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Spaziergang...

Offside

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Registriert
24. Juni 2007
Beiträge
248
Es ist schon spät…und trotzdem laufe ich, getrieben von dieser inneren Unruhe, die ich so hasse, durch die nächtlichen Strassen. Ich sollte nicht mehr unterwegs sein, schon gar nicht allein.
Ich schaue hoch zum Mond. Ich sehe, wie sein fahles Licht auf die Strasse fällt, die mein Weg sein soll. In der Ferne höre ich einen Hund bellen. Bald verstummt er…wie damals meine schwachen Hilferufe.

Ich gehe weiter durch die Nacht. Die Gedanken kreisen. Wie hätte ich einst dem allen entkommen können? Wer hätte sich der kleinen Seele angenommen, die umherirrte und nach etwas suchte, von dem sie nicht wusste, was es ist?
Ich will nicht zurück in die alten Zeiten. Niemals. Und doch treibt mich etwas in mir dorthin, wo meine Seele in Scherben zerbrach, wo für immer die Kerze erlosch.
Fasziniert und gleichzeitig todtraurig beschäftigt mich mal wieder, wozu der Mensch so fähig ist. Nicht nur das, was in der grossen weiten Welt passiert, Kriege, Folter, Mord…auch das, was meist im Verborgenen geschieht, von dem nur wenige wissen. Und mal wieder vergesse ich dabei, mich mit dem wohl Wichtigsten zu befassen, was jeder Mensch tun sollte. Ich mache mir keine Gedanken über mich selbst, über das, was tief in mir passiert, was mich selbst bewegt. So war mein ganzes Leben. Nie dachte ich über mich nach. Ich ignorierte tunlichst, was in mir war. Dabei war es doch so viel. Es durfte niemals raus.
Ganz selten nur kam durch einen kleinen Riss eine Träne, ein Gedanke, mal ein Wort. Der Schmerz war mächtig. Ich bestrafte mich selbst für das Geschehene. Ich verstand nicht.
Der Druck stieg.

Ich laufe weiter durch die Nacht, suche nach Erklärungen für Dinge, für die es keine Erklärungen gibt. Und wieder ein Gedanke. Wird der Schmerz zu heftig, wird man dann ohnmächtig? Welche Erlösung. Kann man vergessen? Ein Segen. Damals schrieb ich noch nicht. Es staute sich. Und irgendwann brach alles zusammen. Es war zu spät. Zu spät, um noch etwas dagegen zu tun. Zu spät, es zu verhindern. Ich hatte verloren…den langen inneren Kampf verloren.

Nein, noch war nichts verloren. Ich stand wieder auf und ging weiter. So wie jetzt, immer weiter. Immer darauf bedacht, niemanden zu dicht herankommen zu lassen. Kommt mir jemand entgegen, wechsele ich die Strassenseite. Ein Bedürfnis nach Nähe gibt es nicht mehr. Nur nach Ruhe, Ruhe vor anderen und vor mir selbst. Ich bin scheu geworden. Auch das schmerzt. Es brodelt und brennt. Unruhe und Selbsthass…überdeckt durch äussere Härte.

Mein Innerstes war verschlossen, auch für mich. Ich suchte vergeblich nach Gefühlen in mir. Sie wurden damals schon getötet. Ich hielt es für normal. Geduckt vor nicht realen Gefahren ging ich durchs Leben. Immer achtsam, immer auf der Hut vor allem und jedem. Der Schmerz wurde grösser, längst Vergessenes arbeitete in mir weiter und ich merkte es nicht.
Ich trieb mich selbst in die Isolation, sah nicht mehr nach links oder rechts. Wollte nichts mehr wahrnehmen. Es war soweit…ich war allein. War es das, was ich wollte? War ich glücklicher damit?

Ich spüre wieder, wie tief ich verletzt war…und noch heute bin. Wie konnte ich das alles ertragen und trotzdem weiterleben? Wieder weine ich…Tränen der Verzweiflung und der Trauer. Und wieder bin ich auf der Suche nach dem, was ich damals verlor.
Heute, mit mehr Wissen und Reife, gehe ich weiter durch die Nacht. Über die vom fahlen Mondlicht beschienenen Strassen. Jetzt schon mit einigen Antworten auf alte, längst vergessene Fragen.

Nur mein nächtlicher Spaziergang ist noch lange nicht zu Ende…



Off...
12.07.2007
 
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AW: Spaziergang...

