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Lieblingsgedichtssammlung

AW: Lieblingsgedichtssammlung

Niemand bestreitet die
Wunder der modernen
Wissenschaft.Jetzt wäre
es an der Zeit,dass sie auch
für ihre Monster
die Verantwortung übernimmt.
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

DAS ZWEITE GERA
Peter Boll

Es gibt noch ein anderes Gera,
Das war mir bisher zwar neu,
Doch kürzlich schrieb es mir Vera,
Damit ich mich drüber freu'.

Sie sandte mir auch eine Karte,
Weil sie es beweisen will,
Damit ich nicht denke: Na warte,
Sie schickt mich in den April.

Ein Dutzend Häuser sind grade
Auf dieser Karte zu sehn,
Dazu eine Strandpromenade,
Auf der sich Kinder ergehn.

Ein Denkmal, zwei Hühner, zwei Bäume
Im Vorher- und Hintergrund,
Das tut die Stadt meiner Träume
Auf diesem Bilde mir kund.

Am Lago di Como gelegen
Ist Gera Nummero zwei,
Ich hätte auch gar nichts dagegen,
Mal hinzufahren im Mai.

Es wäre mir eine Freude,
Das Gera Italiens zu sehn,
Ich fürchte nur, daß die Leute
Dort "Gersch" nicht richtig verstehn.


:geschenk:

Entnommen einem Buch dass den Empfänger nicht erreicht hat.
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr
Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar
Und sind des einsamen Gefährten.

Da sagt der Landmann: Es ist gut.
Ihr Abendglocken lang und leise
Gebt noch zum Ende frohen Mut.
Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.
Im Kahn den blauen Fluß hinunter
Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
Das geht in Ruh und Schweigen unter.

Georg Trakl
 
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"Die Welt ist nichts
Gott ist nichts
Ich bin auch nichts
Das macht aber nichts."


(Max STIRNER, 1840 in Berlin)​
 
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Gefunden in:
Heitere Ansichten aus Gera von Hermann Luboldt

MIT UND OHNE

Mancher Mann geht ohne Hut,
Und auch dies steht ihm recht gut,
Denn er wirkt mit vollem Haar. - Wunderbar.

Doch ist er am Kopfe nackt,
Sucht er stofflichen Kontakt,
Weil des Schädels kahle Pracht. - Traurig macht.

Jetzt sind Mützen für den Herrn
Wieder einmal hochmodern,
Weil man sie vor aller Welt. - Aufbehält.

Auch die Frau zieht nicht den Hut,
Wenn sie uns begrüßen tut,
Also gilt fürs Mannsgeschlecht. - Gleiches Recht.

Schließlich kommt es auch beim Mann
Immer nur aufs Köpfchen an,
Aber nicht aufs Futteral. - Allemal!


Peter Boll
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Etwas über die Seele

Die Seele hat man gelegentlich.
Niemand hat sie ohne Unterlass
und auf Dauer.

Tag um Tag,
Jahr um Jahr
kann ohne sie vergehen.

Nur in der Begeisterung
und den Ängsten der Kindheit
nistet sie sich manchmal auf länger ein.
Manchmal nur im Befremden,
dass wir alt geworden sind.

Selten begleitet sie uns
bei mühseligem Tun
wie Möbelrücken,
Kofferschleppen
oder weiten Wegen in engen Schuhen.

Beim Ausfüllen von Fragebögen
und Fleisch hacken
hat sie in der Regel frei.

Von tausend unserer Gespräche
beteiligt sie sich nur an einem,
und das auch nicht unbedingt,
denn sie liebt es zu schweigen.

Wenn unser Körper beginnt, uns mit Schmerzen zu plagen
stiehlt sie sich heimlich aus dem Dienst.

Sie ist wählerisch:
ungern sieht sie uns in der Masse,
unser Kampf um kleine Vorteile
und schnatternde Geschäfte.
widert sie an.


Freude und Trauer
sind für sie keine unterschiedlichen Gefühle.
Nur wenn sie sich verbinden,
wohnt sie uns bei.

