Coeur Froid
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- 22. April 2003
- Beiträge
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Hallo zusammen!
Ich hatte über das Wochenende das zweifelhafte Vergnügen, mich mit Rudi Carnaps "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" aus dem zweiten Band der "Erkenntnis" von 1931 zu beschäftigen.
Meiner Auffassung nach ist dieser Aufsatz eine fahrlässige Ansammlung von Pauschalisierungen, Fehldeutungen und schlicht falschen Sachverhalten. Ich werde hier versuchen, die Thesen herauszuarbeiten, denen ich am heftigsten widerspreche und hoffe, dass ihr Stellung dazu beziehen wollt.
Ich hoffe, ich kann es einigermaßen übersichtlich darstellen, ich bitte um Nachsicht
So ist allein seine einleitende Untersuchung des Satzes (bzw. der "Bedeutung eines Wortes") dahingehend fragwürdig, als dass die von ihm als einfachst anzunehmende Grundform dargestellte Form "x ist y" als grundlegende und zwingende sprachliche Form völlig zweifelhaft ist. Die abstrakte Überlegung, dass ein sinnvoller und verifizierbarer Satz einer Sache einen Umstand oder eine andere Sache zuschreiben müsste, scheint er selbst nicht stringent nachzuvollziehen, da er Descartes einen Verstoß gg. diese logische Prämisse vorwirft, wo er offensichtlich KEINE begeht (-> "cogito ergo sum").
Weiterhin lässt sich Carnap über die - seiner Meinung nach - bedeutungsfreien Worte der Metaphysik aus, wobei er als erstes Beispiel das "Prinzip" anführt und unterstellt, dieses würde in der Metaphysik in Notationen wie "x geht hervor aus y" ausschließlich in der nicht- konventionellen Bedeutung von "hervorgehen" genutzt und sei somit ein semiotischer "Taschenspielertrick".
Weiterhin unterstellt Carnap, dass die ursprüngliche Bedeutung des principium (=Anfang) von der Metaphysik explizit unterdrückt würde.
Ich habe daraufhin einen schüchternen Blick in das 5. Buch der aristotelischen Metaphysik geworfen und festgestellt, dass hier im ersten Kapitel gut 7 Definitionen von "Prinzip" gegeben werden, wobei explizit (!!) auf die Gemeinsamkeit der Bedeutung im jeweiligen "Anfang" / Begin einer Sache / Bewegung verwiesen wird!!! Rein formal geht Aristoteles sogar über diese Definition hinaus und findet in der Darstellung der Substanzen eine sehr reflektierte und differenzierte Ausgestaltung ontologischer "Prinzipien"!
Besonders beim Begriff "Gott" wird die Beschränktheit des carnapschen Wahrheitskriteriums (x ist [ein/e] y) deutlich: aus dem nicht- Vorhandensein eines definiten Gottesbegriffe (x ist ein Gott) versucht er eine grundsätzliche Scheindefinität der Metaphysik abzuleiten. Dabei wird gerade bei z.B. Descartes auch deutlich, dass eine "metaphysische Theologie" per se gar nicht existiert sondern auch sehr stark an die empirische (z.B: christliche) Theologie angelehnt ist. Weiterhin wird spätestens hier offensichtlich, dass neben dem kategorial geprägtem (x ist [ein/e] y) auch das kausale bzw. finale logische und (!) sprachliche Konstrukt (x bewirkt y) notwendig sein muss, da der Begriff "Gott" aus semiotischer Sicht sehr wohl besetzt und sinnvoll ist und es lediglich an einer konkreten Zuweisung (nicht aber an Definität) mangelt.
Auch die Überlegung zu den "Scheinsätzen", d.h. Sätze, die syntaktisch zwar korrekt, inhaltlich auf Grund eines "Feldfehlers" nicht zulässing sind (Caesar ist eine Primzahl), halte ich für sehr zweifelhaft:
So fordert Carnap eine nicht nur grammatische Unterscheidung (Substantiv, Adjektiv) sondern auch eine "logische" - wie er es nennt. Dies mag an dem von ihm angeführten Beispiel "Feldherr - Primzahl" zwar noch ersichtlich sein, da die Primzahl nur Zahlen, der Feldherr jedoch nur Menschen zukommt, wird aber schon anhand des von Carnap später erwähnten "Der Tisch ist größer(1) als jener Tisch - Der Tisch ist von größerer(2) Höhe als jener Tisch" als illusorisch entlarvt. Eine semantisch (oder "logisch") - grammatikalische Differenzierung der Worte ist schlicht nicht möglich (es dürfte kein adjektiv mehr zugleich von einem Ding, einer Zahl oder einem Menschen etc. angenommen werden können) und zudem auch gar nicht wünschenswert oder sinnvoll, da abstrakte Gedankengänge m.E. erst durch einen leicht abgewandelten konventionellen Sprachgebrauch begriffen und dargestellt werden können.
Zustimmen muss ich Carnap aber in der Betrachtung Heideggers "Was ist Metaphysik", die sich offensichtlich der Vermengung verschiedener "Felder" bedient ("Das Nichts ist ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung", "Die Angst offenbart uns das Nichts - Wovor und warum wir uns ängsteten war 'eigentlich' nichts").
-----
Ich denke, ich werde hier 'mal lieber einen Punkt machen, das waren nur die "krassesten" Formulierungen und Ausführungen Carnaps.
