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Rudi Carnap

Coeur Froid

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Registriert
22. April 2003
Beiträge
349
Hallo zusammen!

Ich hatte über das Wochenende das zweifelhafte Vergnügen, mich mit Rudi Carnaps "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" aus dem zweiten Band der "Erkenntnis" von 1931 zu beschäftigen.

Meiner Auffassung nach ist dieser Aufsatz eine fahrlässige Ansammlung von Pauschalisierungen, Fehldeutungen und schlicht falschen Sachverhalten. Ich werde hier versuchen, die Thesen herauszuarbeiten, denen ich am heftigsten widerspreche und hoffe, dass ihr Stellung dazu beziehen wollt.
Ich hoffe, ich kann es einigermaßen übersichtlich darstellen, ich bitte um Nachsicht ;)

So ist allein seine einleitende Untersuchung des Satzes (bzw. der "Bedeutung eines Wortes") dahingehend fragwürdig, als dass die von ihm als einfachst anzunehmende Grundform dargestellte Form "x ist y" als grundlegende und zwingende sprachliche Form völlig zweifelhaft ist. Die abstrakte Überlegung, dass ein sinnvoller und verifizierbarer Satz einer Sache einen Umstand oder eine andere Sache zuschreiben müsste, scheint er selbst nicht stringent nachzuvollziehen, da er Descartes einen Verstoß gg. diese logische Prämisse vorwirft, wo er offensichtlich KEINE begeht (-> "cogito ergo sum").

Weiterhin lässt sich Carnap über die - seiner Meinung nach - bedeutungsfreien Worte der Metaphysik aus, wobei er als erstes Beispiel das "Prinzip" anführt und unterstellt, dieses würde in der Metaphysik in Notationen wie "x geht hervor aus y" ausschließlich in der nicht- konventionellen Bedeutung von "hervorgehen" genutzt und sei somit ein semiotischer "Taschenspielertrick".
Weiterhin unterstellt Carnap, dass die ursprüngliche Bedeutung des principium (=Anfang) von der Metaphysik explizit unterdrückt würde.
Ich habe daraufhin einen schüchternen Blick in das 5. Buch der aristotelischen Metaphysik geworfen und festgestellt, dass hier im ersten Kapitel gut 7 Definitionen von "Prinzip" gegeben werden, wobei explizit (!!) auf die Gemeinsamkeit der Bedeutung im jeweiligen "Anfang" / Begin einer Sache / Bewegung verwiesen wird!!! Rein formal geht Aristoteles sogar über diese Definition hinaus und findet in der Darstellung der Substanzen eine sehr reflektierte und differenzierte Ausgestaltung ontologischer "Prinzipien"!

Besonders beim Begriff "Gott" wird die Beschränktheit des carnapschen Wahrheitskriteriums (x ist [ein/e] y) deutlich: aus dem nicht- Vorhandensein eines definiten Gottesbegriffe (x ist ein Gott) versucht er eine grundsätzliche Scheindefinität der Metaphysik abzuleiten. Dabei wird gerade bei z.B. Descartes auch deutlich, dass eine "metaphysische Theologie" per se gar nicht existiert sondern auch sehr stark an die empirische (z.B: christliche) Theologie angelehnt ist. Weiterhin wird spätestens hier offensichtlich, dass neben dem kategorial geprägtem (x ist [ein/e] y) auch das kausale bzw. finale logische und (!) sprachliche Konstrukt (x bewirkt y) notwendig sein muss, da der Begriff "Gott" aus semiotischer Sicht sehr wohl besetzt und sinnvoll ist und es lediglich an einer konkreten Zuweisung (nicht aber an Definität) mangelt.

Auch die Überlegung zu den "Scheinsätzen", d.h. Sätze, die syntaktisch zwar korrekt, inhaltlich auf Grund eines "Feldfehlers" nicht zulässing sind (Caesar ist eine Primzahl), halte ich für sehr zweifelhaft:
So fordert Carnap eine nicht nur grammatische Unterscheidung (Substantiv, Adjektiv) sondern auch eine "logische" - wie er es nennt. Dies mag an dem von ihm angeführten Beispiel "Feldherr - Primzahl" zwar noch ersichtlich sein, da die Primzahl nur Zahlen, der Feldherr jedoch nur Menschen zukommt, wird aber schon anhand des von Carnap später erwähnten "Der Tisch ist größer(1) als jener Tisch - Der Tisch ist von größerer(2) Höhe als jener Tisch" als illusorisch entlarvt. Eine semantisch (oder "logisch") - grammatikalische Differenzierung der Worte ist schlicht nicht möglich (es dürfte kein adjektiv mehr zugleich von einem Ding, einer Zahl oder einem Menschen etc. angenommen werden können) und zudem auch gar nicht wünschenswert oder sinnvoll, da abstrakte Gedankengänge m.E. erst durch einen leicht abgewandelten konventionellen Sprachgebrauch begriffen und dargestellt werden können.
Zustimmen muss ich Carnap aber in der Betrachtung Heideggers "Was ist Metaphysik", die sich offensichtlich der Vermengung verschiedener "Felder" bedient ("Das Nichts ist ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung", "Die Angst offenbart uns das Nichts - Wovor und warum wir uns ängsteten war 'eigentlich' nichts").