Ich gehe weiter. Die Strassenlaternen sind zu grell, viel zu grell für meine an die Dunkelheit gewöhnten Augen. Sie bringen meine Tränen zum glitzern. Ich wische sie fort. Wie immer, damit niemand sieht, was in mir vorgeht.
Ich werfe Schatten, mal kurz, mal lang…die Schatten der Vergangenheit.
Ich bin weiter auf der Suche…auf der Suche nach meinem alten Leben. Ich will es, verdammt noch mal, wiederhaben. Aber es ist weg. Ich muss etwas Neues suchen…oder aufgeben.

Ich schaue an der Häuserreihe hoch. Vereinzelte erleuchtete Fenster werfen gelbliches, kaltes Licht nach draussen. Ich beginne zu frieren. Mir ist so kalt, als würde eine Hand aus Eis mein Herz und meine Seele umklammern. Ich erstarre innerlich. So wie damals, kein Gefühl. Kein Gefühl? Doch…da ist noch was. Angst…Angst und abgrundtiefes Entsetzen…NICHTS wäre mir lieber.

Auf den Strassen ist es ruhig…ungewöhnlich ruhig für eine Großstadt, selbst zu dieser späten Stunde. Ich geniesse es. In meinem Kopf ist es laut genug, da habe ich es wenigstens von aussen gern geräuschlos...oder zumindest leise.
Meine Gedanken wandern unbewusst mal wieder in die Vergangenheit. Wie war das doch gleich? Damals, als ich keinen Weg mehr sah? NEIN…nicht daran denken. Nur die Zukunft ist noch wichtig. Und trotzdem…eine sehr lange Zeit verhallten alle Hilferufe und Schmerzensschreie ungehört. Dann wurde ich still…schweigsam. Schweigen begleitet mich jetzt schon so lange, dass ich fast fürchte, ich habe das Reden verlernt.

Mein Weg führt mich vorbei an den Wochenendgrundstücken der oberen Mittelschicht. Ich mag diese Gegend nicht. Meine Assoziationen damit gefallen mir ebenso wenig. Jedes Mal, wenn ich da vorbeilaufe, beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Ich merke, wie langsam die Angst in mir hochsteigt. Aber warum? Was war passiert? Ich kann mich nicht erinnern…

Ich laufe schneller, renne fast…bis ich aus dieser Gegend heraus bin. Mein Puls beruhigt sich wieder. Ich spüre, wie auch etwas in mir wieder ruhiger wird.
Hier stehen jetzt schon keine Häuser mehr, nur alte Bäume. Ich liebe sie. Beständigkeit, Ruhe und Vertrauen. Ich wäre auch gern so wie diese Bäume. Ich werde es niemals schaffen. Meine innere Unruhe ist wieder so heftig, dass ich kaum mehr schlafen kann. Dabei wäre es so nötig.

Ich laufe immer weiter und weiter. Ich weiss nicht, wo mich der Weg hinführt, ich weiss nur, dass ich weitergehen muss. Und ich bin noch lange nicht zu Hause…


Off...
24.07.2007
 
AW: Spaziergang...

Traurig schön......
Die Vergangenheit, die einen nicht ruhen lässt - immer wieder einholt....
Das Sehnen, nicht mehr zu fühlen, weil das was man fühlt einfach zu weh tut......u man noch lang nicht am Ziel ist, aber fast keine Kraft mehr hat weiter zugehen....
Mir gefällt die Geschichte sehr :kuss1:
C.
 
AW: Spaziergang...

Traurig schön......
Die Vergangenheit, die einen nicht ruhen lässt - immer wieder einholt....
Das Sehnen, nicht mehr zu fühlen, weil das was man fühlt einfach zu weh tut......u man noch lang nicht am Ziel ist, aber fast keine Kraft mehr hat weiter zugehen....
Mir gefällt die Geschichte sehr :kuss1:
C.

Dankeschön... :)
Ich schreibe gerade an der Fortsetzung. Vielleicht wird es heute noch was.
 
AW: Spaziergang...

Langsam steigt Nebel auf. Mir erscheint es fast so, als würde es noch dunkler werden. Kaum kann ich die Hand vor Augen sehen. Und trotzdem…muss ich weitergehen. Ich habe es doch versprochen. Habe ich nicht vor sehr langer Zeit schon gelernt, dass man Versprechen halten muss? Ich würde mich viel lieber auf die Bordsteinkante setzen und so lange da sitzen bleiben, bis ich nicht mehr weiss, warum ich diesen Spaziergang begonnen habe. Aber ich tue es nicht.

