Hartmut
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... geschah der Unfall im US-KKW "Three Mile Island (TMI) 2"
Diesem Anlass hat die schweizerische Aufsichtsbehörde für Kernanlagen (ENSI) eine Sonderausgabe ihres ENSI-Newsletters gewidmet. Man findet dort Beiträge zum Ablauf des Unfalls und zu den Lehren daraus:
http://www.ensi.ch/fileadmin/deutsch/files/ensi-news-tmi-2-2009.pdf
Aus der Einführung des ENSI-Direktors:
"Am Mittwoch, dem 28. März 1979, kurz nach 4 Uhr in der Früh, stellten die Speisewasserpumpen im Block 2 des Kernkraftwerks Three Mile Island (TMI-2) ab. Was als normale technische Störung begann, entwickelte sich aufgrund technischer Mängel, menschlicher Fehler und organisatorischem Unvermögen zum bisher schwersten Unfall in einem westlichen Kernkraftwerk. Teile des Reaktorkerns schmolzen, und grosse Mengen radioaktiver Stoffe gelangten in den Primärkreis und ins Sicherheitsgebäude der Anlage. Glücklicherweise blieb das Sicherheitsgebäude während des gesamten Unfallablaufs weitgehend dicht, so dass die in die Umgebung freigesetzte Radioaktivität gering blieb. Es dauerte mehrere Tage, bis die Anlage völlig unter Kontrolle war und Entwarnung gegeben werden konnte. Tage, während denen die Menschen in der Umgebung des Kernkraftwerks unter Stress und psychischer Anspannung litten, bedingt durch eine völlig unzureichende und zum Teil widersprüchliche Informationen der offiziellen Stellen. Die berechnete Strahlendosis für die Bevölkerung blieb im Prozentbereich der natürlichen Strahlung, sie stellte letztendlich keine Gefahr für die Gesundheit dar.
Was sind die Lehren aus dem TMI-Unfall? Ein schwerer Unfall kann in einem Kernkraftwerk geschehen und ist nicht reine Utopie, wie es bis anhin angenommen wurde. Frühere Studien, insbesondere die 1975 veröffentlichte Risikostudie WASH-1400 Studie hatten aufgezeigt, dass ein schwerer Unfall zwar äusserst unwahrscheinlich ist, aber eben nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Der Unfall zeigte deutlich, dass es einer Reihe von Fehlern bedarf, bis es zu einem gefährlichen Störfallablauf kommt. TMI zeigte zudem, dass nicht nur technische, sondern insbesondere menschliche Fehleinschätzungen massgeblich zum Unfallablauf beitrugen, Fehleinschätzungen, die zum Teil auf mangelnde Ausbildung der Operateure, aber auch auf eine gewisse Überheblichkeit des Managements und des Herstellers zurückzuführen waren, die Hinweise aus Vorläuferereignissen in anderen Werken nicht ernst genug nahmen und nicht weiter leiteten. Dasselbe traf damals auch für die amerikanische Aufsichtsbehörde NRC zu.