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Ich denke, ich werde hier 'mal lieber einen Punkt machen, das waren nur die "krassesten" Formulierungen und Ausführungen Carnaps.
Mich würde sehr interessieren, wie ihr die angesprochenen Punkte empfindet, ich kann mir kaum vorstellen, dass man einen so namenhaften Philosophen so offensichtlicher Fehler überführen kann?!

schönen Gruß,

cf
 
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Hallo noch'mal,

ich hoffe, ich habe nicht ZU VIEL Blödsinn geschrieben, gibt einem immer zu denken, wenn keiner Antwortet :/

Ich wollte nur noch anfügen, dass ich das Wahrheitskriterium Carnaps sicher etwas vereinfacht, wenn nicht gar fälschlich reduziert dargestellt habe; auch wenn Carnap keine explizite Differenzierung vornimmt, so ist doch zwischen dem bloßen Wahrheitskriterium und dem "Verifizierbarkeitskriterium" zu unterscheiden, die von mir vorgestellt Gleichung (x ist ein[e] y) ist somit durchaus zu kritisieren, die Prinzipielle Ablehnung der carnapschen Kriterien ist davon (zum Glück ;)) nicht betroffen...

gute Nacht,

cf
 
Geschätzter *Coeur Froid*, du schriebst:
... gibt einem immer zu denken, wenn keiner Antwortet ...

Na, is ja klar: wenn man von der Materie, die du oben ansprichst,
keine Ahnung hat, kommt auch keine Reaktion von anderen *gg*

Übergeordnet du deinem Beitrag meine ich:
Egal, welchen Philosophen du liest, dann analysierst,
aus deiner subj. Sicht bewertest und kritisch zerpflückst:
Du findest dann Gleichgesinnte und auch Widerparts.
Ich halte es da mit der folgenden Weisheit:

Glaube nicht an die Macht von Traditionen,
auch wenn sie über viele Generationen hinweg
und an vielen Orten in Ehren gehalten wurden.
Glaube an nichts, nur weil viele Leute davon sprechen.
Glaube nicht an die Weisheiten aus alter Zeit.
Glaube nicht, daß deine eigenen Vorstellungen
dir von einem Gott eingegeben wurden.
Glaube nichts, was nur auf der Autorität deiner Eltern,
deiner Lehrer, deiner Vorgesetzten oder Priester basiert.
Glaube nur das, was du durch Nachforschungen selbst
geprüft, überprüft und für richtig befunden hast
und was dadurch gut ist für dich und für andere.
(Gautama Buddha, in der Kalama Sutta; erg.v.A.K.)
LG, spitzeFeder
 
Hi spitzeFeder!

Nur kurz zu dieser Generationen- Sache:

Ich stelle immer wieder fest, dass diese Einsicht erschreckend richtig ist, nur wenige Philosophen sind heute noch uneingeschränkt gültig, obgleich sie sich bemühten möglichst rational und "vernünftig" über das zu schreiben, was sie beschäftigte.

Aber gerade bei Carnap werden m.E. logische Fehler offensichtlich, die ich bei einem Philosophen des 19. / 20. Jahrhunderts einfach nicht mehr nachvollziehen kann, da die entsprechenden Bereiche (z.B. Semitotik) zu dieser Zeit schon weit erforscht und auch geklärt waren.

Danke für deine Antwort,

cf
 
Rudi wer...?

War es nicht Kant, der bewies, dass ein Gottesbeweis unmöglich ist?
Also auch ein Anit-Gottesbeweis.
Dass Gott nicht existiert, kann man aufgrund von Beobachtung herausfinden und dann Urteile fällen, die auf Wahrscheinlichkeiten beruhen.
Also finde ich es vor allem sehr unwahrscheinlich, dass es ihn gibt. Das kann ich nicht beweisen. Aber nach meiner Beobachtung ergibt die Annahme seiner Nichtexistenz weniger Inkonsitenzen in meiner Beobachtung.

Dass es in den 30ern Versuche gab, Beweise derart mit Logik oder Naturwissenschaft zu führen, ist wohl historisch verständlich. Fing zu der Zeit nicht auch Pawlow an, das Verhalten auf Reflexe reduzieren zu wollen?
Beide begingen wohl den Fehler einer zu weitreichenden (ideologiebedingten) Komplexitätsreduktion.
 
