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Nietzsche: Zur Genealogie der Moral

Zum 3. Aphorkismus:

Wenn Nietzsche feststellt, dass die psychologische Argumentation zur rechtfertigung der Nützlichkeit für alle falsch ist, braucht er sich auch keine Gedanken darüber zu machen... Stellen wir uns einmal vor, man würde statt eines altruistischen Nützlichkeitsprinzips ein egoistisches Nützlichkeitsprinzip vertreten... Es dürfte klar sien, dass das potentiell antimoralisch wäre.... Aber ich glaube fast, Nietzsche hätte seine helle Freude daran....
 
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– Den Fingerzeig zum rechten Wege gab mir die Frage, was eigentlich die von den verschiedenen Sprachen ausgeprägten Bezeichnungen des »Guten« in etymologischer Hinsicht zu bedeuten haben: da fand ich, daß sie allesamt auf die gleiche Begriffs-Verwandlung zurückleiten – daß überall »vornehm«, »edel« im ständischen Sinne der Grundbegriff ist, aus dem sich »gut« im Sinne von »seelisch-vornehm«, »edel«, von »seelisch-hochgeartet«, »seelisch-privilegiert« mit Notwendigkeit herausentwickelt: eine Entwicklung, die immer parallel mit jener anderen läuft, welche »gemein«, »pöbelhaft«, »niedrig« schließlich in den[774/775] Begriff »schlecht« übergehn macht. Das beredteste Beispiel für das letztere ist das deutsche Wort »schlecht« selber: als welches mit »schlicht« identisch ist – vergleiche »schlechtweg«, »schlechterdings« – und ursprünglich den schlichten, den gemeinen Mann, noch ohne einen verdächtigenden Seitenblick, einfach im Gegensatz zum Vornehmen bezeichnete. Um die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs ungefähr, also spät genug, verschiebt sich dieser Sinn in den jetzt gebräuchlichen. – Dies scheint mir in betreff der Moral-Genealogie eine wesentliche Einsicht; daß sie so spät erst gefunden wird, liegt an dem hemmenden Einfluß, den das demokratische Vorurteil innerhalb der modernen Welt in Hinsicht auf alle Fragen der Herkunft ausübt. Und dies bis in das anscheinend objektivste Gebiet der Naturwissenschaft und Physiologie hinein, wie hier nur angedeutet werden soll. Welchen Unfug aber dieses Vorurteil, einmal bis zum Haß entzügelt, insonderheit für Moral und Historie anrichten kann, zeigt der berüchtigte Fall Buckles; der Plebejismus des modernen Geistes, der englischer Abkunft ist, brach da einmal wieder auf seinem heimischen Boden heraus, heftig wie ein schlammichter Vulkan und mit jener versalzten, überlauten, gemeinen Beredsamkeit, mit der bisher alle Vulkane geredet haben. –
 
Zum 4. Aphorismus:

Da hat Nietzsche leider Recht... Die erste Ethik, die es historisch gab, war die Tugenethik... Und die hatte fast 2000 Jahre bestand... Aber was ist Tugend? Etwas anders, als die alten Griechen hab eich Tugend einmal definiert, als das ständige Gerichtet-Sein des Willens auf einen Habitus der Selengröße und des Seelenadels... In der Antike stand also nicht so sehr die Moral im Vordergund, als vielmehr die Seelngröße und der Seelenadel... Erst mit dem Utilitarismus der Briten und mit Kant und dessen kategorischem Imperativ ändert sich das grundlegend. und Nietsche könnte durchaus recht haben, die der Umbruch tatsächlich mit dem 30-jährigen Krig einsetzt...Aus der antiken Tugendethik wird erst vielleicht im 18. Jarhhundert eine wirkliche Morla- und Sozialethik... Freilich ohne jeden Anspruch auf Letztbegründung, die auch wohl in den meisten Fällen nicht zu haben ist... Das heißt aber dennoch nicht, dass man alle Ethik sehabl besser wegwerfen sollte... Echte Moralität hat für das Zusmamenleben der Menschen erhebliche Vorteile...
 
