrung ist, dass sie das sehen, was sowieso jeder sehen müsste - ihre Lösungsvorschläge sind zwar plausibel, berücksichtigen jedoch nicht genügend die Probleme der Umsetzung ANHAND VORHANDENER Strukturen. Dann gehen sie wieder, die alten Leute setzen die Ratschläge holprig um,und fahren den Karren noch tiefer in die Scheiße.

Ist natürlch alles ein bisschen Verallgemeinerung und (Real)satire, aber zusammenfassend gilt vielleicht: Berater sind gut, eine Sache, die gut ist, noch besser zu machen.
Bei einer Sache, die auf dem absteigenden Ast ist, hilft der Feuerwehreinsatz selten etwas.

Grüße
 
Er rät A. Sie rät B. Es kann aber das Alphabet nicht.

Was tun?


Alle Menschen zu Analphabeten zurückentwickeln?

Dann könnten wir vielleicht noch einmal von vorne anfangen - ohne Berater, nur mit Tätern.

:D :D :D


Marianne
 
Hallo Robin, die Sache gefällt mir.

Lassen wir die Punkte 1 und 8 bis 10 außen vor, dann gibt es diesen Beruf schon seit etlichen Jahrhunderten. Man kannte sie sogar schon zu römischen Zeiten und sie waren als Lustigmacher populär.
An den Fürstenhöfen hatten sie bedeutenden Einfluß und gehörten zu einem vollständigen Hofstaat dazu, da die „damaligen Regierenden“ oft ebenso ratlos waren, wie die „heutigen Volksvertreter“ die uns regieren. Es gab unter ihnen Berühmtheiten, weil sie oft Mutterwitz besaßen und geistreiche Erzähler waren.

Oft trugen sie Schellen an der Kappe, machten auch viel Lärm um nichts, nur damit die feine Gesellschaft gebührlich unterhalten wurde, was wir Heutigen in TV-Talkshows, in ähnlicher Form auch präsentiert bekommen. Aber auch viele Aufsichtsratssitzungen dürften ähnlich ablaufen.

Schon erraten? Richtig, ich schreibe über den Hofnarren!

Gegen Ende des 15.Jahrh. artete das Wesen der Hofnarren besonders in Deutschland stark aus, da sich fast jeder Edelmann seinen Hofnarren hielt und sich viele Gauner vom erstbesten Adligen das Narrenpatent ausstellen ließen, um unter dieser Firma Schellen- und Schurkenstreiche ausüben zu können, so ward das Land mit fahrendem Volk überfüllt.

Wie sehen also es gibt kaum etwas Neues unter der Sonne, die Menschen sind immer noch die gleichen, nur die Umstände haben sich verändert.
Die Parallelen sind so frappierend, dass es schon wieder traurig ist.

Aber es gibt noch Hoffnung, denn die Geschichte hat auch gezeigt, dass auf den Reichstagen von 1495 – 1575 strenge Beschlüsse, besonders gegen den Unfug dieser Titularnarren, gefasst wurden; und wenn man die modernen Berater, die wahrscheinlich nur die Biographien dieser besonderen Höflinge studiert haben ebenso zum Teufel jagt, werden gewaltige Kosten eingespart.
Nur dann müssen die Herren in den oberen Etagen selbst tätig und kreativ werden, was wieder zu einer neuen Spezi unter einem, und jetzt kommt Punkt 1. „abstrusen englischsprachigen Berufsbezeichnung“, sich etablieren wird.

MfG Jan Amos
 
Salut!

