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Liebe zu Sachen - das ultimative Weihnachtsfestthema

Ich glaube nicht, dass es Liebe ist, welches uns mit Gegenständen verbindet. Eher Erinnerung sozusagen Gedächtnisstützen der Seele. Besitzen und Verantwortung für den Besitz zu übernehmen, wäre denke ich eine sehr gute Kombination. Die Dinge zu pflegen und auf sie Obacht zu geben lernen. Besitzen muss gelernt werden. Wie und was wir besitzen zeigt unsere Werte und Moraleinstellung auf.

Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man alles verliert. Diese ganzen Gegenstände die man eigentlich nicht braucht. Die für anderen keinen Wert darstellen. Sie fehlen einem. Ich vermisse sie, sie sind unersetzbar. Die vielen Briefe, die Zeichnungen der Kinder. Die kleinen unnötigen Geschenke, Fotos, die sichtbaren Spuren meiner Vergangenheit. Der Kasten, das Bett, der Mantel… sie alle hatten eine Geschichte. Wie ich gespart habe, sie erworben habe, sie repariert habe, sie sind mit Ereignissen
verbunden. Dadurch wird die Selbstgestaltete Umwelt lebendig, persönlich. Jetzt habe ich eine Schaufensterwohnung, sehr schön eingerichtet… aber es fehlt einfach das gewisse Etwas, das sich erst im laufe der Zeit einstellt. Das ist es was sie zu meinem Besitz macht.

Ich hatte eine Puppe. Sie wusste meinen ganzen Kummer und Freuden. Sie machte mir das Leben im gehassten Kloster erträglich. Sie war immer bei mir. Wurde sie mal von mir irgendwo vergessen, sorgte das immer für Aufregung. Meine Schwester hat ihr aus Eifersucht die Finger und die Füße abgebissen. Die andere hat ihre Haare abgeschnitten. Als ich von der Quarantäne die Puppe nicht mehr bekam, musste mein Vater Himmel und Hölle in Bewegung setzen damit sie desinfiziert wurde und ich sie wieder bekam. Meine Mutter hat für sie ein Jäckchen gestrickt. Es waren meine schönsten Weihnachtsgeschenke. Als ich schwanger war, da wusste ich es noch nicht, habe ich dieser alten Puppe ein neues Babykleidchen gekauft. Vor ein paar Jahren nahm meine Freundin die Puppe sie sinnierte so nach… nach einer Weile sagte sie, riecht immer noch nach dir. Meine Puppe war etwas ganz besonderes. Ich hätte sie niemals mit irgendwem geteilt. Alles andere aber nicht meine Puppe. Sie war nicht mein Besitz, sie war Teil meiner Kindheit. Meine Puppe ist immer noch Gesprächsthema bei Familientreffen.
 
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Original geschrieben von e-a-s
@ majanna




Warum versuche ich, e-a-s Begriffe argumentativ zu versagen, die ich selbst verwende?
Ist es mir möglich, die darin enthaltene Inkonsequenz und damit die Widersprüchlichkeit meiner Diskussionsweise zu erkennen?
)


e.a.s !

Ich bin ein Mensch.
Jeder Mensch ist -ob bewusst oder unbewusst - widersprüchlich.
Also bin ich widersprüchlich.

Und das gerne, es ermöglicht mir, zu leben und mit mir zu "kämpfen".


Grüße
Majanna
 
Hallo Majanna,

interessantes Thema, ohne Zweifel.
Ich komm‘ jetzt mal hier mit ein paar anderen Stoßrichtungen – bin gespannt, ob ich verwirre, oder entwirre (auch mich selbst).

1. Radikaler Konstruktivismus.
Allen ein Begriff? Die Idee, dass man von keiner objektiven Realität ausgehen kann, sondern “die Welt“ ein Konstrukt aus Sinneswahrnehmungen innerhalb des Bewusstseins ist.

