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Antworten auf Kontaktanzeigen

Svensgar

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Registriert
13. Februar 2011
Beiträge
8.160
Antworten auf Kontaktanzeigen.

Dokumente.



Westberlin, 23. August 1996
Liebste 170156.

Im letzten tip ist mir Ihre vordergründig gegensätzliche Anzeige aufgefallen. Ich kann mich jedoch erst jetzt bewerben, da ich bis vor einigen Tagen noch zu überlegen gezwungen war, inwieweit ich eine mich faszinierende Frau (34) bekommen könnte oder nicht. Solange diese Frage quasi meine Existenz beherrschte, konnte ich mich nicht Ihrer Anzeige und damit Ihnen zuwenden. So wie ich keine Bücher parallel lese, so kann ich mich auch nicht auf mehrere Damen konzentrieren.
Nun sind die Verhältnisse geklärt. Stark angetrunken, so wie sie es sich täglich besorgt, vertraute letzte Nacht jene umgarnte Frau meinem digitalen Anrufbeantworter an, daß sie keine Zeit habe, einen Idioten aufzuziehen. Später entschuldigte sie sich zwar mit einem ihrer Filmrisse, doch mir war klar, woran ich zu sein schien.
Menschen, die sich offen als Angstträger bezeichnen, sind mir äußerst sympathisch. Natürlich weiß ich nicht, was sich hinter Ihrer Fourmulierung Angstneurotikerin steckt; eine sich ständig psychologisierende Frau, die damit fast zwangsläufig zu dieser Bezeichnung kommen könnte, oder ein behandlungsbedürftiger Patient?
Ich selbst würde mich kaum als Intellektuellen-Künstlernatur zeichnen, eher im Verständnis der Österreicher sehen wollen, die sich jeder für einen, zumindest verschütteten Künstler halten. Seit zwei Jahren führe ich meine Aufzeichnungen eines Außenseiters, die einen großen Teil meiner begrenzten, durch Angst begrenzten Lebensqualität ausmachen; Lebensqualität ist eigentlich viel zu hoch gegriffen.
Meine zweifelsohne Schüchternheit hängt eng mit meinem Angstkomplex zusammen. Ob ich Sicherheit oder Geborgenheit vermitteln könnte, hängt von dem Grad meiner Zuneigung ab. Theoretisch halte ich mich dazu fähig.

Diese Zeilen sind ein erster Anriß von mir. Wenn Sie meinen, mich kennenlernen zu wollen, würde ich mich innerhalb meiner Möglichkeiten über einen Brief (ohne Foto) von Ihnen freuen. Telefonisch bin ich wegen meiner Ängste durch den erwähnten Anrufbeantworter geschützt.
Meine langjährige Anschrift: Svensgar ...

Ich ziehe mich zurück.

Svensgar.



 
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halt einfach die klappe belair... front lieber mal deinen horizont, der hats nötig... :wut1:
 
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Westberlin, 24. November 2001
Liebste #46018703.

Darf ich mich Ihnen kurz vorstellen? Mein Name ist Svensgar, ich bin schon 37 Jahre alt, lebe seit unglaublich langen Zeiten in der Siemensstadt, einem unaufregenden (kein Kino, keine Buchhandlung, kein Biergarten, kaum frisches Obst und Gemüse in den immer weniger werdenden Läden) Stadtteil von Spandau, ein ebenso unaufregender Bezirk. Hier bewohne ich seit zweieinhalb Jahren die erste Etage meines Elternhauses; unter mir lebt eine meiner Schwestern, zusammen mit ihrem mehrfach geschiedenen Freund, einem 40-Kilo-Schäferhund und zwei Katzen. Seit über einem Jahr haben wir fast gar nicht miteinander gesprochen, es gibt keinerlei Kontakte zwischen uns, von intimen mal ganz abgesehen. "Es hat sich eben so entwickelt", würde ich behaupten, wenn auch andere Menschen meinen, ich trage an allem Schuld.
Wie dem auch sei, ich möchte in meinem (vielleicht ersten) Brief an Sie, liebste # 46018703, nicht zu persönlich werden, Sie nicht wie verschrecken; ich möchte nur erklären, daß ich mich - wie Sie sich - ebenso ganz alleine fühle, und es tatsächlich auch bin. Aber, ich würde es gerne ändern wollen, ergäbe sich nur eine Möglichkeit, in dieser uns Ersteweltler doch alles bietenden Welt.

