Aus dem Jahr 2003:
Das ist ein Problem: Wer die Liebe der Menge einfahren darf, der muss auch stark genug sein, ihren Hass einzustecken. Dem Küblböck scheint das merkwürdigerweise zu gelingen.
Wie wir heute wissen: Das ist ihm tatsächlich nicht gelungen, dem Küblböck. Am Ende sah er für sich nur noch den Freitod - und selbst den hat er zum Spektakel machen müssen.
Was er wohl weniger verkraftet hat, als den "Hass der Menge", war vielmehr die Bedeutungslosigkeit.
Zu farblos, als dass sich noch jemand für ihn interessiert hätte, zu bekannt, als das er ein "normales" Leben hätte führen können: Das hat er nicht verkraftet. In meinen Augen zeigt das, was dabei heraus kommt, wenn man Menschen (noch dazu junge, unerfahrene) zu Künstlern macht, die keine sind, weil sie zu wenig eigene Substanz dafür haben.
Das haben selbst ganz andere nicht verkraftet. Die Unterhaltungsbranche ist voll von gestrandeten Figuren, Depressionen, Alkoholismus, Drogensucht, früher Tod.
Vor vielen Jahren hat der Pop-Art-Künstler Andy Warhol mal (prophetisch) gesagt: In der Zukunft kann jeder Mensch für 15 Minuten ein Star sein.
Was Warhol nicht vorhergesehen hatte und auch nicht vorhersehen konnte: Das man sich heutzutage (mehr oder weniger) mit einem einzigen Klick vor dem ganzen Planeten zum Affen machen kann. Und oft genug nicht einmal deshalb, weil man sich selbst inszeniert, sondern weil irgendein Arschloch widerrechtlich und ohne das man es will einfach die Kamera drauf hält.
Die erfolgreichen "Influencer" von heute sind die vergessenen Figuren von morgen. Schon nach wenigen Jahren werden sie feststellen müssen, wie gnadenlos die Szene in ihrem Jugendlichkeits-Wahn ist. Denn spätestens jenseits der 30+ sinken dann die Follower-Zahlen, und es kommen andere, die übernehmen, die jünger sind.
Sie werden dann feststellen, dass eine Rückkehr in ein bürgerliches Berufsleben schwer wird, ohne Ausbildung, die sie inzwischen vernachlässigt haben und mit einem fragwürdigen Bekanntheitsgrad ohne künstlerischen Gehalt.