Da ein anderer Mensch (für uns auch ein Konstrukt), nicht in uns hinein sehen kann, ist er auf Beobachtung angewiesen. Viele Individuen beobachten sich gegenseitig und einigen sich irgendwann (vereinfacht gesagt), wie bestimmte Handlungen zu nennen sind. So kommen sie z.B. auf den Begriff der Liebe. Liebe ist dann aber kein Gefühl, sondern ein Code. Ich sehe eine Handlung und ordne sie dem Code der Liebe zu.
Dies muss man aber trennen von Gefühl der Liebe. Es steht außer Zweifel, dass sowohl Dinge als auch andere Individuen im Menschen starke Emotionen hervorrufen können. Bei anderen Menschen ist dies Gefühl durchgängig positiv besetzt. Selten wird einem die Tatsache angekreidet, einen Menschen zu sehr (emotional) zu lieben.
Bei Dingen wird diese Beobachtung (dass einer stark emotionalisiert wird durch Besitz) oft zwiespältig aufgenommen. Dabei macht eine emotionale Bindung an Besitz durchaus Sinn nämlich aus

2. Biologischer Sicht
Muss ich ja nicht viel zu sagen, oder? Evolution, Überlebenskampf des Stärkeren. Die „Natur“ könnte es durchaus als gleich wichtig angesehen haben, emotionale Bindung zu Besitz aufzubauen wie zum Beispiel zur Mutter. Der Reflex, etwas bei sich zu behalten, sichert das Überleben in einer archaischen Umgebung.
Zum Glück entwickelt sich die Gesellschaft aber weiter. Es wird geteilt. Arbeit wird geteilt und Besitz. Und natürlich gehören Teilen und Besitz dann zusammen wie Meer und Wasser. Teilen nur ideell zu sehen, ist rein moralisch argumentiert und blendet andere Aspekte in einer Weise aus, die nicht weiterbringt. Diese

3. moralische Argumentation
muss mühsam fundiert werden. Oft durch Gott oder die Annahme, dass bestimmte moralische Prinzipien einen absoluten Wert haben. Dies lehne ich ab.
Es ist nicht einzusehen, warum emotionale Bindung zu Besitz generell als moralisch wesentlich minderwertiger zu beurteilen ist, als andere Formen emotionaler Zuwendung. Diese Bindung ist Teil unsres biologisch/gesellschaftlichen Erbes. Emotionale Bindung zu Dingen zu sanktionieren heißt, ständig gegen eine Welt zu kämpfen, die auf das Teilen aufgebaut ist: Auf Arbeit Teilen. Auf Besitz Teilen. Auf Zuwendung Teilen. Erst die Möglichkeit, zu entscheiden, was ich mit wem teilen möchte, gestattet mir, Personen, Dinge und Situation unterschiedlich emotional zu bewerten. Und dieser Lernprozess, da möchte ich Majanna zustimmen, ist bestimmt wesentlich für ein Kind – wie auch für eine Gesellschaft.
Auch Liebe zu Menschen ist nie selbstlos. Sie ist sogar (siehe Punkt eins) nur IM Selbst. Ein Konstrukt. Die selbstlose Liebe wurde schon so oft enttarnt, dass nur noch verträumte Romantiker oder verbiesterte Theologen dran glauben mögen.

Bleibt noch die Irritation des Begriffes Liebe auf Dinge bezogen. Als Code halte ich den Begriff Liebe für Dinge ungeeignet. Liebe ist in der Hinsicht auf Menschen beschränkt. Nicht aus moralischen Gründen, sondern nur weil eine WECHSELWIRKUNG die Liebe (als Code) mit Leben erfüllt. Dinge lieben nicht zurück. Wenn einer trotzdem sagt, er liebe sein Auto, seinen Malt oder seinen Gartenzwerg, ist das eine individuelle Entscheidung, seine Emotionalität so zu benennen. Dies würde ich nicht verurteilen. Im Gegensteil, ich liebe meine Gitarre, Beethoven und meine Freundin. Differenziert natürlich. Aber alle Art von Liebe kann voneinander lernen...

Oder?
 
Zweite Zwischenbilanz:

Es war mir klar, dass dieses Thema kontrovers geführt werden würde.