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In Hinsicht auf unser Problem, das aus guten Gründen ein stilles Problem genannt werden kann und sich wählerisch nur an wenige Ohren wendet, ist es von keinem kleinen Interesse, festzustellen, daß vielfach noch in jenen Worten und Wurzeln, die »gut« bezeichnen, die Hauptnuance durchschimmert, auf welche hin die Vornehmen sich eben als Menschen höheren Ranges fühlten. Zwar benennen sie sich vielleicht in den häufigsten Fällen einfach nach ihrer Überlegenheit an Macht (als »die Mächtigen«, »die Herren«, »die Gebietenden«) oder nach dem sichtbarsten Abzeichen dieser Überlegenheit, zum Beispiel als »die Reichen«, »die Besitzenden« (das ist der Sinn von arya; und entsprechend im Eranischen und Slavischen). Aber auch nach einem typischen Charakterzuge: und dies ist der Fall, der uns hier angeht. Sie heißen sich zum Beispiel »die Wahrhaftigen«; voran der griechische Adel, dessen Mundstück der megarische Dichter Theognis[775/776] ist. Das dafür ausgeprägte Wort esthlos bedeutet der Wurzel nach einen, der ist, der Realität hat, der wirklich ist, der wahr ist; dann, mit einer subjektiven Wendung, den Wahren als den Wahrhaftigen: in dieser Phase der Begriffs-Verwandlung wird es zum Schlag- und Stichwort des Adels und geht ganz und gar in den Sinn »adelig« über, zur Abgrenzung vom lügenhaften gemeinen Manne, so wie Theognis ihn nimmt und schildert – bis endlich das Wort, nach dem Niedergange des Adels, zur Bezeichnung der seelischen Noblesse übrigbleibt und gleichsam reif und süß wird. Im Worte kakos; wie in deilos; (der Plebejer im Gegensatz zum agathos) ist die Feigheit unterstrichen: dies gibt vielleicht einen Wink, in welcher Richtung man die etymologische Herkunft des mehrfach deutbaren agathos; zu suchen hat. Im lateinischen malus (dem ich melas zur Seite stelle) könnte der gemeine Mann als der Dunkelfarbige, vor allem als der Schwarzhaarige (»hic niger est –«) gekennzeichnet sein, als der vorarische Insasse des italischen Bodens, der sich von der herrschend gewordnen blonden, nämlich arischen Eroberer-Rasse durch die Farbe am deutlichsten abhob; wenigstens bot mir das Gälische den genau entsprechenden Fall – fin (zum Beispiel im Namen Fin-Gal) das abzeichnende Wort des Adels, zuletzt der Gute, Edle, Reine, ursprünglich der Blondkopf, im Gegensatz zu den dunklen schwarzhaarigen Ureinwohnern. Die Kelten, beiläufig gesagt, waren durchaus eine blonde Rasse; man tut Unrecht, wenn man jene Streifen einer wesentlich dunkelhaarigen Bevölkerung, die sich auf sorgfältigeren ethnographischen Karten Deutschlands bemerkbar machen, mit irgendwelcher keltischen Herkunft und Blutmischung in Zusammenhang bringt, wie dies noch Virchow tut: vielmehr schlägt an diesen Stellen die vorarische Bevölkerung Deutschlands vor. (Das gleiche gilt beinahe für ganz Europa: im wesentlichen hat die unterworfne Rasse schließlich daselbst wieder die Oberhand bekommen, in Farbe, Kürze des Schädels, vielleicht sogar in den intellektuellen und sozialen Instinkten: wer steht uns dafür, ob nicht die moderne Demokratie, der noch modernere Anarchismus und namentlich jener Hang zur »commune«, zur primitivsten Gesellschafts-Form, der allen Sozialisten Europas jetzt gemeinsam ist, in der Hauptsache einen ungeheuren Nachschlag zu bedeuten hat – und daß die Eroberer- und Herren-Rasse, die der Arier, auch physiologisch im Unterliegen[776/777] ist?...) Das lateinische bonus glaube ich als »den Krieger« auslegen zu dürfen: vorausgesetzt, daß ich mit Recht bonus auf ein älteres duonus zurückführe (vergleiche bellum = duellum = duen-lum, worin mir jenes duonus erhalten scheint). Bonus somit als Mann des Zwistes, der Entzweiung (duo), als Kriegsmann: man sieht, was im alten Rom an einem Manne seine »Güte« ausmachte. Unser deutsches »Gut« selbst: sollte es nicht »den Göttlichen«, den Mann »göttlichen Geschlechts« bedeuten? Und mit dem Volks-(ursprünglich Adels-) Namen der Goten identisch sein? Die Gründe zu dieser Vermutung gehören nicht hierher. –
 
