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Ich bin meiner Erinnerungen

AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Hallo Marianne und die andern!
Als erstes fiel mir der Witz vom Alzheimerkranken ein, der sich so freut, dass er jeden Tag neue Menschen kennenlernt.

Und dann kam auch schon der Gedanke an meine immer wiederkehrende Traurigkeit - um meine Zustände nicht als Depression zu bezeichnen, denn ich kann ja fühlen wie es mir geht.
Diese Traurigkeit kommt aus der Erinnerung. Durch aktuelle Ereignisse wird etwas in mir berührt, das diese Erinnerung an ein schmerzhaftes Gefühl auslöst. Das damalige Ereignis hatte ich verdrängt und nun bin ich offensichtlich in der Verfassung, dieses Ereignis zu ertragen und die Gefühle richtig zuzuordnen.

Ohne das Erinnerungsvermögen hätte ich keine Geschichte. Dann wär es egal, wer meine Vorfahren und meine Familie sind. Dann könnte ich mich täglich neu definieren.

Es ist schon sehr spannend, die Erinnerungen als "Erinnerungen" zu betrachten. Man kann sich bewusst machen, dass manches einfach nichts als Erinnerung ist. Man kann auch manchmal sehen, wenn man genau hinschaut, dass manche Erinnerungen eigentlich nicht das wiedergeben, was man erlebt hat, sondern das, was man darüber immer wieder erzählt hat. D.h. die schönen Ausschmückungen erscheinen uns selbst als das wahre Erlebnis von früher. Wir machen uns unsere Geschichte selbst, damit sie für uns erträglich wird.

Da gabs vor einiger Zeit einen Bericht auf 3sat zu diesem Thema. Leider kann ich mich nicht erinnern, wer diesen Bericht gestaltet hat und wie die Sendung hieß. Erinnern ist anscheinend eine gut dosierte Mischung aus dem was wirklich geschah und dem, was wir uns gewünscht hätten, was geschehen hätte sollen bzw. was wir befürchtet hätten, was sonst noch alles geschehen hätte können.

Für mich ist es auch noch interessant, dass "Erleuchtungs"-Suchende erst ihr EGO loslassen sollen, um in Verbindung mit dem spirituellen Bewusstsein kommen zu können. Dieses EGO ist ja mMn nichts anderes als die Erinnerung an alles das, was wir im Lauf des Lebens lernen, mit dem wir uns identifizieren über das hinaus, was wir alle gemeinsam sind. Dieses subjektive Erinnern macht uns erst zu Individuen.

Ich beobachte auch, dass wir anscheinend alles, was wir in uns selbst entdecken, mit dem vergleichen, was wir in unserem Umfeld und mit anderen Menschen wahrnehmen. Ununterbrochen wird so abgeglichen, wie das, was wir spüren und denken, mit dem was rundherum da ist zusammenpasst, welche Spannungen daraus erwachsen, welche Schlüsse wir daraus ziehen sollen, wie das unsere Weltsicht beeinflusst. Da beziehen wir auch unsere früheren Gedanken und Erfahrung mit ein.

Hmmmm. Das Thema ist ergiebig. Erinnerungen an vieles, was ich vor längerer Zeit gelernt bzw. erlebt hab, tauchen auf.

Aber erstmal lass ich es genug sein.
Danke Marianne!

Die Gedanken der anderen zu diesem Thema muss ich erst noch anschauen. Das ging sich jetzt noch nicht aus!

:blume1:
 
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AW: Ich bin meiner Erinnerungen

"Ich bin meine Erinnerungen" – ein gutes Thema, liebe Marianne.
Aber stimmt dies auch, so ausgedrückt?



Ich weiß, Crossposting soll man nicht machen, aber da Marianne dieses Thema auch in einem anderen Forum eröffnet hat und Miriam dort geantwortet hat, weise ich der Einfachheit und meiner Faulheit wegen mit einem Link auf meine Antwort

http://community.seniorentreff.de/forum/index.html?mode=po_view&po_id=102720&th_id=102518#102720
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

`+´

Marianne schrieb:
ALLERDINGS - das ist halt meine Meinung - spielen dabei die Erinnerungen- die an unsere persönliche Biografie - eine sehr wesentliche Rolle.