Aber einerseits hatte ich den Wunsch, gemeinsam mit Euch die Weihnachtsseligkeit ein wenig ins Wanken zu bringen und andrerseits hatte ich mir das Thema vorher nicht theoretisch in der Art von Robin, der ja alle unsere Diskussionsbeiträge in ein System bringt, durchdacht .Ich finde, wenn der Themensteller/ die .... in gleich am Anfang ein vollständiges Denkgebäude vorstellt, erwächst kein wahrhaftiger Diskurs.
Wirrlicht kann sich nicht einig werden, ob Liebe zu Sachen nur mit Liebe zum Kind erfahrbar gemacht werden kann. Das weiß ich auch nicht. Ich habe, wie Du weißt, immer beides erfahren und so war ich in der Lage, es auch erfahrbar zu machen. Muss ich nicht nur hoffen, ist mir von meinen erwachsenen Töchtern als feed back gekommen. Und die Erziehungswissenschaftler sind da auch nicht einer Meinung.

Akelei und übrigens auch Robin, wollen den Begriff Liebe nicht auf Sachen angewendet wissen. Man kann Personen lieben, aber Sachen nur sehr emotional besetzen.
Das ist auch meine Meinung: Aber ich stelle hier noch einmal meine Definition von Liebe vor: Liebe ist ein sehr hoher Grad an emotionaler Zuwendung. Nun mag die Definition falsch sein, aber in dieser kann man Liebe zu Personen und Sachen unterbringen.
Ganz fachprotzerisch: in der Erziehungswissenschaft nennt man das, worüber wir uns alle einig sind, Dingbeziehung. Und die kann so stark sein wie in dem berührenden Beispiel von Akeleis Puppe.
Und wir alle leugnen ja nicht die Tatsache, dass Besitz zur Identität gehört. Robin weist zusätzlich auf den biologisch evolutionären Aspekt des Besitzes hin. Das, was Du an dieser Stelle sagst, ist ja ein Teil des Motors der Weltgeschichte (Klassenkämpfe/ Machtkämpfe um Besitzstandswahrung)Aber genaueres Eingehen auf diesen Aspekt würde m.Es. den Rahmen der Themenstellung sprengen.

Robin: zu Punkt 1:
Meinst Du mir dem konstruktivistischen Ansatz bei der Fragestellung, dass alle Objekte – auch nicht mathematische, also auch an Menschen vorfindbare Verhaltensweisen nur existieren, wenn wir sie konstruieren?
Na ja, Du beantwortest mir die Frage irgendwie schon, ich vereinfache: wir konstruieren den Begriff Liebe, indem wir ihn mit empirisch nachweisbaren Verhaltensweisen belegen.

Da denke ich wie Du. Was mir aber nicht ganz klar bei Deinen Worten ist, ist die Trennung vom Gefühl der Liebe.
Meinst Du, dass jedes Individuum Liebe anders erlebt und dieses Gefühl affektiver Zuwendung aber nur im „Code des Konstrukts der Liebe“ ausdrücken kann. Na, da bin ich mir sicher.
Das bedeutetet dann aber – weiter gedacht – dass alle Abstrakta der Emotionalitäten letztlich nur individualistisch erfahren werden können.

Ich weiß gar nicht wie sich die Idee des Teilens in unseren Diskurs „eingeschlichen“ hat. Schließlich ist diese Teilungsideologie gesellschaftlich notwendig – Du hast das kurz ausgeführt-, moralisch aber doch hinterfragungswürdig.
Das tust Du ja auch.
Wir haben hier vor kurzen die Relativierung eines andern „hohen Gutes“, dem Gut –sein- sollen des Menschen durchgeführt .Die Frage, wem das Teilen nützt, ist genau so zu beantworten wie die nach dem Nutzen, die/der Gute/r aus seinem Gutsein zieht.

