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Was ist Wut?

Frau Bezelmann

New Member
Registriert
30. August 2007
Beiträge
33
Kürzlich hatte ich eine Diskussion mit einem sehr engen Freund, darin ging es um Wut. Er sagt von sich, er kenne keine Wut und wisse nicht, wie sich Wut anfühlt. Auf meinen Hinweis, daß er vor einiger Zeit durchaus wütend gewesen sei (Laute Stimme, Zittern, Hände geballt), erwiderte er, das sei doch keine Wut gewesen, sondern eher das Gefühl der Ohnmacht, die sich auf diese Weise entladen habe.

Meine lapidare Antwort war: Nichts anderes ist Wut. Das Aufbegehren gegen das Gefühl der Ohnmacht, die sich durch bestimmte Situationen einstellt und die sich zum Beispiel durch Schreien, Zittern, heftiges Atmen u.ä. äußert.


Inzwischen bin ich über diese Definition etwas verunsichert.

Wie würdet ihr Wut beschreiben?
 
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AW: Was ist Wut?

Hallo Frau Bezelmann !

Ich finde Deine Definition von Wut recht treffend; Dein Freund will wohl nur seine Wut nicht zugeben. Ohnmacht ist eher passiv und äußert sich nicht immer, sondern lähmt auch oft.

Die Wut ist ein negatives Gefühl, dem Zorn verwandt und verleitet zu unbedachten Worten und Handlungen. Wie Marianne schon bemerkte, ist sie für den Wütenden wohl notwendig und wird asozial, wenn sie zu Fremd- oder Eigenagression ausartet.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Was ist Wut?

Hallo Marianne, hallo Zeilinger, danke für eure Antworten. Natürlich sind mir die allgemeinen Definitionen der Wut geläufig, und sie sind ja auch schwer von der Hand zu weisen.

Ich gehöre zu den Menschen, die sehr schnell wegen nichtiger Anlässe wütend werden können, und über die Motivation, die dahintersteckt, bin ich mir in der Regel auch im Klaren. Für mich stellt sich die Wut fast immer aus dem Gefühl der Ohnmacht heraus dar, manchmal auch aus Angst, die aber ja auch meist von einem Ohnmachtsgefühl begleitet ist - jemand, der aktiv ist bzw. einen Weg sieht, etwas zu tun, wird dabei (glaube ich) kaum von Ängsten begleitet.

Ich stellte meine Frage auch, weil ich die Befürchtung habe, zu schnell in die beliebte Falle zu tappen die da lautet: "Bei MIR ist Wut = Ohnmacht" - ergo müßte das bei allen anderen auch so sein.

Ist das so? Wie fühlt sich Wut für euch an?
 
AW: Was ist Wut?

Ich hab mir gerade die Erklärung von Wiki durchgelesen. Wenn ich da so lese, welche kontrollierten Entladungsmöglichkeiten für Wut da vorgeschlagen werden, da steigt mir ja gleich der Hut hoch vor Wut. :haare:

Nein, im Ernst! Ich glaube, Wut entsteht durch das Dilemma, sich einerseits hilflos zu fühlen, andererseits aber sich dieses Gefühles zu schämen.

Jemand sagt etwas zu mir, das mich verletzt. Aber ich habe mir vorgenommen, schon groß zu sein, nicht kindisch und ang'rührt zu reagieren, also steck ich das weg, d.h. ich tu so, als ob es mir nichts ausmachen würde.

Und sowas geschieht dann wieder und wieder und wieder. Immer wieder eine kleine Verletzung. Und dann will ich eigentlich nur noch weinen, weil ich es nicht mehr nur so wegstecken kann. Aber weinen? Ich? Ich doch nicht! Aber was nun? Der Idiot, der mich in diese Lage gebracht hat, der hat nicht einmal Ahnung davon, was er mir angetan hat. Und wenn ich jetzt zugebe, dass ich die ganze Zeit die Stiche nur weggesteckt habe, dann bin ja ich der Idiot. Und eine ang'rührte Nock'n noch dazu. Und das will ich sicher nicht herzeigen. .....

Es kocht also ziemlich in mir und einmal explodiere ich.
Wutausbruch! :bwaah:

Es muss ein innerer Druck vorhanden sein, damit Wut entsteht. Eben durch ein Dilemma, weil man ein Gefühl nicht ausdrücken will, aber nicht weiß, was man sonst damit tun soll.

Hilflosigkeit, Ohnmachtsgefühl, so "Kindergefühle", die man als Erwachsener "nicht mehr haben möchte", und wofür man sich schämt. Wenn da jemand anrührt, dann kriegt der eine ziemliche Abwehrreaktion zu spüren, die Wut. Oder man merkt jedenfalls die unterdrückte Wut, wie sie im Eingangsbeitrag geschildert wurde.

:blume1:
 
AW: Was ist Wut?

Ich spüre Wut als Hilflosigkeit, Ohmacht und als Eingesperrt-Sein in wenige Handlungsoptionen.

Außerdem spüre ich Wut als den Zwang, jetzt etwas mit Gewalt unternehmen zu müssen, weil die Situation nicht mehr erträglich ist und weil sich mit Ruhe und Besonnenheit (scheinbar) im Moment nichts erreichen lässt.

Wut ist das Gefühl, ganz klein zu sein.

lg Frankie
 
AW: Was ist Wut?