Original geschrieben von Coeur Froid
Ich stelle immer wieder fest, dass diese Einsicht erschreckend richtig ist, nur wenige Philosophen sind heute noch uneingeschränkt gültig, obgleich sie sich bemühten möglichst rational und "vernünftig" über das zu schreiben, was sie beschäftigte.

Stellt sich die Frage, worin der "Schreck" besteht.
Einerseits kann der Wandel in der angeblichen Gültigkeit philosophischer Erkenntnisse auf Fortschritt in der Vernunft-Entwicklung der Menschheit hindeuten, andererseits darauf, dass manche "namhaften" Philosophen dieses Attribut vielleicht gar nicht verdienten.
Einerseits kann die Erkenntnis "nur selber denken macht weise" beruhigend wirken, andererseits kann sie bei der Mehrheit Orientierungslosigkeit bewirken.
Wer "wissen" will, vermehre sein Wissen, wer "glauben" will, der glaube, die meisten Menschen werden wohl irgendwo dazwischen leben.
 
@Robin: Ein Gottesbeweis war hier gar nicht zur Diskussion gestellt, Carnap versucht lediglich zu beweisen, dass der Begriff selbst "leer" sei, die Metaphysiker ihn also zu einem Scheinbegriff umfunktioniert haben.
Leider ist diese Behauptung Carnaps nicht zutreffend; Kant hat im Übrigen nicht prinzipiell beweisen wollen, dass Gottesbeweise (un)möglich sind, er hat lediglich herausgestellt, dass der menschliche Verstand nicht in der Lage ist, einen stringenten Beweis zu führen; dieses hat er getan, indem er EXISTENZ und NICHT- EXISTENZ bewiesen hat, was ein grundsätzlicher logischer Widerspruch sein dürfte ;)

@e-a-s
Grundsatz beim Gespräch: Vom Besten ausgehen.

Die von dir genannten Aspekte sind selbstverständlich und in diesem Sinne indiskutabel. Letztlich sind sie jedoch nur die Kehrseite des von mir genannten Aspektes.
Da sich z.B. die Ontologie mit dem "Sein" an sich beschäftigt, ist es NATÜRLICH unbefriedigend, dass die Erkenntnisse so offensichtlich abhängig vom "Zeitgeist" sind. Dies ist kein Zeichen von sich entwickelnden Verstandestätigkeiten sondern schlicht ein Indiz der von Kant untersuchten Unzulänglichkeit desselben.

Die Umdeutung des Unzulänglichem zu "sich entwickelndem" ist somit rein euphemistisch.

g'n8

cf
 
Original geschrieben von Coeur Froid
Dies ist kein Zeichen von sich entwickelnden Verstandestätigkeiten sondern schlicht ein Indiz der von Kant untersuchten Unzulänglichkeit desselben.

Entschuldige bitte, so lange diskutieren wir noch nicht miteinander, dass ich davon ausgehen durfte, Du sähest das so eindeutig.
Solche Haltungen hier zu äussern, bringt nach meiner Erfahrung leicht den Vorwurf verwerflicher Überheblichkeit ein.
Im Grunde wollte ich nur darauf hinweisen, dass diese an sich selbstverständlich bedauerliche Tatsache nicht zwangsläufig "erschrecken" muss, bzw, wenn, dann nur den, der bislang utopischere Vorstellungen gepflegt hat.

(Im Übrigen: Abgesehen vom NICHTS ist nichts unmöglich!)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi e-a-s,

du hast völlig Recht, meine Antwort war sicher etwas "angreifend" und vorschnell. Auf mich wirkte dein Beitrag so, als ob du meine Formulierung aus "purer Lust" angreifen würdest, da ich sie selbst recht offensichtlich fand.

Ich werde meinen eigenen Vorschlag wohl etwas mehr beachten und selbst vom "Besten" ausgehen, was derartige Einwände angeht ;).

Entschuldige also meinen "Ton" in diesem Fall, sicher war er unangebracht!

cf

P.S. Deinen Nachsatz kann ich nicht ganz einordnen, ich habe es als kleinen Verweis auf Heidegger verstanden?
 
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Original geschrieben von Coeur Froid
Deinen Nachsatz kann ich nicht ganz einordnen, ich habe es als kleinen Verweis auf Heidegger verstanden?

Um des Universums Willen, das fehlte noch, dass ich jetzt auch noch anfange, auf die Gedanken Anderer zu verweisen statt selbst zu argumentieren!!
Nöö, ich wollte nur auf den Umstand hinweisen, dass jeder Versuch, die "Nicht-Existenz" von irgend Etwas beweisen zu wollen, genau so paradox ist wie der Versuch, für "nicht Existierendes" Begriffe zu schaffen: Der Begriff "NICHTS" als Substantiv ist in sich schon paradox!
Ansonsten Alles klar!
Gute Nacht
 
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