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Was sagt der Filme-/Buecher-/Musikgeschmack ueber den Charakter?

Hallo,

ich habe Joachim Ernst Behrendt gelesen. Es sind zwei beeindruckende Bücher, auch wenn viele der Schlussfolgerungen nicht haltbar sind.

Die Diskussion ist nun ein wenig auf das schlagzeilenträchtige Thema "Massenmörder" abgedriftet. ich möchte auf Neugier antworten:

Folglich muss man wohl die Präferenz in einem dieser Bereiche als eine der vielen Dimensionen der
Persönlichkeit betrachten, genauso wie auch die Präferenzen in vielen anderen Aspekten (Bilder, Bauwerke,
Landschaften, Tiere, Pflanzen, Speisen, Getränke, Wertesystem, Moralvorstellungen, politische Richtung,
Partner, männliche/weibliche Idole, Beruf/Karriere, Freizeitbeschäftigungen, Konsumgewohnheiten,
Fortbewegungsmittel, etc.).

Was bezeichnet man denn normalerweise als Charaktereigenschaften? Ich würde gut/böse, entgegenkommend/abweisend, cholerisch/ruhig, kommunikativ/eigenbrötlerisch u.ä. nennen. Diese Eigenschaften kann man aber nicht Musik- oder Literaturpräferenzen zuordnen. Gute und böse, ruhige und cholerische Menschen hören Bach oder eben nicht. Wir kennen Stanley Kubriks provozierende Amokfigur, die Beethoven als Idol hat...Man kann eine solche Präferenz nicht in einer Charaktereigenschaft abbilden oder umfgekehrt. Die Vorliebe für beethoven mag Teil der Bewusstseinsstruktur sein - aber mit Charakter bezeichnet man etwas anderes. Man bezeichnet damit Handlungsstrukturen und ihre kognitiven Voraussetzungen. Die Präferenz von bestimmten Musiken z.B. kann hier aber nur im Ausnahmefall Einfluss nehmen.
Das ist dann der Fall, wenn Kunst oder Musik extrem funktionalisiert werden. Wenn eine Person zum Beispiel Frauenromane liest, um der Wirkllichkeit zu entfliehen. Man mag ihr dann "Ich-Schwäche" oder so etwas unterstellen. Oder jemand, der über Meditations- oder Volksmusik in eine heile Welt abdriftet. Oder harte Musik verwendet, um sich abzureagieren. Oder sich Gewaltvideos reinzieht, um sich "aufzuheizen" für die Bluttat. Dann liegt in der Tat eine Korrelation von Charakter und Präferenz vor. Aber noch keine Kausalität.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Myrrh schrieb:
Ja, ich sagte ja auch nicht, dass man durch den Musikgeschmack feststellen kann, was ein Mensch tut und tun moechte, sondern eben nur Gefuehle oder Gedanken.

Was dann im Kopf, im Bewusstsein geschieht, ist sehr schwer nachzuvollziehen. Die Beschreibung von Kunst und ihren Wirkungen bleibt oft blass gegenüber den Wirkungen selbst. Und jede Theorie kann im nächsten Moment widerlegt werden. Die Beschreibung eines Gedichts kann ans Gedicht nicht herankommen. Und Berichte über Musikwirkungen nicht an die Musik. Ich fühle mich sogar gestört, wenn ich in Texten lesen muss, wie einer von einem Stück schwärmt, von dem ich auch schwärme; Desto genauer er/sie in das Erleben eindringt, desto gestörter bin ich. Das mag jetzt mein Problem sein; aber auch das zeigt, dass hier nicht auf Generalisierungen (denn das sind "Charaktereigenschaften") zurückgegriffen werden kann.
Und ganz bestimmt finde ich die Musik von Pantera aus anderen Gründen gut als die Musiker von Pantera selbst...
 
Persönlichkeit, was ist das ?

.

Im Beitrag #21 skizziert Robin seinen Begriff von "Charakter".

