eine vergilbte photographie
aber freilich braucht alles sein publikum, um sich ins gewühl zu stürzen. die etceteramäßigen verirrungen bleiben in der schreibenden anonymität wie nebensächliche details als gescheiterte missgeburten an meinen händen kleben, während sich die erinnerungsbilder auf mich stürzen.
eigentlich wollte ich als erzählerin die bühne betreten, um eine geschichte aus der luft zu greifen, die sich zu meiner kinderschlafstätte geschlichen hat, mit einem messer zwischen den zähnen. das wüten innerhalb einer kläglichen sprachlichkeit, die sich eine tätowierung in die seele brennt, weil ich gestern am unteren ende der berggasse vor der buchhandlung einen huflattich habe blühen sehen. dort, wo vor langer zeit klammheimlich der freud durch die gardinen spähte, als sei er ein raubvogel, während am heldenplatz sich die wiener die seelen aus den lungen brüllten. obwohl sie doch nur eine haben.
ja, ich kenne mein wien, wie manche ihre westentasche. und die großmutter am kinderbett sitzend, erzählte von ihrer mutter, die uns fortgenommen wurde und zu rauch ins wolkenlose trieb.
als kind habe ich theresienstadt als rubens höllensturz empfunden, den ich aus den büchern meines vaters kannte. ganz oben, nur mit wippenden zehenspitzen zu erreichen.
morgen, liebe urgroßmutter, gehe ich zum judenplatz, um tränen zu weinen. dann lasse ich eine träne über meine wange mäandern. das kolumbarium, wo zu den ghettozeiten die asche gelagert wurde, ist unter schlamm begraben. so wie andere in die westentasche weinen, so werde ich mich ins leben apportieren. eine vergilbte photographie von dir trage ich noch immer in meinem geldbeutel durch deine stadt, die auch die meine ist. nur die menschen scheinen dich schon lange vergessen zu haben.
Copyright © umananda