Zum 5. Aphorismus:

Ah, hier haben wir sie zum ersten Mal, die blonde Bestie, die arische Herrenrasse... Eigentlich passt das gar nicht zu Nietzsche, aber in seinen letzten beiden Jahren kippt bei ihm ja alles um und diess scheint der entscheidende Moment zu sein... Der 5. Aphorismus des ersten Kapitels scheint mir dafür das eigentliche Menetekel zu sein... Das lässt nichts Gutes erwarten... Zumal neben diesem Werk noch zwei weitere aus dem Jahre 1888 kommen: "Götzen-Dämmerung" und "Der Antichrist"... Was ich aber "wirklich" schlimm finde, ist die pseudowissenschaftliche Selbstbemäntelung, unter dessen Stern dieser ganz neue Irrsinn bei Nietzsche auftritt...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hatte vorhin die Besprechung des Werkes in Kindlers Neuem Literaturlexikon angelesen... Zwei Dinge sind festzustellen:

1. Das Werk hat ein Vorwort (Vorrede), das mir völlig entgangen ist... Wir ziehen dann morgen das Vorwort (die Vorrede) noch eben vor...

2. Es handelt sich bei den einzelnen Textpassagen "nicht" um Aphorismen, sondern um Teilabschnitte von Drei zusammenhängenden Abhandlungen, die in sich geshclossen sind... Das musste noch eben gesagt werden...

Wenn Ihr Kindlers Neues Literaturlexikon im Regal stehen habt, könnt Ihr Euch gerne noch die Besprechung zum Werk ansehen... Ich gebe die Besprechung jetzt nicht extra weider...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ganze Werk hat auch so etwas, wie ein Motto:

Dem letztveröffentlichten
»Jenseits von Gut und Böse«
zur Ergänzung und Verdeutlichung beigegeben​
 
Wir wäerden sämtliche Aphorismen einzeln durchgehen und besprechen... Hier schon mal der erste Aphorismus... Freiwillige vor...

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[771] – Diese englischen Psychologen, denen man bisher auch die einzigen Versuche zu danken hat, es zu einer Entstehungsgeschichte der Moral zu bringen – sie geben uns mit sich selbst kein kleines Rätsel auf; sie haben sogar, daß ich es gestehe, eben damit, als leibhaftige Rätsel, etwas Wesentliches vor ihren Büchern voraus – sie selbst sind interessant! Diese englischen Psychologen – was wollen sie eigentlich? Man findet sie, sei es nun freiwillig oder unfreiwillig, immer am gleichen Werke, nämlich die partie honteuse unsrer inneren Welt in den Vordergrund zu drängen und gerade dort das eigentlich Wirksame, Leitende, für die Entwicklung Entscheidende zu suchen, wo der intellektuelle Stolz des Menschen es am letzten zu finden wünschte (zum Beispiel in der vis inertiae der Gewohnheit oder in der Vergeßlichkeit oder in einer blinden und zufälligen Ideen-Verhäkelung und –Mechanik oder in irgend etwas Rein-Passivem, Automatischem, Reflexmäßigem, Molekularem und Gründlich-Stupidem) – was treibt diese Psychologen eigentlich immer gerade in diese Richtung? Ist es ein heimlicher, hämischer, gemeiner, seiner selbst vielleicht uneingeständlicher Instinkt der Verkleinerung des Menschen? Oder etwa ein pessimistischer Argwohn, das Mißtrauen von enttäuschten, verdüsterten, giftig und grüngewordenen Idealisten? Oder eine kleine unterirdische Feindschaft und Rancune gegen das Christentum (und Plato), die vielleicht nicht einmal über die Schwelle des Bewußtseins gelangt ist? Oder gar ein lüsterner Geschmack am Befremdlichen, am Schmerzhaft-Paradoxen, am Fragwürdigen und Unsinnigen des Daseins? Oder endlich – von allem etwas, ein wenig Gemeinheit, ein wenig Verdüsterung, ein wenig Antichristlichkeit, ein wenig Kitzel und Bedürfnis nach Pfeffer?... Aber man sagt mir, daß es einfach alte, kalte, langweilige Frösche seien, die am Menschen herum, in den Menschen hinein kriechen und hüpfen, wie als ob sie da so recht in ihrem Elemente wären, nämlich in einem Sumpfe. Ich höre das mit Widerstand, mehr noch, ich glaube[771/772] nicht daran; und wenn man wünschen darf, wo man nicht wissen kann, so wünsche ich von Herzen, daß es umgekehrt mit ihnen stehen möge – daß diese Forscher und Mikroskopiker der Seele im Grunde tapfere, großmütige und stolze Tiere seien, welche ihr Herz wie ihren Schmerz im Zaum zu halten wissen und sich dazu erzogen haben, der Wahrheit alle Wünschbarkeit zu opfern, jeder Wahrheit, sogar der schlichten, herben, häßlichen, widrigen, unchristlichen, unmoralischen Wahrheit... Denn es gibt solche Wahrheiten. –
Willig oder unwillig kommt man zu Wahrheiten und tritt sogar noch welche tot.:blume2:
 