Das lässt es geraten erscheinen, dass ich auch meinen Begriff von "Persönlichkeit" umreisse
(ich habe mich ja im Beitrag #14 zur Persönlichkeit geäussert, und nicht zum Charakter).


Mein Persönlichkeitsbegriff ist wesentlich umfassender als Robins Charakterbegriff und kann am ehesten
mit folgenden Zitaten umrissen werden:

"... ein weit gefasstes Konstrukt zur Beschreibung, Vorhersage und theoretischen Erklärung
der Besonderheiten des Einzelmenschen",

"die dynamische Ordnung derjenigen psychophysischen Systeme im Individuum,
die seine einzigartige Anpassung an die Umwelt bestimmen",

"ein bei jedem Menschen einzigartiges, relativ stabiles und den Zeitablauf überdauerndes Verhaltenskorrelat".


Wenn nun spezielle Forschungsrichtungen aus Gründen der Zweckdienlichkeit den Persönlichkeitsbegriff
stark einengen und sich auf einige wenige Dimensionen des gesamten Persönlichkeitsbildes beschränken,
so gilt diese Einengung dann eben nur innerhalb dieser speziellen Forschungsrichtung und ihres
Anwendungsbereiches.

So erscheint es beispielsweise durchaus nachvollziehbar, dass es für die Personalauswahl eines
Unternehmens völlig irrelevant ist, ob ein Bewerber nun ein Liebhaber der Musik von Richard Wagner
oder der Musik von Pierre Boulez ist.

Diese Irrelevanz eines bestimmten Unterschiedes für bestimmte Anwendungszwecke bedeutet aber nicht,
dass kein Unterschied vorhanden ist.

Natürlich ergibt sich ein unterschiedliches Gesamtbild der Persönlichkeit,
so wie ein Fluss mit Wasserfall eben ein anderes Landschaftsbild mitprägt, als ein Fluss ohne Wasserfall.


Ganz abgesehen davon leuchtet mir nicht ein, warum eine "Präferenz von bestimmten Musiken"
nicht ohnehin auch in den "Handlungsstrukturen und ihren kognitiven Voraussetzungen" eingeschlossen ist.

Das musste auch einmal gesagt werden, damit unser Persönlichkeitsbegriff nicht den Bach runtergeht.

.
 
Okay, Neugierchen, schenken wir uns die Definitionen.

Nenn mir einfach nur ein Beispiel von einer Verknüpfung der Art:
Er hört Beethoven, weil... damit ich dich verstehe!

Mir fällt dann immer nur etwas ein wie: Er hört Beethoven, weil er gerne Beethoven hört. Das kommt mir tautolgisch vor.
Oder: er hört Beethoven, weil er gerne klassische Musik hört. Auch das tautologisch.

Er hört Beethoven, weil er intelligent ist? Sehr fragwürdige Schlussfolgerung, wenn du mich fragst.

Er hört Beethoven, obwohl er ansonsten nur Hip-Hop hört. Daraus könnte man auf "Offenheit" schließen. Dann begeben wir uns aber schon in den Bereich des Lebensstils und verlassen den reinen Hörgenuss.

Verstehst du, ich weiß nicht, ob es offiziell ist, aber ich habe Charakter eben als "generalisierte" Verhaltensattribute definiert. Denn nur was generalisiert ist (wo jeder etwas drunter versteht) kann man kommunizieren (ohne dabei zu garantieren, dass alle dasselbe meinen).
Persönlichkeitsstruktur ist ein Begriff, der zwar bekannt ist und sie hängt auch mit z.B. Musikpräferenzen zusammen, aber diese Strukturen können eben nur durch die Musik selbst bestätigt werden - oder nicht bestätigt werden. Als Außenstehender kann man dann nur beobachten, dass sich bei einer Person bei Beethoven Wohlgefallen einstellt oder dass er dies behauptet - was ansonsten in der Person passiert, ist zu komplex, um es in generalisierten Charaktervorstellungen zu kommunizieren...es bleibt unbeobachtbar.