Nun wünsche ich Euch allen ein gutes Nächtle und verbleibe eher schlaflos

Eure einige Dinge nur etwas weniger als die Menschen liebende Majanna
 
Hallo Majanna,

gut zusammengefasst.
Ich hatte aber in der Eile etwas übersehen: Dass nämlich der Begriff der "Liebhaberei" längst generalisisert und eingeführt ist. Er konnotiert zwar Begriffe wie edel, gut gearbeitet, Rarität (Liebhaberstück), ist also meist der Elite vorbehalten; Dennoch kann natürlich ein Liebhaber sagen, dass er seine Dinge liebt, ohne dass dies mit der Liebe zu Menschen verwechselt wird. Hier ist der Begriff doppeldeutig, wie überhaupt die deutsche Sprache hier sehr differenziert ist. Es stehen Liebhaber/in, Geliebte/r zur Verfügung wie auch lieb haben und lieben. Im Englischen muss man meines Wissens mit lover und to love vor"lieb" nehmen...aber das nur nebenbei.
Zum anderen Punkt. Der radikale Konstruktivismus war nur ein Anfang. Der "operative Konstruktivismus" (die Systemtheorie) bezweifelt nicht, dass alle Dinge auch "für sich" existieren. Alles andere wäre Mumpitz. Aber man kann die Welt nur anhand seiner Beobachtungen und Wahrnehmungen beschreiben. Man ist Beobachter von Beobachtern. Und aus dieser Wechselwirkung von Selbstbeobachtung (Selbstreferenz) und dem Beobachten anderer (Fremdrefernz) versucht man ein Modell der Welt zu konstruieren, das man dann möglichst generalisiert beschreibt, um auch andere daran teilhaben zu lassen.
Dennoch bleibt bei dieser (eigentlich soziologischen Weltsicht) nicht aus, das Dinge ungewohnt beschrieben werden und Vergleiche gezogen werden, die recht unüblich sind.

Zur Unterscheidung Code/Gefühl ein wortwörtliches Zitat Luhmanns:
"Der Code ermutigt, entsprechende Gefühle zu binden. Ohne ihn würden die meisten, meint La Rochfoucault, gar nicht zu solchen Gefühlen finden (...) es handelt sich also nicht um eine reine Erfindung soziologischer Theorie, sondern um einen in der Liebessemantik längst reflektierten Sachverhalt." (Luhmann, "Liebe als Passion")
Ich fand dies Aussage recht verblüffend, aber bei näherer Beschäftigung sehr einleuchtend und nützlich.

P.S. ich werde bestimmt icht immer alles in ein System einordnen...aber ich bin einfach gespannt, ob sich Leute finden, die sich für diese hochmoderne Weltsicht interessieren - oft scheint alles philosophieren spätestens bei Nietzsche oder Sartre aufgehört zu haben.

Schöne Grüße und schönen Advent
 
Hallo, Robin,


Du darfst Dich als eine Wasserleitung betrachten, die einer Dürstenden Wasser verspricht, wenn sie den Hahn aufdreht.



Dein obiges Post und das darin enthaltene Luhmanzitat, das so genau auf Prozesse anspielt, die mir als irgendwie wichtig erschienen, sind das Wasser.

Und aufgedreht habe ich den Hahn auch schon: kurzer Informationsblick in mein Philosophielexikon - aus Google eine Biographie rausgedruckt und dann noch das Skript eines Vortrages von ihm: Entscheidungen in der "Informationsgesellschaft". als Originaltext.

Und ich verspreche Euch allen: ich werde jetzt ein wenig Ruhe geben und mir ein schönes Diskussionsthema aus dem Referat dieses Soziologen "rausdenken". Aber eigentlich wärst Du für Luhmanns Gedanken zuständig!?:) :)

Liebe Grüße - ganz aufgeregt und gar nicht zum Scherzen aufgelegt

Majanna


Danke
 
Original geschrieben von Robin

Zum anderen Punkt. Der radikale Konstruktivismus war nur ein Anfang. Der "operative Konstruktivismus" (die Systemtheorie) bezweifelt nicht, dass alle Dinge auch "für sich" existieren. Alles andere wäre Mumpitz. Aber man kann die Welt nur anhand seiner Beobachtungen und Wahrnehmungen beschreiben. Man ist Beobachter von Beobachtern. Und aus dieser Wechselwirkung von Selbstbeobachtung (Selbstreferenz) und dem Beobachten anderer (Fremdrefernz) versucht man ein Modell der Welt zu konstruieren, das man dann möglichst generalisiert beschreibt, um auch andere daran teilhaben zu lassen.
Dennoch bleibt bei dieser (eigentlich soziologischen Weltsicht) nicht aus, das Dinge ungewohnt beschrieben werden und Vergleiche gezogen werden, die recht unüblich sind.
(...)