Wenn keiner was sagen will, machen wir mit dem zweiten Aphoismus weiter... Und dann so fort...

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Alle Achtung also vor den guten Geistern, die in diesen Historikern der Moral walten mögen! Aber gewiß ist leider, daß ihnen der historische Geist selber abgeht, daß sie gerade von allen guten Geistern der Historie selbst im Stich gelassen worden sind! Sie denken allesamt, wie es nun einmal alter Philosophen-Brauch ist, wesentlich unhistorisch; daran ist kein Zweifel. Die Stümperei ihrer Moral-Genealogie kommt gleich am Anfang zutage, da, wo es sich darum handelt, die Herkunft des Begriffs und Urteils »gut« zu ermitteln. »Man hat ursprünglich« – so dekretieren sie – »unegoistische Handlungen von seiten derer gelobt und gut genannt, denen sie erwiesen wurden, also denen sie nützlich waren; später hat man diesen Ursprung des Lobes vergessen und die unegoistischen Handlungen einfach, weil sie gewohnheitsmäßig immer als gut gelobt wurden, auch als gut empfunden – wie als ob sie an sich etwas Gutes wären.« Man sieht sofort: diese erste Ableitung enthält bereits alle typischen Züge der englischen Psychologen-Idiosynkrasie – wir haben »die Nützlichkeit«, »das Vergessen«, »die Gewohnheit« und am Schluß »den Irrtum«, alles als Unterlage einer Wertschätzung, auf welche der höhere Mensch bisher wie auf eine Art Vorrecht des Menschen überhaupt stolz gewesen ist. Dieser Stolz soll gedemütigt, diese Wertschätzung entwertet werden: ist das erreicht?... Nun liegt für mich erstens auf der Hand, daß von dieser Theorie der eigentliche Entstehungsherd des Begriffs »gut« an falscher Stelle gesucht und angesetzt wird: das Urteil »gut« rührt nicht von denen her, welchen »Güte« erwiesen wird! Vielmehr sind es »die Guten« selber gewesen, das heißt die Vornehmen, Mächtigen, Höhergestellten und Hochgesinnten,[772/773] welche sich selbst und ihr Tun als gut, nämlich als ersten Ranges empfanden und ansetzten, im Gegensatz zu allem Niedrigen, Niedrig-Gesinnten, Gemeinen und Pöbelhaften. Aus diesem Pathos der Distanz heraus haben sie sich das Recht, Werte zu schaffen, Namen der Werte auszuprägen, erst genommen: was ging sie die Nützlichkeit an! Der Gesichtspunkt der Nützlichkeit ist gerade in bezug auf ein solches heißes Herausquellen oberster rang-ordnender, rang-abhebender Werturteile so fremd und unangemessen wie möglich: hier ist eben das Gefühl bei einem Gegensatze jenes niedrigen Wärmegrades angelangt, den jede berechnende Klugheit, jeder Nützlichkeits-Kalkul voraussetzt – und nicht für einmal, nicht für eine Stunde der Ausnahme, sondern für die Dauer. Das Pathos der Vornehmheit und Distanz, wie gesagt, das dauernde und dominierende Gesamt- und Grundgefühl einer höheren herrschenden Art im Verhältnis zu einer niederen Art, zu einem »Unten« – das ist der Ursprung des Gegensatzes »gut« und »schlecht«. (Das Herrenrecht, Namen zu geben, geht so weit, daß man sich erlauben sollte, den Ursprung der Sprache selbst als Machtäußerung der Herrschenden zu fassen: sie sagen »das ist das und das«, sie siegeln jegliches Ding und Geschehen mit einem Laute ab und nehmen es dadurch gleichsam in Besitz.) Es liegt an diesem Ursprunge, daß das Wort »gut« sich von vornherein durchaus nicht notwendig an »unegoistische« Handlungen anknüpft: wie es der Aberglaube jener Moralgenealogen ist. Vielmehr geschieht es erst bei einem Niedergange aristokratischer Werturteile, daß sich dieser ganze Gegensatz »egoistisch« »unegoistisch« dem menschlichen Gewissen mehr und mehr aufdrängt – es ist, um mich meiner Sprache zu bedienen, der Herdeninstinkt, der mit ihm endlich zu Worte (auch zu Worten) kommt. Und auch dann dauert es noch lange, bis dieser Instinkt in dem Maße Herr wird, daß die moralische Wertschätzung bei jenem Gegensatze geradezu hängen und stecken bleibt (wie dies zum Beispiel im gegenwärtigen Europa der Fall ist: heute herrscht das Vorurteil, welches »moralisch«, »unegoistisch«, »désintéressé« als gleichwertige Begriffe nimmt, bereits mit der Gewalt einer »fixen Idee« und Kopfkrankheit).
Die einen tanzen,die Kapelle spielt und viele schauen zu:blume2:
 