Ehe ich mich nun völlig verschreibe und diesen Briefversuch gar nicht abschicke, ein paar weitere Worte zu mir; Sie möchten schließlich wissen, mit wem Sie es zu tun haben könnten. Und vielleicht, wie ich an Ihre Anzeige gelangte?
Gestern warf ich eine 20-Liter-Plastiktüte Hausmüll in die elternhauseigene Hausmülltonne, nicht ohne zuvor aus derselben einen Stapel alter Zweite Hand-Zeitungen meiner Schwester (die darin ständig Sachen für ihre Pferde sucht) vor der Entsorgung zu bewahren, um in ihnen die Immobilienteile (abschlußfrei) zu studieren. Ich suche nämlich seit einiger Zeit eine Altbauwohnung, um mittelfristig meiner familären Isolation im Elternhaus zu entkommen. Neben einer interessanten Anzeige im Wohnungsteil, 2 1/2-Zimmer mit 84 qm, Balkon, Gasheizung, 2. OG, kalt für 700 Mark, fand Ihr Inserat im Herzklopfen-Teil meine Aufmerksamkeit.
Ich sehe ja nur noch selten in diese Kuppler-Rubriken, zu vergebens waren meine diesbezüglichen Mühen Anfang der 90er Jahre. Und nur noch ausnahmsweise spricht mich eine Selbstdarstellung so an, daß ich auch schreiben mag. Wobei ich dann so schlecht wie nie eine Antwort bekomme; ich weiß, mit welchen Briefmengen die inserierenden Damen wie zugeschüttet werden, da ist die Chance eben gering, vorausgewählt zu werden, unabhängig von der eigenen Klasse.
Aber Ihre Worte fanden mein großes Interesse, besonders dieses ganz alleine. Alleine hätte wahrscheinlich schon gereicht, um mich zum Schreiben zu treiben, aber dieser Zusatz ganz machte Sie in meiner Vorstellung nur noch umso alleiniger, fast bis in berührende, weil tragische Dimensionen hinein - und das ist mir sehr sympathisch.
Ich kann selbstverständlich in meiner Einschätzung von Ihnen völlig daneben liegen, aber ich vermute, Sie haben es in oder mit Ihrem Leben (ähnlich wie ich) nicht leicht.
Naja, ich weiß schließlich nur von Ihnen, daß Sie 34 Jahre gealtert sind, sich ganz alleine fühlen und dies mit einem Mann von 34 bis 38 Jahren zu ändern vorhaben. Das, was mich mit Ihnen verbindet, wie lose auch immer, ist Alleinfühlen oder -sein und ein ähnliches Alter. Wenn Sie mögen, können Sie mir gerne rückschreiben, es wäre mir eine große Freude. Eine meiner Leidenschaften ist nämlich das Schreiben, auch wenn ich damit überhaupt keine Gelder verdiene, keinen meiner fast werktäglichen Einkäufe bei Billig-Aldi finanzieren kann.
Zur Not könnten Sie mich abends mal anrufen, wenn ich auch sicher mindestens anfangs spürbar gehemmt wäre.

Das ist nun ein mehr ungelenker Brief, besser ist er mir nicht gelungen. Aber möglicherweise ist er gerade deshalb ein gar nicht so aussagearmer - man könnte mich durchaus als ungelenk in der Handhabung meines Lebens bezeichnen, wieso bin sonst alleine und schreibe Ihnen, einer selbsterklärten ganz Alleinigen?

Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir, und ich werde Sie sehr gerne mit weiteren Briefversuchen bedienen.


Der Herr der Anderen segne Sie,

Ihr Svensgar.




 
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Vielleicht solltest du noch was von deinem Volvo schreiben, lieber Svensgar?

6-Gang, el. Beheizbare Heckklappe, Verdichtung 11,3 :1 , offene 45er dBilas Einzeldrosseleinspritzanlage, Schmiedekolben, 328er Einlassnockenwelle mit härteren Ventilfedern, Kurbelwelle feingewuchtet, dreht bis 7.600 U/min aus, Hartschalenkoffer mit Bali-Aufkleber….oder sowas?

Bernd
 
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