Bin ich nicht inzwischen schon zu weit gelaufen…nicht viel zu schnell gerannt?
Eine Hand legt sich eisern auf meine Brust. Ich habe Mühe, zu atmen und muss langsamer gehen.

Ich weiss nicht mehr, wo ich bin. Die Gegend ist finster und verlassen. Etwas (jemand?) in mir ist verängstigt, wendet sich ab und weint lautlos. Ich spüre die tiefe Trauer, die daraus spricht. Einsamkeit lastet schwer auf meiner Seele…wie so viele andere Dinge auch. Der Schmerz bohrt sich tiefer in mein Herz. Ich muss die Hand auf die linke Brustseite pressen, um es zu ertragen. Wie gern würde ich mich betäuben, mein Inneres töten, um nicht mehr fühlen zu müssen. Die Dunkelheit verbirgt meine Tränen, so wie sie es immer getan hat. Das erinnert mich an Zeiten…unendlich lange her erscheint es mir…als ich noch nicht wusste, warum es so sehr weh tut. Als ich zusammengekrümmt im Bett lag, an nicht geweinten Tränen fast erstickte und mir nichts sehnlicher wünschte, als dass der Schmerz endlich aufhört. Er hörte niemals auf, bis heute nicht.

Der Nebel wird dichter. Das einzige Geräusch in dieser Nacht sind meine langsamen Schritte auf dem harten Strassenbelag. Sollte ich nicht doch besser stehen bleiben? War es die falsche Entscheidung, mich auf den Weg zu machen? Ich fühle, wie meine Kraft schwindet…und mit ihr auch mein Glaube daran, dass es jemals anders wird.
Es kann niemals so viele schöne Dinge geben, dass die schrecklichen dahinter verblassen. Es wird kein Glücklichsein geben.

Jeder Schritt wird immer schwerer…als hätte ich Blei an den Füssen. Ich sollte eine Pause machen, aber das geht nicht. Wenn ich nicht weiterhin mechanisch einen Fuss vor den anderen setze, werde ich letztlich zusammenbrechen. Das kann ich deutlich spüren. Dabei ist jeder Schritt so nichtig.
Nein, ich werde mich nicht umdrehen. Ich will dieses kleine bedeutungslose Stück Weg, das hinter mir liegt, nicht sehen.

Vielleicht wird irgendwann der Nebel lichter?


Off...
26.07.2007
 
AW: Spaziergang...

gute fortsetzung
deine wortwahl.... schön
aber langsam wird man sehr gespannt(u vll wird es auch Zeit) zu enthüllen, was denjenigen so quält, was ihm schreckliches wiederfahren ist.........
nicht die ganze Enthüllung, aber vll mit jedem Stück des weges ein kleiner Rückblick..........
trotzdem gut
C.
 
kleine Ergänzung

"Die Erinnerung ist das einzige Paradies, woraus wir nicht vertrieben werden können."

Jean Paul
 
AW: Spaziergang...

@C.: Ich weiss noch nicht, wie weit ich dabei gehen soll. Erinnerungen werden immer wieder eine grosse Rolle spielen. Mal sehen, was davon ich einfliessen lassen kann. Ehrlich gesagt, möchte ich nicht allzu deutlich dabei werden.


@runner: Erinnerungen sind nur leider nicht immer ein Paradies...oder wolltest du mir nur den Verfasser des Spruchs sagen? ;)
 
Aw

" ... oder wolltest du mir nur den Verfasser des Spruchs sagen?"

So ist es.
Die Meinung von Jean Paul teile ich aber auch nicht.
 
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AW: Spaziergang...

@off...: ja, ich denke auch, dass du "den Wind aus den Segeln" nehmen würdest, wenn du jetzt einfach anfangen würdest enthüllen, aber kleine Hinweise Andeutungen, was gewesen sein könnte, die den Leser zum Nachdenken anregen, was ihm wiederfahren ist.....

Erinnerung sind ein schmerzhaftes Paradies.....
Eigentlich spiegeln sie unser Leben wieder, nur dass wir im nachhinein vll um eine Erfahrung reifer sind und die Fehler sehen...........

C.
 
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