Ich spüre Wut als Hilflosigkeit, Ohmacht und als Eingesperrt-Sein in wenige Handlungsoptionen.

Außerdem spüre ich Wut als den Zwang, jetzt etwas mit Gewalt unternehmen zu müssen, weil die Situation nicht mehr erträglich ist und weil sich mit Ruhe und Besonnenheit (scheinbar) im Moment nichts erreichen lässt.

Wut ist das Gefühl, ganz klein zu sein.

lg Frankie

Das erinnert mich an die Wutausbrüche meines Vaters. Der schlug wild um sich, hauptsächlich auf meine Brüder, tobte sich aus, brüllte und spie Feuer und Dampf. Wir Kinder rannten weg und versteckten uns und hatten riesige Angst.
Als ich an meinem 18.Geburtstag die Ohrfeige, die er mir gab, spontan zurückgab, da rastete er erst aus, (Details will ich hier nicht weiter verbreiten), aber danach wagte er es nie wieder, sich so unkontrolliert aufzuführen.

Ich erfuhr später einmal von meiner Mutter, dass ihr mein Vater erzählt habe, wie klein und hilflos er sich jedesmal gefühlt hatte, wenn ihm nichts anderes mehr einfiel als gewalttätig zu werden. Das konnte er leider auch immer nur rückblickend erkennen.
Das nur als meine Reflexion zu Frankies Beitrag.
 
AW: Was ist Wut?

Hallo, ich danke euch für eure Beiträge und freue mich auf weitere. Ich habe sie gelesen, möchte aber erst eine Weile darüber nachdenken, bevor ich antworte.
 
AW: Was ist Wut?

In den letzten Tagen habe ich versucht, meiner Wut ein wenig nachzuspüren. Dies, weil als ich den Titel des Themas und die ersten Beiträge gelesen hatte, mir bewusst wurde, dass Wut etwas ist, das in meinem Leben eigentlich eher selten vorkommt und vorallem Mariannes Aussage: "Wut tut gut" hat mich nachdenklich gemacht.

Meinen letzten Wutanfall habe ich erlebt, als sich so ein Ding, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass ich es besitze, so blödsinnig in der Küchenschublade verkeilt hatte (Terry Pratchetts Scheibenwelt-Göttin Anoia würde sich freuen...), dass kein Rütteln half, kein Stochern, überhaupt nichts (ihr kennt das ja vielleicht), jedenfalls steigerte ich mich in eine solche Raserei, dass ich es schlussendlich fertiggebracht hatte, den vorderen Teil der Schublade abzureissen. Danach fühlte ich mich eigentlich nicht so gut. Bis ich mir mich dann selber vorstellte - eine Karikatur der wütenden Hausfrau - und darüber lachen konnte. Erst danach ging es mir besser.

Ja, die Tücke des Objektes, die kann mich manchmal wütend werden lassen.
Anderen Menschen gegenüber jedoch werde ich sehr selten wütend. Ja, manchmal ärgere ich mich, aber das ist ein viel schwächeres Gefühl als Wut. Durch Ärger gerate ich nicht ausser mir, durch Wut schon. Und das möchte ich nicht, ich versuche hier tatsächlich, dies willentlich zu vermeiden.

Das mit der Ohnmacht, als Grund der Wut sehe ich auch so. Aber wenn ich mich ohnmächtig fühle (immer noch auf Situationen mit anderen Menschen bezogen), versuche ich dieses Gefühl zu ertragen und zu akzeptieren und es nicht in Wut umzuwandeln. Wut würde mich von diesem Gefühl der Hilflosigkeit zwar entlasten, aber gleichzeitig bringt sie mich von mir selber weg.
So sehe ich das jedenfalls.

Danke, für das interessante Thema! :blume1:
 
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AW: Was ist Wut?

Wut würde mich von diesem Gefühl der Hilflosigkeit zwar entlasten, aber gleichzeitig bringt sie mich von mir selber weg.
So sehe ich das jedenfalls.

Also ich empfinde Wut als etwas, das aus einer alarmbereiten Zone meines Inneren kommt und das sich mit der Meldung einschaltet: "Ab jetzt Gewalt!"

Ich bin mir sicher, dass die "Wutbereitschaft" bei jedem Menschen und zu jedem Thema sehr verschieden ist. Wenn ich zum Beispiel jemanden sehe, der Kinder quält, dann raste ich leicht aus. Aber wenn mein Computer spinnt, dann lässt mich das kalt (das ist nicht bei jedem Menschen so).

Außerdem unterdrückt mancher seine Gefühle, mancher hat sie unter Kontrolle, mancher lässt sie einfach raus, und mancher lässt überhaupt seine Wut an allem aus, was sich gerade in seiner Nähe befindet.

"Wut tut gut" meint dann, dass Wut auf jeden Fall irgendwo wieder rauskommt und auf jeden Fall etwas zerstört: und wenn es die Gedärme des Wütenden sind.

Aber seine Wut an jemand anderem auslassen, das ist kein Weg.

Wut ist emotionales Kotzen, hat mal einer gesagt. Wenn dir schlecht ist, dann kotzt du ja auch nicht anderen ins Gesicht, obwohl du kotzen musst. Es muss raus.

Manche hauen zu Hause auf Polster. Das soll Wunder wirken.

lg Frankie
 
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