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[773774] Zweitens aber: ganz abgesehn von der historischen Unhaltbarkeit jener Hypothese über die Herkunft des Werturteils »gut«, krankt sie an einem psychologischen Widersinn in sich selbst. Die Nützlichkeit der unegoistischen Handlung soll der Ursprung ihres Lobes sein, und dieser Ursprung soll vergessen worden sein – wie ist dies Vergessen auch nur möglich? Hat vielleicht die Nützlichkeit solcher Handlungen irgendwann einmal aufgehört? Das Gegenteil ist der Fall: diese Nützlichkeit ist vielmehr die Alltagserfahrung zu allen Zeiten gewesen, etwas also, das fortwährend immer neu unterstrichen wurde; folglich, statt aus dem Bewußtsein zu verschwinden, statt vergeßbar zu werden, sich dem Bewußtsein mit immer größerer Deutlichkeit eindrücken mußte. Um wieviel vernünftiger ist jene entgegengesetzte Theorie (sie ist deshalb nicht wahrer –), welche zum Beispiel von Herbert Spencer vertreten wird: der den Begriff »gut« als wesensgleich mit dem Begriff »nützlich«, »zweckmäßig« ansetzt, so daß in den Urteilen »gut« und »schlecht« die Menschheit gerade ihre unvergeßnen und unvergeßbaren Erfahrungen über nützlich-zweckmäßig, über schädlich-unzweckmäßig aufsummiert und sanktioniert habe. Gut ist, nach dieser Theorie, was sich von jeher als nützlich bewiesen hat: damit darf es als »wertvoll im höchsten Grade«, als »wertvoll an sich« Geltung behaupten. Auch dieser Weg der Erklärung ist, wie gesagt, falsch, aber wenigstens ist die Erklärung selbst in sich vernünftig und psychologisch haltbar.
Je länger etwas sich also bewährt hat,desto höher steigt dieses dann in der Geltung,..?
 
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