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Vernunft - Lehrgang über und mit ....

Original geschrieben von Robin
Danke, marjana, für die lehrreichen Ausführungen.

Ich möchte anregen, ob man auch versuchen könnte, die Vernunft vom so genannten "gesunden Menschenverstand" zu unterscheiden - denn dieser wird hier auch oft und ganz ernsthaft als offensichtlich "feste Größe" eingebracht.



Interessanter Gedanke!


Meiner spontanen Erstreaktion folgend, hätte ich mich auf das hohe Roß meiner neu erworbenen Kenntnisse:D gesetzt und so vor mich hinbeantwortet:

Na, unsere Philosophen machen ja einen Unterschied zwischen intuitiver Vernunft und rationaler Vernunft.

Das erschien mir dann aber allzu glatt zurückgequatscht.

Sind wir uns einig, dass jeder Mensch gemäß seinen genetischen Anlagen verschiedene Grade von Intelligenz aufweist. Das ist absolut nicht wertend.


Sind wir uns einig, dass alle Menschen, gemäß der intellektuell oder durch Erfahrung erworbenen Fähigkeiten in der Lage sein müssen, "intuitiv" das Richtige zu tun? ( mein Beispiel mit dem aus einem Boot Gefallenen).



Alos: Holzauge sein wachsam: schon aus diesen plausiblen Gründen muss Hausverstand etwas anders sein.

Und es muss was Wichtiges sein, denn sonst rühmten wir ihn nicht so oft, sei es an uns selbst oder an anderen.


Und da komme ich empirisch ( indem ich mal flugs Situationen durchdenke, in denen ich Hausverstand erlebt habe), zu folgendem Ergebnis.


Hausverstand scheint vorzuliegen, wenn ein Mensch gemäß seiner Verstandeskräfte, in der Lage ist, nach längerer oder kürzerer Überlegung oder sogar spontan, sein Tun ( mit Menschen oder an Sachen) an die Situation anzupassen.


Wenn ich zwar eigentlich einem Menschen sagen möchte, was ich ehrlich von ihm denke, tue ich das doch nicht, weil ich anders fürchte. Es sagt einem ja schon der Hausverstand, dass ich nicht angreifen soll, wo ich aller Voraussicht nach unterliege: sei es körperlich oder weil ich weiß, dass ich Verbalinjurien nicht so beherrsche wie der Mensch, dem ichs mal einisagen möchte.

Ich könnte zwar schlussfolgernd beweisen, dass ich formal im Recht bin, besäße auch genügend Mut, spontan zu reagieren: aber der Hausverstand, der Hausverstand zügelt mich.



Und so schließe ich ich mich Mara und Wirrlicht an: Vernunft ist kein Hausverstand, aber Hausverstand gibt es nicht ohne die Vernunft dessen, der "hausverständig" handelt. Haus ist für mich irgendeine Metapher (Bild) des mir Vertrauten, des Vorhersehbaren.


Zufrieden, Mister Robin?


Marianne
 
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Original geschrieben von Mara ich sag doch nur, dass man es jedem selbst überlassen soll, ob er vernünftig sein will oder nicht
Jedem selbst überlassen... prinzipiell ja, aber eben nicht den Kindern, darin besteht das Wesen der Erziehung, dass diesen gewisse Entscheidungen eben nicht selbst überlassen werden sollten.

und wenn das kindchen eben unvernünftig sein will hätte ich mir als kind gewünscht das jemand sagt: kein problem ... wenn das bein hin ist, bin ich da und sorge für dich ...
Ich kann mir vorstellen, dass Du selbst sehr bewusst (nur in diesem Satz) statt des Wortes "Bein" nicht das Wort "Kind" verwendet hast, weil die Aussage dann hinfällig würde.
Vernünftig ist aber die blosse Annahme: "schlimmstenfalls geht nur das Bein ein, nicht aber das ganze Kind" sicher nicht in jedem Fall oder jedem Kindesalter.
 
Original geschrieben von majanna

Zufrieden, Mister Robin?

Marianne

Nö. :)
Abgesehen davon, dass ich Hausverstand einen lustigen Ausdruck finde (kannte ich nicht), empfinde ich doch den "gesunden" Menschenverstand als nicht ganz so harmlos.
Der Ausdruck ist noch normativer als "die Vernunft" im allt. Sinn.
Schon das Wort "gesund" bringt als Negativseite den Ausdruck "ungesund" mit sich. Weiter Konnotationen sind normal/unnormal, konform/abseitig usw.

Das Wort kann (muss nicht) m.E. eine unzulässige Kompexitätsreduktion einleiten, um Leute zu sanktionieren, die eine Menge Wenns und Abers in petto haben - und die man gerne unterdrücken würde.