Eine mir vollkommen unbekannte Stimme flüsterte mir gerade "Ich bin so verliebt" aus dem Lautsprecher zu. Das stimmt mich milde und so lasse ich mich auch von Jan Amos unbekannterweise als Hofnarr titulieren, fühle mich nicht gekränkt. Schliesslich waren Hofnarren nicht die schlechtesten Berater.
Fühle mich aber durch diesen Beitrag angesprochen, obwohl ich von Wirtschaft nicht sehr viel Ahnung besitze.
Johko, ein Berater nimmt dem Unternehmen das Risiko einer falschen Entscheidung nicht ab. Dass viele Firmen erst dann nach einem Berater rufen, wenn das Unternehmen als hoffnungslos marode zu bezeichnen ist, muss man wohl - wie auch die Tatsache, dass sie marode sind! - eher der Inkompetenz der Firmenführung oder den widrigen Umständen denn dem unfähigen oder gierigen Berater/Beraterteam anlasten. Ebenso, wenn das Unternehmen in einer ausweglosen Situation die teuersten Berater (McKinsey & Co.-grins) engagiert, denn was billig ist, kann nicht viel taugen - so Du und der Volksmund. Ein seriöser Berater wird sich in einem solchen Fall nach einer ersten Einsichnahme auch sicherlich eher zurückziehen, um das Unternehmen nicht noch um die letzten Finanzreserven zu bringen. Vermutlich mit dem ehrlichen Vorschlag - je nach Lage - zu liquidieren oder zu fusionieren. Bei einer Regierung ist die Situation noch schwieriger. Da erlaube ich mir, gar kein Urteil abzugeben, noch weniger, handelt es sich um die Regierung Deutschlands. Ein Berater kann nur dann jemanden beraten, wenn er in der Lage ist, seine Vorschläge auch in der Praxis umzusetzen, bzw. Wege dazu aufzuzeigen. Leider habe ich keine Reformvorschläge zu verkaufen, und auch keine an marode Unternehmen in petto.
Nicht mal Robins Punkte 1-10 treffen auf mich zu, wobei ich natürlich nicht sehr objektiv bin ;) . Vielleicht genügt es schon, dass mir hin und wieder zum Frühstück mein Horoskop serviert wird, oder dass ich aus Faulheit meine Steuerangelegenheiten durch einen Berater regeln lasse. Meine Tätigkeit ist aber trotzdem in ca. 30% beratender Natur. Diese 30% ermöglichen mir, für den Rest des Monats auch weniger lukrative oder gar 'Verlust' bringende Aufträge anzunehmen, die mich interessieren oder sogar mal ganz einfach 'nichts' zu tun. Ist das verwerflich? Dann mal aber ganz konkret: Wieviel darf ein 'Berater' verdienen, damit er gesellschaftlich und moralisch tragbar und akzeptabel ist?
Für den Fall, wir könnten davon, was hier jetzt beschlossen wird, nicht leben, überlege ich in der Zwischenzeit ernsthaft Punkt 10 - grins.

Amitiés
:D
 
Um mal deutlicher zu werden - denn meine ironischen Worte oben wurden ja nicht gustiert. Daher werde ich weniger tropisch.


Wir leben in so undurchschaubaren Räumen, dass es ohne Berater in ökonomischen, politischen und sonstigen Bereichen gar nicht mehr ginge.
Wer von den Entscheidungsträgern kennt schon alle Auswirkungen, die eine Entscheidung zur Folge haben kann? Wer alle Unwägbarkeiten?

Im Zivilprozess müsste ein Richter entweder Gott sein oder sonst irgendwie allwissend.
Er muss sich für fast alle Fragen Sachverständige kommen lassen.
Das Urteil bleibt an ihm hängen; nämlich die rechtliche Abwägung des Falles.


Ich hoffe, jetz war ich klarer. Es geht nicht ohne......

Marianne
 
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Pardon, Majanna, meinst Du mit den Zeilen mich? Ich habe Deinen ersten Beitrag sehr wohl richtig verstanden. Wäre dem nicht so, so hätte ich mich an Dich persönlich gewandet, wie ich es - auf meine Weise und nicht ganz ernsthaft - bei den beiden Herren tat.
Deine Antwort richtete sich aber an Johko, wie ich vermuten muss - meine auch ;) . Tut mir Leid, sorgte ich schon wieder für Deinen Unmut - dies OHNE jegliche Ironie.

Grüsse
 
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