Mein Blick

[Windreiter]

Mein Blick

im Wechselbad mich
in den Spiegel schaut...

... und in feuchtem Bilde
hab ich mich verschwommen

wahr genommen

 

[Marianne]

AW: Mein Blick

Mein Blick

im Wechselbad mich
in den Spiegel schaut...

... und in feuchtem Bilde
hab ich mich verschwommen

wahr genommen

Das Gedicht - Gedankenlyrik - freier Rhythmus ist spitze.... in meinen Augen, denn ich liebe Kurzlyrik.

Die Metapher aus dem Alltage ( feuchtes Badezimmer, beschlagener Spiegel) ist jedem bekannt.
Und doch: wie es dem lyrischen Ich gelingt, dieses Beobachtbare ins Unbeobachtbare, empfundene zu führen, ist sehr eindrucksvoll..


Denn ein Paradoxon wird auflösbar: nur im Verschwommenen können wir uns wahr nehmen.

Das erinnert mich ein ganz klein wenig an die erste Duineser Elegie von Rilke...

WER, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel
Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme
einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem
stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich.
Und so verhalt ich mich denn und verschlucke den Lockruf
dunkelen Schluchzens. Ach, wen vermögen
wir denn zu brauchen? Engel nicht, Menschen nicht,
und die findigen Tiere merken es schon,
daß wir nicht sehr verläßlich zu Haus sind

Frage:
Wollen wir uns wirklich so wahr nehmen, wie wir vielleicht wirklich sind?

 

[Windreiter]

AW: Mein Blick

Die Metapher aus dem Alltage ( feuchtes Badezimmer, beschlagener Spiegel) ist jedem bekannt.
...
Frage:
Wollen wir uns wirklich so wahr nehmen, wie wir vielleicht wirklich sind?

Vielen Dank für deine Rückmeldung.

Ich möchte anderen Lesern nicht die eigene Erkundung des lyrischen Raumes nehmen, daher sei nur kurz angemerkt, daß noch mehr Raum für Interpretationsansätze gegeben ist.

 

[Miriam]

AW: Mein Blick

Das wahre Bild, das Nichtverschwommene, wir möchten uns mal so erfassen…

Möchten wir es tatsächlich? Oder kommt uns dieses Verschwommene nicht eher gelegen?
Eigentlich gibt es auch eine gewisse Scheu vor dem klaren, nicht verschwommenen Bild welches wir wahrnehmen könnten. Könnten wir damit existieren?

Wir behaupten, dass wir dies möchten – und diese Behauptung können wir auch ruhig aussprechen: uns klar, nicht verschwommen wahrnehmen zu können, ist eine Illusion.

Ein wunderschönes Gedicht Windreiter, auch weil es Gelegenheit bietet für unterschiedliche Interpretationen.

Danke dir

Miriam

 

[Windreiter]

AW: Mein Blick

Interessante "Blicke" tun sich hier auf. Vielen Dank für die Blumen.

 

[kathi]

AW: Mein Blick

lieber windreiter,
auch mir gefällt dein gedicht. es lässt die gedanken schweifen, und sowas liebe ich...

dennoch verzeih mir, wenn ich hier einen witz anschließen möchte, den ich gestern hörte, und der mich an dein gedicht erinnerte:

- "Herr Doktor, glauben Sie auch, dass ich eine neue Brille brauche?"
- "Ganz gewiss, lieber Herr. Sie befinden sich hier in einer Änderungsschneiderei."

ganz liebe grüße
kathi

 

[Windreiter]

AW: Mein Blick

- "Herr Doktor, glauben Sie auch, dass ich eine neue Brille brauche?"
- "Ganz gewiss, lieber Herr. Sie befinden sich hier in einer Änderungsschneiderei."

​

Jaja, liebe Kathi, was manche Leute so erblicken ist schon erstaunlich. Ich mußte eben laut lachen, als ich den Witz gelesen habe. Dabei war mein Gedicht doch so tiefsinnig und ernst gemeint

Aber daran sieht man, daß es doch unterschiedliche Sichtweisen gibt... aber... äh... eigentlich... doch nur eine... die jeweilig Eigene

Auch dir ganz liebe Grüße

 

[kathi]

AW: Mein Blick

lieber windreiter,
dieser witz soll auch nur eine weitere facette deines gedichtes aufzeigen.
da siehst du ja, wie tiefsinnig es auf mich gewirkt hat.

aber im ernst, sowohl marianne als auch miriam habe schon sehr schöne blickwinkel auf deine gedanken eröffnet, denen ich mich gerne anschließe.
nur die kleine schlawinerin in mir, möchte dich ein wenig zum lachen bringen.

 

[Windreiter]

AW: Mein Blick

nur die kleine schlawinerin in mir, möchte dich ein wenig zum lachen bringen.

Jaja, du willst doch nur, daß mir vor Lachen die Tränen in die Augen steigen und ich dann in feuchtem Bilde nur noch verschwommen sehen kann. Pah! Da bleib ich doch ganz ... auch auf die Gefahr hin, bläulich anzulaufen

 

[kathi]

ohne kommentar

Dein Mund

im Dialog mir
in die Augen lacht...

... und mit inn´gem Herzen
hab ich ihn verschwommen

wahr genommen