P.S. ich werde bestimmt icht immer alles in ein System einordnen...aber ich bin einfach gespannt, ob sich Leute finden, die sich für diese hochmoderne Weltsicht interessieren - oft scheint alles philosophieren spätestens bei Nietzsche oder Sartre aufgehört zu haben.

Schöne Grüße und schönen Advent

Jenseits von Gott und Nietzsche

Es ist schön, etwas von dieser „hochmodernen“ Philosophie Luhmanns zu lesen, der Habermas in seiner wahrscheinlich nicht gerade so „modernen“ Philosophie Verwandtschaft zur Subjektphilosophie nachgewiesen hat. Es ist leider so, dass ich mit Herrn Habermas nicht immer einer Meinung bin, aber in diesem Punkt leuchtet seine Argumentation durchaus ein.

Das schönste an Luhmanns Philosophie ist natürlich der „blinde Fleck“, der auf Heinz von Foersters Formulierung des „blind spot“ zurückzuführen ist. Dieses Prinzip besagt eigentlich nicht viel mehr, als dass eine Beobachtung, die sich an irgendeiner Unterscheidung orientiert – und alle Beobachtungen tun dies (sie orientieren sich sozusagen an den „Codes der Funktionssysteme“) – und konstruktivistisch anhand der Ableitung aus dieser Unterscheidung weiterfährt zu beobachten, an die getroffene Entscheidung nicht wieder mit derselben Unterscheidung herangehen kann (Beispiel mit dem binären Code wahr/unwahr: Wenn eine Beobachtung sich an dieser Unterscheidung orientiert, ist sie selbst nicht in der Lage zu beobachten, ob die Entscheidung für eine der Oppositionen oder auch für ein Sich-Entgegensetzen gegen diese Opposition als ein Ganzes, wiederum wahr oder unwahr ist). Um also konstruktivistisch beobachten zu können, schliesst man immer schon etwas aus: den blinden Fleck der eigenen Beobachtung. Das heisst also, man konstatiert etwas, indem man einen Schnitt macht, einen Moment isoliert und eine Seite einer binären Opposition für eine weiterführende Beobachtung präferiert und stark macht. Auch Luhmann ist kein Beobachter seiner eigenen Beobachtungen – wir haben es also mit einem Paradox zu tun und mit einem Kniff, dieses mittels eines laschen Verweises auf den „blinden Fleck“ weg zu konstruieren, sprich: eigentlich auszublenden. Das bedauernswerte Axiom, von dem hier gesagten her weiterzuführen, mündet in der Formulierung eines Satzes, den wir alle kennen. Man darf ihn getrost den „Satz vom Grund“ nennen oder aber auch den „Satz vom Widerspruch“ (beispielsweise). Ich zitiere mit grossem Vergnügen abermals Nietzsche: „Wenn nach Aristoteles der Satz vom Widerspruch der gewisseste aller Grundsätze ist, wenn er der letzte und unterste ist, auf den alle Beweisführungen zurückgehn, wenn in ihm das Princip aller anderen Axiome liegt: um so strenger sollte man erwägen, was er im Grunde schon an Behauptungen voraussetzt.“
Was mich mindestens ebenso sehr interessiert wie die paradoxe Dekonstruktion des „Satzes vom Widerspruch“ ist das Erbe der Subjektphilosophie, das auf der Systemtheorie lastet. Denn die Gewissheit, dieser Grundsatz, mit dem Beobachten trotz des festgestellten „blinden Flecks“, der konsequenterweise nicht feststellbar ist und von Luhmann ex negativo formuliert werden muss, weiterzufahren, ist als Analogie zum ‚Ich’ als einem ‚ich denke’ zu betrachten. ‚Ich denke’ heisst, dass das ‚ich’, dass dieses ‚ich denke’ ausspricht, den Widerspruch vermeiden möchte. Denn mit der Aussprache ‚cogito’ – ‚sum’ wird immer bereits das ausgesprochen, das im ‚suiectum’ liegt, nämlich das ‚ego’. Und gegen dieses ‚ego’ kann das Prädikat, d.h. das, was im Prädikat gesetzt und gesprochen ist, nicht sprechen.
Ich habe hier den Imperativ der Logik nachgezeichnet, der Imperativ der Logik als Imperativ. Und um mit Nietzsche zu sprechen wäre die Logik nach dem Satz „vom Widerspruch“: „(…)ein Imperativ, nicht zur Erkenntnis des Wahren, sondern zur Setzung und Zurechtmachung einer Welt, die uns wahr heissen soll.“

