AW: Selbstkontrolle verlieren am Beispiel Lachanfall
Hallo Lacuna!
Hat ein bisschen gedauert, bis ich jetzt auch etwas zu deinem Thema beitragen kann. Ich hab erst in meinen Erinnerungen wühlen und nachstöbern müssen, wie das bei mir war. Ich kann mich nur an einen einzigen unkontrollierbaren Lachanfall erinnern, der mir in den letzten Jahren passiert ist. Das war 1994 bei der Feier des 75.Geburtstags meiner Mutter, als meine älteste Schwester versuchte, die Rolle meiner längst verstorbenen Großmutter zu übernehmen, und einen strengen Blick über die anwesenden Kinder und Enkel meiner Mutter streifen ließ, der uns sowas wie Respekt vor dem feierlichen Augenblick einbläuen hätte sollen, aber meine kleine (um 2 Jahre jüngere) Schwester und mich zu unserem letzten gemeinsamen und sehr ausgiebigen Lachanfall reizte. Meine Mutter meinte sogar, dass das ein Höhepunkt ihres Festes gewesen sei, denn nach und nach stimmten alle in unser Gelächter mit ein, sogar die große Schwester konnte sich nicht mehr dagegen wehren, und wir "zerwuzelten" uns sicher eine Viertelstunde lang, bevor endlich die feierliche Rede gehalten werden konnte. Der Stimmung hat das sehr gut getan.
Ich erinnere mich nun auch sehr gut an die Lachanfälle unserer Kindheit, die meine kleine Schwester und ich gemeinsam erlebten. Und da erinnere ich mich besonders an solche, die uns entweder in der Kirche, beim Gottesdienst, wenns ganz besonders still und feierlich zuging, überfielen, oder beim Abendgebet, das ein von unserem Vater geleitetes, streng überwachtes Ritual war, und uns wahrscheinlich deswegen immer wieder zum Lachen reizte. Es genügte, wenn auf der Glatze meines Vaters, der vor uns Kindern saß, eine Fliege hin und her spazierte. Meine Schwester warf nur einen kleinen Blick zu mir herüber und schon mussten wir - anfangs natürlich nur ganz leise und vorsichtig - losprusten. Jeder Blick verstärkte den Lachreiz, und die strafenden Blicke meiner Oma oder der Brüder, die befürchteten, dass Vater deswegen auch noch schimpfen würde, machten die ganze Sache noch viel viel schlimmer.
Solche Szenen spielten sich auch beim sonntäglichen Familienmittagessen ab, wenn Besuch da war und meine Oma wollte, dass wir ganz besonders manierlich und lieb sein sollten. Grad da ging es einfach nicht. Wir nahmen uns sogar vor, diesmal wirklich darauf zu achten, dass uns kein Lachanfall überrumpeln könnte, aber das war glaube ich noch ärger.
Ich hab dieses Gepruste, das sich bis zu einem Gewieher steigerte, wobei meine Schwester und ich oft vom Ort des Geschehens weggehen mussten, um die andern nicht zur Weißglut zu treiben, so in Erinnerung, dass wir uns erlöst fühlten von der Enge und dem Gehorchen Müssen, auch vor der autoritären Faust unseres Vaters, der gegen unser Lachen kein Mittel wusste. Es hat viele Situationen gelockert, die schon sehr ernst und streng geworden waren.
Meine Schwester und ich standen uns in diesen Momenten sehr nahe, wir waren die jüngsten von sieben Kindern. Manchmal wurde auch noch der nächstältere Bruder angesteckt. Meine Mutter ließ sich auch manchmal anstecken, aber mein Vater und meine Oma niemals. Die wurden immer strenger, wollten uns befehlen, mit Lachen aufzuhören, während wir uns krümmten und versuchten, ein ernstes Gesicht zu machen.
Wenn ich mir diese bösen, schimpfenden Gesichter meines Vaters und meiner Großmutter heute vorstelle, dann erscheinen sie mir eher lächerlich als zum Fürchten. Sie wollten dem Leben verbieten zu leben. Durch die Lachanfällte brach es sich aber immer wieder einen Weg.
Danke Lacu! Hat Spaß gemacht, mich zurück zu erinnern.