Und das musste jetzt mal gesagt werden: ich habe Recht, verdammt noch mal...;)
 
Das Thema heißt " Was sagt der Film-/Bücher-/Musikgeschmack über den Charakter"

Ich denke, dass allein der Geschmack gar nichts über den Menschen aussagt. Dass sich durch ihn auf Persönlichkeit oder Charakter schließen lässt, halte ich für absurd.
Was für den Einen schlechter Geschmack ist, ist es für den Anderen noch lange nicht.
Warum sollte ein Klassikfan charakterlich und von der Persönlichkeit höher oder anders einzustufen sein, als jemand, der sich mit Motörhead zudröhnt?
Warum ein Freund der Trivial-Literatur anders als der, der Kundera, Grass oder Shakespeare liest?
Warum der Schnaps- und Biertrinker anders als der Wein- Whiskey- oder Cognac-Liebhaber?
Warum der Miesmuschelesser anders als der Austernschlürfer??
All die Erstgenannten können den anderen u.U. in Charakter und Persönlichkeit bei weitem überlegen sein, wie es anders herum auch der Fall sein kann.

Die Frage, ob Filme, Musik oder Bücher Menschen beeinflussen können, kann ich noch nachvollziehen, aber wieso damit Rückschlüsse auf Charakter oder Persönlichkeit möglich sein sollen, das verstehe ich einfach nicht.

De gustibus non est disputandum. Alles Andere empfinde ich als zerreden. :doof:

Rhona
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Robin schrieb:
Nenn mir einfach nur ein Beispiel von einer Verknüpfung der Art:
Er hört Beethoven, weil... damit ich dich verstehe!

Mir fällt dann immer nur etwas ein wie: Er hört Beethoven, weil er gerne Beethoven hört.

[ .... ]
und sie hängt auch mit z.B. Musikpräferenzen zusammen, aber diese Strukturen können
eben nur durch die Musik selbst bestätigt werden - oder nicht bestätigt werden.
Als Außenstehender kann man dann nur beobachten, dass sich bei einer Person bei Beethoven
Wohlgefallen einstellt oder dass er dies behauptet - was ansonsten in der Person passiert,
ist zu komplex, um es in generalisierten Charaktervorstellungen zu kommunizieren...
es bleibt unbeobachtbar.
Robin, genau das ist es ja wovon ich geschrieben habe.

Eine Vorliebe für Beethoven, ist eine Vorliebe für Beethoven, ist eine Vorliebe für Beethoven ....

Das ist eines der vielen Merkmale einer Persönlichkeit, und damit Basta !

Wer Beziehungen zwischen den Merkmalen konstatieren will, sollte das auch begründen können.

Ich habe genau das eben nicht getan und ich werde mich auch hüten, das leichtfertig zu tun,
obwohl ich Beziehungen zwischen verschiedenen Merkmalen gar nicht grundsätzlich ausschliessen will
(sie könnten ja eine gemeinsame Ursache haben, oder sich wechselseitig verstärken, oder ....).


Und das musste jetzt mal gesagt werden: ich habe Recht, verdammt noch mal...
Na eh kloar, und wie !
Das stimmt ja auch mit meiner Meinung überein, da kann es ja nur richtig sein.
 
Werbung:
wenn jemand eine bestimmte Schallplatte hört,
eine bestimmte DVD sieht,
ein bestimmtes Buch liest,
bestimmte Kleidung anzieht,
dann ist nicht bekannt,
warum es gerade diese Schallplatte, diese DVD, dieses Buch, dieses Kleidungsstück sein musste


gute Schallplatten, DVDs, Bücher, Kleidungsstücke werden von Menschen mit unterschiedlichsten Motiven bevorzugt

die Zuordnung von Geschmack und Charakter klappt eher bei den Künstlern,
aber auch hier gibt es einen Unterschied zwischen der Intention des Werkes und der technischen Umsetzung.

was ist,
wenn sich Künstler entwickelt?

dann besteht für den Künstler eine Kontinuität in seinem Schaffen,
aber nur die wenigsten Fans bleiben dem Künstler treu
 
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