Warum ich SPÖ wähle
Anscheinend ein Thema, wo niemand so recht anbeißt.
Aus aktuellem Anlass möchte ich hier noch etwas dazu schreiben.
Gleich vorweg: Ich bin aktives Mitglied der SPÖ und seit Mai d.J. im Gemeinderat unserer Gemeinde. Ich habe mich damals für diese Tätigkeit entschieden, weil ich bei der Gestaltung der Gemeindeangelegenheiten mitbestimmen und mitarbeiten will.
Aber warum ausgerechnet die SPÖ? Diese Frage wird mir manchmal gestellt, weil hierorts bekannt ist, dass ich aus einer traditionell „schwarzen“ und sehr katholischen Familie stamme.
Mit meinem Vater, der seine Haltung sehr autoritär und stur jedem aufzwingen wollte, hatte ich schon als Jugendliche – gemeinsam mit zwei meiner älteren Brüder – heftige Streitgespräche.
Zwang und Bevormundung vertrug sich nach unserer Ansicht nicht mit der christlichen Nächstenliebe. Als Jugendliche war ich da sehr streng, auch mit meinem Vater.
Als ich aus der Kirche austrat, blies mir der kalte Wind der Ablehnung von Kirchenmitgliedern und auch von den ÖVP-treuen Mitmenschen in meinem Dorf heftig entgegen. Keiner außerhalb der Familie fragte auch nur nach meinen Gründen, ich wurde nur belehrt, be- und auch gleich verurteilt. Die angesehenen Bürger, die Geschäftsleute und die Handwerker, die Bauern und die Bankangestellten, das war die Oberschicht im Dorf. Das waren die, die etwas hatten, und sie hatte ihrer Meinung nach vor allem das Recht, darüber zu bestimmen, wie mit denen, die weniger haben, zu verfahren ist.
Dieses bürgerliche Anmaßung, die Spielregeln zu bestimmen, ohne auch nur hinzuhören, ob es noch Menschen gibt, die aufgrund ihrer (anderen) Lebensumstände auch andere Bedürfnisse haben könnten, war mir immer unverständlich.
Genau dieser überheblichen Haltung begegne ich aber jetzt massiv. Unsere derzeitige Regierung agiert so, als ob ein gutes Drittel der Menschen – so viele SPÖ-Wähler gibt es ca. in Österreich - kein Recht hätten, ihre Vorstellung eines Zusammenlebens miteinzubringen in die Gestaltung des Gemeinwesens unseres Landes. Arbeiter und andere unselbständig Erwerbstätige werden mit einer Reallohnsteigerung von 1 % (seit 2000) bedacht, während Vorstandsgehälter im Zeitraum von 2001 – 2005 um 95 % gestiegen sind. Die Gewinne der börsennotierten österreichischen Unternehmen stiegen im gleichen Zeitraum um 318 %. So zum Drüberstreuen: Das Lohnsteueraufkommen stieg um 5,7 %, die Gewinnsteuer sank um 15 %. Die Arbeitslosigkeit stieg seit 2000 um 35 %.
Das sind die rein finanziell sichtbaren Ergebnisse von 6 Jahren Regierung Schüssel.
Die Sozialleistungen, die für den Wohlstand aller Bürger sorgen sollen - wie Leistungen der Krankenkassen, leichter Zugang zu Bildungseinrichtungen für alle, öffentliche Verkehrsmittel, Post und Energieversorgung, Konsumentenschutz, Umwelt- und Tierschutz, Pflegedienste für alle Bürger – wurden z.T. „privatisiert“, was in den meisten Fällen eine Verteuerung und gleichzeitig eine Verschlechterung der Qualität der Dienstleistung bedeutete, bzw. wurden die Mittel gekürzt.
Der Gesamteindruck, der hier sichtbar wird, ist wirklich besorgniserregend. Eine relativ kleine Oberschicht maßt sich an, den Reichtum, den alle Menschen in diesem Land erarbeiten, einfach für sich zu nehmen und den anderen die lange Nase zu drehen. Nach dem Motto:: „Ätsch, wir nehmen euch einfach das weg, was uns allen gehört, denn wir haben die Macht, mit entsprechenden Gesetzen, die ja wir selbst machen, alles ganz legal abzuräumen.“
Die demokratischen Strukturen, die bis zur Regierungsbildung im Jahr 2000 als gültige Spielregeln angesehen wurden, wurden seither systematisch unterwandert und in vielen Fällen kaltschnäuzig ignoriert. Beispiel: Haiders eigenwilliger Ortstafelstreit mit dem Verfassungsgerichtshof, dem Schüssel sehr lang zugeschaut hat. Dem Spruch des VfGH wurde noch immer nicht vollständig Folge geleistet.
Im Bildungsbereich, bei den Schulen und Universitäten wird gespart, Lehrer werden abgebaut, obwohl die Klassen noch eine viel zu hohe Anzahl an Schülern haben, obwohl der Anteil der Repetenten im Vergleich zu anderen Ländern Europas einen Höchststand erreicht hat, obwohl der Anteil an Akademikern so gering ist, dass nur noch die Türkei im europäischen Raum hinter Österreich rangiert. Es gibt kein Bildungskonzept, es werden Löcher gestopft, indem ein neues dadurch aufgerissen wird.
Die Familienpolitik stammt aus den 50ern, die Geburtenanzahl sinkt, weil Kinderbetreuung und Arbeitsmarktpolitik nicht koordiniert werden.
Beispiele gibt es noch genug!
Das alles erweckt den Eindruck, dass der derzeitigen Regierung die Menschen und ihre Bedürfnisse in diesem Land schnurz-egal sind. Das allerschönste dürfte für sie sein, dass in der SPÖ-nahen BAWAG ein paar einzelne hochrangige Manager und Funktionäre saßen, die sich die sich krimineller Methoden bedienten und nun als leuchtende Beispiele dienen, wie korrupt und schlimm es in der SPÖ zugeht.
Ja, es ist schlimm, denn SPÖ-Mitgliedern hätte das keiner zugetraut. Die ÖVP ist vor solchen Anwürfen sicher, denn da kann man sich eher vorstellen, dass sie so agieren kann.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich schreibe hier von der
Haltung der ÖVP, wie ich sie erlebe. Ich schreibe nicht von einzelnen Menschen, die auch der ÖVP angehören.
Es ist dieses gnädige Herabschauen auf diejenigen, die davon abhängig sind, etwas für ihre Arbeit zu bekommen, damit sie leben können. Die ÖVP-Haltung drückt aus, dass sie sich als diejenigen sehen, die etwas zu verteilen haben und die das nach ihrem Gutdünken tun wollen. Nicht weil ein anderer ein Recht darauf hat, sondern weil er ihm gnädig etwas zugesteht.
Das möchte ich nicht mehr länger mitansehen bzw. miterleben müssen. Und deswegen bin ich eine Rote. Jede Stimme gegen die ÖVP sollte eine Stimme für die SPÖ sein. Alle anderen Parteien können Schüssel und seiner Regierung nichts entgegensetzen, nur mit einer starken SPÖ geht sich eine Regierung ohne einen neuerlichen schwarzen Bundeskanzler aus.
lilith