Wir können auf sie zählen,
wenn wir uns keiner Sache sicher sind
und auf alles neugierig.

Von den materiellen Dingen
liebt sie Pendeluhren
und Spiegel, die beständig arbeiten,
auch wenn niemand hinschaut.

Sie sagt nicht, woher sie kommt
und wann sie uns wieder verlässt,
aber sie wartet offensichtlich auf diese Frage.
Es hat den Anschein,
dass so wie sie uns,
auch wir
sie zu etwas brauchen.

Wisława Szymborska (* 2. Juli 1923 bei Posen; † 1. Februar 2012 in Krakau)
 
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Liebesgedichte von Erich Fried sind sehr schön. z.B. "Was es ist" (wurde schon zuvor gepostet), "Dich", "Strauch mit Herzförmigen Blättern", "Aber"! Auch wunderschön von Gerhard Feil:
Manchmal ist es so kalt,
dass man sich an Gedanken die Finger verbrennt.
Manchmal ist es so grell, dass sich sogar Gefühle in den Schatten flüchten.
Aber nie ist es so leise, dass man nicht hören könnte, wenn ein Herz bricht.
 
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Dieses von Erich Kästner
ATMOSPHÄRISCHE KONFLIKTE

Die Bäume schielen nach dem Wetter.
Sie prüfen es. Dann murmeln sie:
"Man weiß in diesem Jahre nie,
ob nun raus mit die Blätter
oder rin mit die Blätter
oder wie?"

Aus Wärme wurde wieder Kühle.
Die Oberkellner werden blaß
und fragen ohne Unterlaß
"Also, raus mit die Stühle
oder rin mit die Stühle
oder was?"

Die Pärchen meiden nachts das Licht.
Sie hocken Probe auf den Bänken
in den Alleen, wobei sie denken:
"Raus mit die Gefühle
oder rin mit die Gefühle
oder nicht?"

Der Lenz geht diesmal auf die Nerven
und gar nicht, wie es heißt, ins Blut.
Wer liefert Sonne in Konserven?
Na, günstigen Falles
wird doch noch alles
gut.

Es ist schon warm, Wird es so bleiben?
Die Knospen springen im Galopp.
Und auch das Herz will Blüten treiben.
Drum, raus mit die Stühle
und rin mit die Gefühle,
als ob!​
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Paul Celan, Wasser und Feuer


So warf ich dich denn in den Turm und sprach ein Wort zu den Eiben,

draus sprang eine Flamme, die maß dir ein Kleid an, dein Brautkleid:

Hell ist die Nacht,
hell ist die Nacht, die uns Herzen erfand
hell ist die Nacht!

Sie leuchtet weit übers Meer,
sie weckt die Monde im Sund und hebt sie auf gischtende Tische,
sie wäscht sie mir rein von der Zeit:
Totes Silber, leb auf, sei Schüssel und Napf wie die Muschel!

Der Tisch wogt stundauf und stundab,
der Wind füllt die Becher,
das Meer wälzt die Speise heran:
das schweifende Aug, das gewitternde Ohr,
den Fisch und die Schlange –

Der Tisch wogt nachtaus und nachtein,
und über mir fluten die Fahnen der Völker,
und neben mir rudern die Menschen die Särge an Land,
und unter mir himmelts und sternts wie daheim um Johanni!

Und ich blick hinüber zu dir,
Feuerumsonnte:
Denk an die Zeit, da die Nacht mit uns auf den Berg stieg,
denk an die Zeit,
denk, daß ich war, was ich bin:
ein Meister der Kerker und Türme,

ein Hauch in den Eiben, ein Zecher im Meer,
ein Wort, zu dem du herabbrennst.
 
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Das gefällt mir auch immer wieder und ich bedanke mich dafür bei sophieswelt:

~~~~~~
Auch wunderschön von Gerhard Feil:
Manchmal ist es so kalt,
dass man sich an Gedanken die Finger verbrennt.
Manchmal ist es so grell,
dass sich sogar Gefühle in den Schatten flüchten.
Aber nie ist es so leise,
dass man nicht hören könnte, wenn ein Herz bricht.
 
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