Im Nachgang zum TMI-Unfall wurde das Sicherheitskonzept der westlichen Kernkraftwerke intensiv überdacht und verbessert. Der TMI-Unfall zeigte, dass die Grundphilosophie der hintereinander gestaffelten Sicherheitsbarrieren wirkte und den Austritt grösserer Mengen radioaktiver Stoffe verhinderte: das Sicherheitsgebäude hielt stand und blieb weitgehend dicht. Das Grundkonzept der nuklearen Sicherheit hatte sich bewährt, versagt haben die dazu notwendigen Detailmassnahmen im technischen, organisatorischen und menschlichen Bereich. Hier wurde nun im Laufe der Jahre vieles verbessert und nachgeholt. Die Instrumentierung wurde verbessert und verfeinert: Sich verändernde Prozesse werden mittels unterschiedlicher physikalischer Phänomene gemessen; dadurch beruhen die Anzeigen auf voneinander unabhängigen Informationen. Die Ausbildung der Operateure und des Betriebspersonals wurde umfassender und intensiver. Die Verantwortung des Managements für die Sicherheit wurde klar herausgestrichen und geschult. Eine gelebte Sicherheitskultur in allen Bereichen eines Kernkraftwerks wurde zum Standard. Sicherheit ist eine ständige Arbeit. Auf Lorbeeren lässt sich schlecht ruhen – es braucht die Anstrengung aller, vom Top-Management bis zum Werkstattmitarbeiter, vom Planer bis zum Instandhalter. Alle sind gefordert, nur dann ist ein korrekt ausgelegtes, qualitätsgesichert gebautes und betriebenes Kernkraftwerk sicher. Dieser Grundsatz gilt heute genau so wie früher, auch wenn die heute neu gebauten Kernkraftwerke in der technischen Auslegung sicherheitstechnische Vorteile gegenüber älteren Anlagen aufweisen. Das Ziel ist und bleibt, eine Gefährdung der Umgebung durch den Betrieb eines Kernkraftwerks unter allen Umständen zu verhindern – und diesem Ziel sind alle wirtschaftlichen Überlegungen unterzuordnen. Gerade in der heutigen Zeit mit dem weltweiten Ruf nach vermehrtem Einsatz der Kernenergie zur Deckung der sich abzeichnenden Stromlücken und zur Reduktion der CO2-Emissionen darf dieses Ziel nicht ausser Acht gelassen werden. Sonst steigt die Gefahr eines zweiten TMI."
Hat jemand von euch Erinnerungen an die kritischen Tage des TMI-Unfalls? Oder hat vielleicht der Unfall von Tschernobyl die Erinnerung an den TMI-Unfall verblassen lassen?
Wie denkt ihr über das heutigen Sicherheitsniveau der KKW?
Soll man, wie "die Deutschen", aus der Kernenergie aussteigen oder wie die Schweizer den Bau von neuen KKW planen?
Vielleicht fühlt sich der eine oder andere User auch von diesem Thema angesprochen.
Gruss
Hartmut
Diesem Anlass hat die schweizerische Aufsichtsbehörde für Kernanlagen (ENSI) eine Sonderausgabe ihres ENSI-Newsletters gewidmet. Man findet dort Beiträge zum Ablauf des Unfalls und zu den Lehren daraus:
http://www.ensi.ch/fileadmin/deutsch/files/ensi-news-tmi-2-2009.pdf
Aus der Einführung des ENSI-Direktors:
"Am Mittwoch, dem 28. März 1979, kurz nach 4 Uhr in der Früh, stellten die Speisewasserpumpen im Block 2 des Kernkraftwerks Three Mile Island (TMI-2) ab. Was als normale technische Störung begann, entwickelte sich aufgrund technischer Mängel, menschlicher Fehler und organisatorischem Unvermögen zum bisher schwersten Unfall in einem westlichen Kernkraftwerk. Teile des Reaktorkerns schmolzen, und grosse Mengen radioaktiver Stoffe gelangten in den Primärkreis und ins Sicherheitsgebäude der Anlage. Glücklicherweise blieb das Sicherheitsgebäude während des gesamten Unfallablaufs weitgehend dicht, so dass die in die Umgebung freigesetzte Radioaktivität gering blieb. Es dauerte mehrere Tage, bis die Anlage völlig unter Kontrolle war und Entwarnung gegeben werden konnte. Tage, während denen die Menschen in der Umgebung des Kernkraftwerks unter Stress und psychischer Anspannung litten, bedingt durch eine völlig unzureichende und zum Teil widersprüchliche Informationen der offiziellen Stellen. Die berechnete Strahlendosis für die Bevölkerung blieb im Prozentbereich der natürlichen Strahlung, sie stellte letztendlich keine Gefahr für die Gesundheit dar.