In einem philosophischen Diskurs hat er m.E. nichts zu suchen wegen der normativen Dimension. Im Alltag klingt er mir einfach ziemlich altbacken, wie der Ton eines Volksschullehrers in den 50ern :D
 
Original geschrieben von e-a-s
Jedem selbst überlassen... prinzipiell ja, aber eben nicht den Kindern, darin besteht das Wesen der Erziehung, dass diesen gewisse Entscheidungen eben nicht selbst überlassen werden sollten.

warum nicht ? ab wann soll es denn deiner meinung nach damit anfangen.
ich habe mir da ziemlich viele gedanken zu gemacht und bin dann dazu übergegangen mir das im reallife mal anzusehen.
es ist "vernünftig" kinder lange zeit die vernunft abzusprechen, bis sie selbst glauben, dass sie nicht zu vernünftigen handlungen fähig sind und plötzlich heißt es: Ups ... jetzt bist du aber schon groß und vernünftig. jetzt mußt du aber alleine machen. und dann machen diese großen kinder dasselbe, was mit ihnen ihre eltern gemacht haben und mit denen davor die großeltern und mit denen wiederum die urgroßeltern usw. usw. usw. ...
tatsache ist, dass ich konsequent danach gegangen bin und habe meinen sohn schon mit 3 jahren an den herd gestellt und kochen lassen. er kann seit ebendieser zeit ein scharfes küchenmesser benutzen und auch schere und feuer sind ihm nicht fremd. er ist einmal die treppe runtergefahren mit seinem bobbycar (loch im kopf) und einmal hat er sich mit dem küchenmesser geschnitten, was aber kein problem war und ruckzuck verarztet.
meine mutter vertritt deine philosophie und räumt alle möglichen gegenstände weg, selbst bastelscheren, die ausdrücklich für kinder gemacht sind.
fazit: 2 besuche im krankenhaus mit verdacht auf gehirnerschütterung. ein schreiendes kind mit einer brandblase, so groß wie ein finger, weil er auf die glühende platte ihres ceranfeldes gepackt hat. 2 narben über dem auge ...

ich lache dann immer ... zumal sie dann vollkommen hilflos ist und ich samariter spielen muss *lol*

ein weiterer aspekt dieses selbstvertrauens ist, dass er sich zB innerhalb einer stunde selbst das radfahren beigebracht hat und das er selbst den zeitpunkt entschieden hat, wann er alleine hier ins dorf gehen wollte und es noch nie probleme gab (toitoitoi) ... man nennt mich rabenmutter *grins* aber mir ist lieber, er weiß sich selbst zu helfen und seinen eigenen verstand zu benutzen !


Ich kann mir vorstellen, dass Du selbst sehr bewusst (nur in diesem Satz) statt des Wortes "Bein" nicht das Wort "Kind" verwendet hast, weil die Aussage dann hinfällig würde.
Vernünftig ist aber die blosse Annahme: "schlimmstenfalls geht nur das Bein ein, nicht aber das ganze Kind" sicher nicht in jedem Fall oder jedem Kindesalter.

was meinst du mit dieser einklammerung "(nur in diesem satz)" ... he ??? :krokodil:

diese frage berührt einen bereich über den ich hier im DenkForum nur ungern spreche. es hat was mit meinem glauben zu tun.
aber ich würde tatsächlich auch "bein" mit "kind" austauschen ...
wobei ich meinen sohn sehr liebe (naja - meistens). aber ich habe auch vorstellungen von einem leben ohne ihn ...
ich nenne das loslassen ...
ich will, dass er frei ist, frei sein eigenes leben zu leben ...
und ich glaube an das schicksal, wenn es der zeitpunkt ist zu sterben verhindere ich das so oder so nicht. ich glaube sogar eher, dass solche schlimmen unfälle eher den "vernünftigen" passieren um eben den menschen zu lehren, das man leben/tod nicht verhindern kann...

vielleicht ist das "hausverstand"? :D

lg mara
 
Original geschrieben von Robin

Das Wort kann (muss nicht) m.E. eine unzulässige Kompexitätsreduktion einleiten, um Leute zu sanktionieren, die eine Menge Wenns und Abers in petto haben - und die man gerne unterdrücken würde.

"kompexitätsreduktion" konnte ich im fremdwörterbuch nicht finden ?

lg mara :D

PS: sag mal ... kann es sein, dass das was du da beschreibst auch mit fremdwörtern geht ... ??? :p :p :p
 
Zuletzt bearbeitet:
Original geschrieben von Robin
Nö. :)
Abgesehen davon, dass ich Hausverstand einen lustigen Ausdruck finde (kannte ich nicht), empfinde ich doch den "gesunden" Menschenverstand als nicht ganz so harmlos.
Der Ausdruck ist noch normativer als "die Vernunft" im allt. Sinn.
Schon das Wort "gesund" bringt als Negativseite den Ausdruck "ungesund" mit sich. Weiter Konnotationen sind normal/unnormal, konform/abseitig usw.

Das Wort kann (muss nicht) m.E. eine unzulässige Kompexitätsreduktion einleiten, um Leute zu sanktionieren, die eine Menge Wenns und Abers in petto haben - und die man gerne unterdrücken würde.