Ob dann noch Dinge „für sich“ stehen sollen, ob es da mit Gewissheit einen wohl „an sich seienden“ Beobachtenden gibt, das sind Fragen, die sich wohl nur mit einem Beharren, einem setzenden und gewaltsamen Beharren auf dem sich selbst den Boden entziehenden „Satz vom Widerspruch“ beantworten lassen. Wenn also ein Subjekt gesetzt wird, ein Beobachtendes, dann ist eine Selbstbeobachtung nur mittels Unterscheidung und schliesslich Isolierung eines Anderen möglich, das in seiner Andersheit niemals erfasst (und belassen) werden kann (Luhmann glaubte selbst zu wissen, dass die „Umwelt“ eines „Systems“ offen sei). Dies führte konsequenterweise wiederum zur Errichtung einer unvollständigen, da über das Andere bedingte, Identität des Beobachtenden und einer Unterminierung des Beobachtungspunktes. Das „Modell der Welt“, das aus der seltsamen „Wechselwirkung“ zwischen diesen unmöglichen Positionen entstehen soll, wäre also anhand der Logik der eigenen Theorie paradoxer „Mumpitz“. Denn wer beobachtet, wenn es den Beobachtenden und das Beobachtete „an und für sich“ so leichtfertig nicht geben kann? Für mich konstruiert sich Luhmann, ein wenig unehrlich zwar, in den von ihm selbst über eine gewisse Zuschüttung geschaffenen Abgrund und versucht dies auf schlaue und Art und Weise zu kaschieren.

Alles, was ich sagen möchte: Einen Fritz Nietzsche wischt man nicht so leicht vom Tisch. ;)
Wir sind – eine sehr tollkühne These – längst nicht jenseits von Nietzsche angelangt und den Tod des absoluten Subjekts, den Tod Gottes, den haben wir gleichsam längst nicht so gut verdaut, wie es den Anschein gemeinhin machen könnte.

Zur Liebe zu den Sachen fällt mir ein: Liebt man denn jemals anderes, als eine Sache? Mir wurde längst nicht überzeugend dargestellt, dass man an einer Person nicht schon immer nur die Person als Sache liebt, die Person als Bündel von Eigenschaften, die wir der Person zugeschrieben haben müssen, um mit ihr in Korrespondenz getreten zu sein. Liebt man die Person um ihrer selbst willen, auch wenn sie ihr ‚Selbst’ just im Moment verlieren musste, als sie als Person von einem Anderen erkannt wurde?
Liebt man also ein Moment dieses Etwas (dieser Sache), dieses Beziehungsstiftenden, das zur Identität der Beziehung und überhaupt zur Identität der einen Person (unter der Prämisse der Auseinandersetzung mit einer anderen Person) führt oder liebt man denn wirklich die andere Person? Das zweite würde voraussetzen, dass diese liebende Person, dieses Liebende, bereits zur Liebe (sich in einer Identität mit sich selbst befindend, einem absoluten Bei-Sich-Sein) fähig war, bevor das Andere, bzw. die andere Person aufgetreten ist. Da aber wohl nur das allererste Wesen – wenn es denn ein Wesen war – das ‚ens increatum’ denkbar bei sich selbst war, kann es da eine Liebe zu Personen in aussergöttlichem Sinn geben? Wer anders kann in dieser Logik eine Person lieben ausser Gott? Diese Logik riecht mir – wie die Philosophie Luhmanns – verdächtig nach einer unehrlichen Kaschierung der eigenen theologischen bzw. subjektphilosophischen Wurzeln. Wie ich sagte: Das Jenseits von Gott und Nietzsche ist noch nicht erreicht. Auch nicht mit einer angeblich „hochmodernen Weltsicht“. Nietzsche, leider einer der schlimmsten Oberpriester, hat gelehrt (oder gepredigt), den anzüglichen Priestern nicht so leichtfertig und unbeschwert zu folgen. Hätte man doch auf Zarathustra gehört und ihn gelassen, als er gegen Ende des 2. Kapitels zu einem Heiligen sprach: „Was hätte ich euch zu geben! Aber lasst mich schnell davon, dass ich euch nichts nehme!“