Was sind die Lehren aus dem TMI-Unfall? Ein schwerer Unfall kann in einem Kernkraftwerk geschehen und ist nicht reine Utopie, wie es bis anhin angenommen wurde. Frühere Studien, insbesondere die 1975 veröffentlichte Risikostudie WASH-1400 Studie hatten aufgezeigt, dass ein schwerer Unfall zwar äusserst unwahrscheinlich ist, aber eben nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Der Unfall zeigte deutlich, dass es einer Reihe von Fehlern bedarf, bis es zu einem gefährlichen Störfallablauf kommt. TMI zeigte zudem, dass nicht nur technische, sondern insbesondere menschliche Fehleinschätzungen massgeblich zum Unfallablauf beitrugen, Fehleinschätzungen, die zum Teil auf mangelnde Ausbildung der Operateure, aber auch auf eine gewisse Überheblichkeit des Managements und des Herstellers zurückzuführen waren, die Hinweise aus Vorläuferereignissen in anderen Werken nicht ernst genug nahmen und nicht weiter leiteten. Dasselbe traf damals auch für die amerikanische Aufsichtsbehörde NRC zu.
Im Nachgang zum TMI-Unfall wurde das Sicherheitskonzept der westlichen Kernkraftwerke intensiv überdacht und verbessert. Der TMI-Unfall zeigte, dass die Grundphilosophie der hintereinander gestaffelten Sicherheitsbarrieren wirkte und den Austritt grösserer Mengen radioaktiver Stoffe verhinderte: das Sicherheitsgebäude hielt stand und blieb weitgehend dicht. Das Grundkonzept der nuklearen Sicherheit hatte sich bewährt, versagt haben die dazu notwendigen Detailmassnahmen im technischen, organisatorischen und menschlichen Bereich. Hier wurde nun im Laufe der Jahre vieles verbessert und nachgeholt. Die Instrumentierung wurde verbessert und verfeinert: Sich verändernde Prozesse werden mittels unterschiedlicher physikalischer Phänomene gemessen; dadurch beruhen die Anzeigen auf voneinander unabhängigen Informationen. Die Ausbildung der Operateure und des Betriebspersonals wurde umfassender und intensiver. Die Verantwortung des Managements für die Sicherheit wurde klar herausgestrichen und geschult. Eine gelebte Sicherheitskultur in allen Bereichen eines Kernkraftwerks wurde zum Standard. Sicherheit ist eine ständige Arbeit. Auf Lorbeeren lässt sich schlecht ruhen – es braucht die Anstrengung aller, vom Top-Management bis zum Werkstattmitarbeiter, vom Planer bis zum Instandhalter. Alle sind gefordert, nur dann ist ein korrekt ausgelegtes, qualitätsgesichert gebautes und betriebenes Kernkraftwerk sicher. Dieser Grundsatz gilt heute genau so wie früher, auch wenn die heute neu gebauten Kernkraftwerke in der technischen Auslegung sicherheitstechnische Vorteile gegenüber älteren Anlagen aufweisen. Das Ziel ist und bleibt, eine Gefährdung der Umgebung durch den Betrieb eines Kernkraftwerks unter allen Umständen zu verhindern – und diesem Ziel sind alle wirtschaftlichen Überlegungen unterzuordnen. Gerade in der heutigen Zeit mit dem weltweiten Ruf nach vermehrtem Einsatz der Kernenergie zur Deckung der sich abzeichnenden Stromlücken und zur Reduktion der CO2-Emissionen darf dieses Ziel nicht ausser Acht gelassen werden. Sonst steigt die Gefahr eines zweiten TMI."
Hat jemand von euch Erinnerungen an die kritischen Tage des TMI-Unfalls? Oder hat vielleicht der Unfall von Tschernobyl die Erinnerung an den TMI-Unfall verblassen lassen?
Wie denkt ihr über das heutigen Sicherheitsniveau der KKW?
Soll man, wie "die Deutschen", aus der Kernenergie aussteigen oder wie die Schweizer den Bau von neuen KKW planen?
Vielleicht fühlt sich der eine oder andere User auch von diesem Thema angesprochen.
Gruss
Hartmut
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