In einem philosophischen Diskurs hat er m.E. nichts zu suchen wegen der normativen Dimension. Im Alltag klingt er mir einfach ziemlich altbacken, wie der Ton eines Volksschullehrers in den 50ern :D


Na, Du alter Mäkler: :)

Ich unterscheide eben nicht zwischen "gesundem" Menschenverstand und Hausverstand. Das ist für mich synonym.

Und wenn Du das weißt, darfst Du nochmals über meine Worte grübeln.


So viel ich erkenne, hat gesunder oder Hausverstand sehr sehr viel mit der Bewältigung des Alltäglichen (egal, wie Du Dich von diesem abzusetzen versuchst) zu tun.

Natürlich hat der Begriff ( beide) etwas mit Normen zu tun. Aber es sind eben Normen, die sich das handelnde Individuum im Akt des Handelns setzt, um zu seinem Ziel zu gelangen: Er hat etwas mit dem zu tun, was Brecht List nennt. Und so ist Hausverstand in dem Sinne gesund, in dem er der Stärkung des Ichs zuträglich ist. Mag es auch keine Stärkung im Sinne des Hochmoralischen sein: aber wozu auch? Mag es sogar "unvernünftig" im Sinne von vom Individuum selbst angestrebten ferneren Zielen sein, aber wie sagt Mariannchen Müller immer: Das Hemd ist einem näher als der Rock" - sogar oder auch der eigene.


Aber ich lege Wert auf die Feststellung, dass auch "gesunder" Verstand nicht ohne rationale Vernunft auskommt.
Ich kanns nicht lassen: ungesunden Verstand beweis der, der "sich selbst ins eigene Nest scheißt."


Deine weiteren Konnotationen kannst Du weiter ausschmücken oder sie uns in gesondertem Post nochmals zum "Fraße" vorwerfen.:D


Natürlich hast Du Recht, dass der gesunde Hausverstand in einem philosophischen Diskurs nicht zur Verfügung steht. Aber a) wir führen hier keinen solchen und b) leider, leider, denn sonst würden so viele Philosophen nicht dasselbe mit jeweils neu erfundenen Definitionen sagen.


Bis dann


Marianne
 
Original geschrieben von Mara
warum nicht ? ab wann soll es denn deiner meinung nach damit anfangen.
Dass entscheidet jeder nach seiner "Vernunft" individuell, ob über das, was "vernünftig" bedeutet, Einvernehmen zu erzielen ist, diskutieren wir hier ja gerade. Auf keinen Fall darf damit natürlich etwa "plötzlich" angefangen werden, wie Du es beschrieben hast.

Ich glaube sogar eher, dass solche schlimmen unfälle eher den "vernünftigen" passieren um eben den menschen zu lehren, das man leben/tod nicht verhindern kann...
Gegen Aussagen, die mit "ich glaube" eingeleitet werden, lässt sich weder logisch und noch vernünftig und damit eben gar nicht argumentieren. Persönlich halte ich eher das Gegenteil für richtig.
Allerdings entsteht für mich der Eindruck, dass Du bei Deinen grundsätzlichen Erziehungsentscheidungen weitgehend von "Vernunft" gesteuert vorgegangen bist, die Relevanz der wesentlichen Parameter wird eben von Fall zu Fall und je nach "Glaubenslage" unterschiedlich bewertet. Die Auffassung Deiner Mutter scheint von der "goldenen Mitte" unvernünftig weit entfernt gewesen zu sein.
Der Rest Deiner Ausführungen muss einfach respektiert werden, allerdings haben nach meiner Erfahrung selbst "wahre Gläubige" (zumindest in religiöser Hinsicht) noch keine Vereinbarkeit von "Glauben" und "Vernunft" behauptet.
 
Original geschrieben von majanna
Natürlich hast Du Recht, dass der gesunde Hausverstand in einem philosophischen Diskurs nicht zur Verfügung steht. Aber a) wir führen hier keinen solchen ...
Hab´ ich etwas mit den Augen, oder läuft der thread hier in der Rubrik "Philosophie"?

Wer kann mir mal die Notwendigkeit erläutern, "Vernunft" in Bezug auf "Alltägliches" und "Nichtalltägliches" unterschiedlich zu definieren oder zu werten ?
 
Liebe Mara und majanna,

ich glaube nach wie vor, dass dies kein philosophischer oder wissenschaftlicher Diskurs sein kann, auch wenn e-a-s oder sich "methodisch verwandt" fühlende dies vielleicht glauben.

Majanna hat AUSDRÜCKLICH gesagt, dass wir hier als nicht Fachphilosophen, also quasie als Laien uns dem Begriff Vernunft annähern wollen.

Mara, ich hab mich vertippt, es heißt Komplexitätsreduktion. Also: Vereinfachung. Manche Begriffe haben sich bei mir so eingebürgert als fleißiger Niklas Luhmann-Leser. Natürlich protze ich ab und an mit Fremdwörtern, manche mag ich aber aus ästhetischen oder Genauigkeitsgründen lieber als deutsche Pendants oder umständliche Beschreibungen.

Nichts für ungut ;)

P.S. Wie ist das deutsche Pendant zu "Pendant"? :D
 
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