Ich gestehe: Ich halte ihn immer noch an seiner Ferse fest und klammere mich wie ein Schiffbrüchiger an diese sich in einem reissenden Strudel drehende Planke.
 
Original geschrieben von wirrlicht
Über die Jahre hatte ich Unmengen an Krempel angesammelt, wie's den meisten wohl geht. Man hat so viele Sachen, die im Grunde bedeutungslos sind, man würde es vermutlich gar nicht bemerken, wenn sie einfach so verschwinden würden.

Ich habe mich für mich mittlerweile gelernt dass es gut tut, sich von all diesem Krempel zu trennen, los zu lassen und nur mehr an den Dingen zu hängen die einem wirklich wesentlich scheinen, z.B. Fotos die helfen Erinnerungen zu konservieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Original geschrieben von majanna
Aber einerseits hatte ich den Wunsch, gemeinsam mit Euch die Weihnachtsseligkeit ein wenig ins Wanken zu bringen

Dazu fällt mir etwas ein das ich in ein eigenes Thema stellen werde, danke für das schöne Stichwort...
 
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Sei gegrüßt, Florentin! Ohne Dir jetzt nahe treten zu wollen, noch ganz überlegt (auch Großmütter haben
Stress) nur so viel auf die Schnelle.

Der erste Teil Deines Posts geht an Robin zum Beantworten .Außerdem reicht eine drei
viertel Nacht Befassen mit Gedanken eines Wissenschaftlers nicht aus, um ihn zu kritisieren oder um vorbehaltlos seinen Ideen zuzustimmen.
Daher von mir nur eine kritische allgemeine Bemerkung:

Hat nicht j e d e s System blinde Flecken ? Und zwar genau dort, wo die Vorannahme ( das Axiomatische) einsetzt. Ich kenne Nietzsche nicht sehr genau, aber es ließe sich bei einiger Suche auch dessen blinder Fleck ausfindig machen.
Ich vermute, dass es in seiner inhumanen Sicht auf die Armen und Schwachen zu finden wäre. Nicht umsonst ließ sich seine Ideologie von den Nazis so wunderbar ausbeuten. Nicht umsonst ereifert sich in den beiden Foren, in denen ich lese ( Du übrigens auch), gerade die, sich als elitär definierende Jugend an seinen Ideen.

Zum eigentlichen Thema hast Du – eben im elitären Code des – nicht nur Bildungsbürgers, sondern im Zusatzcode eines Mannes, der meint, seine Erkenntnisse in einem nur ihm zugänglichen Code mitteilen zu müssen, das gesagt. was mich zum Eröffnen des Threads trieb.
Diesen Gedanken bin ich sehr zugänglich, wie Du beim genauen Lesen meiner vorfindlichen Posts entdecken wirst – sie regten mich an, die Frage nach den Dingbeziehungen in den Forenraum zu stellen.
Danke jedenfalls für Deine Zusammenfassung der Verteidigung des Liebens von Dingen.

Freundliche Grüße
Majanna
 
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