Mich würde sehr interessieren, wie ihr die angesprochenen Punkte empfindet, ich kann mir kaum vorstellen, dass man einen so namenhaften Philosophen so offensichtlicher Fehler überführen kann?!
schönen Gruß,
cf
Ich hatte über das Wochenende das zweifelhafte Vergnügen, mich mit Rudi Carnaps "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" aus dem zweiten Band der "Erkenntnis" von 1931 zu beschäftigen.
Meiner Auffassung nach ist dieser Aufsatz eine fahrlässige Ansammlung von Pauschalisierungen, Fehldeutungen und schlicht falschen Sachverhalten. Ich werde hier versuchen, die Thesen herauszuarbeiten, denen ich am heftigsten widerspreche und hoffe, dass ihr Stellung dazu beziehen wollt.
Ich hoffe, ich kann es einigermaßen übersichtlich darstellen, ich bitte um Nachsicht
So ist allein seine einleitende Untersuchung des Satzes (bzw. der "Bedeutung eines Wortes") dahingehend fragwürdig, als dass die von ihm als einfachst anzunehmende Grundform dargestellte Form "x ist y" als grundlegende und zwingende sprachliche Form völlig zweifelhaft ist. Die abstrakte Überlegung, dass ein sinnvoller und verifizierbarer Satz einer Sache einen Umstand oder eine andere Sache zuschreiben müsste, scheint er selbst nicht stringent nachzuvollziehen, da er Descartes einen Verstoß gg. diese logische Prämisse vorwirft, wo er offensichtlich KEINE begeht (-> "cogito ergo sum").
Weiterhin lässt sich Carnap über die - seiner Meinung nach - bedeutungsfreien Worte der Metaphysik aus, wobei er als erstes Beispiel das "Prinzip" anführt und unterstellt, dieses würde in der Metaphysik in Notationen wie "x geht hervor aus y" ausschließlich in der nicht- konventionellen Bedeutung von "hervorgehen" genutzt und sei somit ein semiotischer "Taschenspielertrick".
Weiterhin unterstellt Carnap, dass die ursprüngliche Bedeutung des principium (=Anfang) von der Metaphysik explizit unterdrückt würde.
Ich habe daraufhin einen schüchternen Blick in das 5. Buch der aristotelischen Metaphysik geworfen und festgestellt, dass hier im ersten Kapitel gut 7 Definitionen von "Prinzip" gegeben werden, wobei explizit (!!) auf die Gemeinsamkeit der Bedeutung im jeweiligen "Anfang" / Begin einer Sache / Bewegung verwiesen wird!!! Rein formal geht Aristoteles sogar über diese Definition hinaus und findet in der Darstellung der Substanzen eine sehr reflektierte und differenzierte Ausgestaltung ontologischer "Prinzipien"!
Besonders beim Begriff "Gott" wird die Beschränktheit des carnapschen Wahrheitskriteriums (x ist [ein/e] y) deutlich: aus dem nicht- Vorhandensein eines definiten Gottesbegriffe (x ist ein Gott) versucht er eine grundsätzliche Scheindefinität der Metaphysik abzuleiten. Dabei wird gerade bei z.B. Descartes auch deutlich, dass eine "metaphysische Theologie" per se gar nicht existiert sondern auch sehr stark an die empirische (z.B: christliche) Theologie angelehnt ist. Weiterhin wird spätestens hier offensichtlich, dass neben dem kategorial geprägtem (x ist [ein/e] y) auch das kausale bzw. finale logische und (!) sprachliche Konstrukt (x bewirkt y) notwendig sein muss, da der Begriff "Gott" aus semiotischer Sicht sehr wohl besetzt und sinnvoll ist und es lediglich an einer konkreten Zuweisung (nicht aber an Definität) mangelt.
Auch die Überlegung zu den "Scheinsätzen", d.h. Sätze, die syntaktisch zwar korrekt, inhaltlich auf Grund eines "Feldfehlers" nicht zulässing sind (Caesar ist eine Primzahl), halte ich für sehr zweifelhaft:
So fordert Carnap eine nicht nur grammatische Unterscheidung (Substantiv, Adjektiv) sondern auch eine "logische" - wie er es nennt. Dies mag an dem von ihm angeführten Beispiel "Feldherr - Primzahl" zwar noch ersichtlich sein, da die Primzahl nur Zahlen, der Feldherr jedoch nur Menschen zukommt, wird aber schon anhand des von Carnap später erwähnten "Der Tisch ist größer(1) als jener Tisch - Der Tisch ist von größerer(2) Höhe als jener Tisch" als illusorisch entlarvt. Eine semantisch (oder "logisch") - grammatikalische Differenzierung der Worte ist schlicht nicht möglich (es dürfte kein adjektiv mehr zugleich von einem Ding, einer Zahl oder einem Menschen etc. angenommen werden können) und zudem auch gar nicht wünschenswert oder sinnvoll, da abstrakte Gedankengänge m.E. erst durch einen leicht abgewandelten konventionellen Sprachgebrauch begriffen und dargestellt werden können.
Zustimmen muss ich Carnap aber in der Betrachtung Heideggers "Was ist Metaphysik", die sich offensichtlich der Vermengung verschiedener "Felder" bedient ("Das Nichts ist ursprünglicher als das Nicht und die Verneinung", "Die Angst offenbart uns das Nichts - Wovor und warum wir uns ängsteten war 'eigentlich' nichts").
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Ich denke, ich werde hier 'mal lieber einen Punkt machen, das waren nur die "krassesten" Formulierungen und Ausführungen Carnaps.
Mich würde sehr interessieren, wie ihr die angesprochenen Punkte empfindet, ich kann mir kaum vorstellen, dass man einen so namenhaften Philosophen so offensichtlicher Fehler überführen kann?!
schönen Gruß,
cf