Das eben meine ich ja wohl, wenn ich mich selbst verstehe, dass nicht jede Erinnerung, die wir selbstverständlich an unser Leben haben, uns SEIN erlebbar machen --- viel Erinnerungen sind wohl an Rollenspiele geknüpft, die aufgrund der Regeln zu interpersonell austauschbaren Erfahrungen führen.
Aber: es gibt eben in unseren Erinnerungen solche, die NUR uns gehören ... die, die nicht austauschbar sind.

ER - I N N E R U N G

Wir könnten die Ich-Erinnerung auch so verstehen:
Erinnerung sucht die Vergegenwärtigung des
Vergangenen. Meine Vergangenheit reicht
durch meine Erinnerung in die Gegenwart.
Alles was Mich ausmacht das kommt
mir zu als ein erinnertes Besinnen.
Also lebe Ich die Vergegenwärtigung
meiner erinnerten Vergangenheit,
also meiner Lebensgeschichte.
In dieser Komplementierung
der Vergangenheit und
der Gegenwart
zu meinem Ganzen
fließen mein Ich
und meine Erinnerung
gleichsam ineinander
und werden Eines
ja sind Person,
eben Mensch!

diskurmenschlich
D
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

DISKURSANT
In dieser Komplementierung
der Vergangenheit und
der Gegenwart
zu meinem Ganzen
fließen mein Ich
und meine Erinnerung
gleichsam ineinander
und werden Eines
ja sind Person,
eben Mensch!

no future :)

MARIANNE
haben die Vorkommnisse, an die erinnert werden, ja zur Formung unseres Ichs - unseres auch aktuellen Seins - beigetragen und werden so zu "Ratgebern für künftiges handeln. Wobei ich glaube, dass diese "Erinnerungsratschläge sogar eher " unbewusst" zuschlagen.

und in der Kunst (Literatur, Film) werden zusätzlich Vorahnungen thematisiert

'Träume' ist wohl der Oberbegriff zu allem

es ei denn,
man geht auf die genetische Ebene

ändern sich die Gene der Wendeltreppe,
die ich bei der Fortpflanzung einbringe,
in Abhängigkeit meiner bisherigen Erlebnisse?

das müsste dann irgendwie auf alle Spermien zutreffen
oder
die jeweils besten Spermien müssten irgendwie im Vorteil sein
oder
regelt letztendlich alles die Eizelle der Frau?
'So nicht! Bitte der Reihe nach!'
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Zitat Lilith:
Es ist schon sehr spannend, die Erinnerungen als "Erinnerungen" zu betrachten. Man kann sich bewusst machen, dass manches einfach nichts als Erinnerung ist. Man kann auch manchmal sehen, wenn man genau hinschaut, dass manche Erinnerungen eigentlich nicht das wiedergeben, was man erlebt hat, sondern das, was man darüber immer wieder erzählt hat. D.h. die schönen Ausschmückungen erscheinen uns selbst als das wahre Erlebnis von früher. Wir machen uns unsere Geschichte selbst, damit sie für uns erträglich wird.

Da gabs vor einiger Zeit einen Bericht auf 3sat zu diesem Thema. Leider kann ich mich nicht erinnern, wer diesen Bericht gestaltet hat und wie die Sendung hieß. Erinnern ist anscheinend eine gut dosierte Mischung aus dem was wirklich geschah und dem, was wir uns gewünscht hätten, was geschehen hätte sollen bzw. was wir befürchtet hätten, was sonst noch alles geschehen hätte können.

Das Bewusstsein ist ja schon eine höchst seltsame Sache.
Da gibt es ja immer diese verschiedenen Zeitebenen, die problemlos nebeneinander bestehen können.
Das wollte ich auch ein wenig mit meiner Bloggeschichte ausdrücken.

Kein Wunder dass da auch Erleben, Erinnern und sich Zukünftiges Vorstellen dann manchmal wild durcheinander geht und sich dann noch mit Geschichten mischt, die wir mal irgendwo gehört oder gelesen haben.
Und natürlich auch mit der eigenen Phantasie, die vielleicht dazu neigt, allzu Banales ein wenig aufzupeppen. ;)

Manchmal wünschte ich, ich hätte meine Erinnerungen als eine Art "Best of..."- Album in meinem Oberstübchen archiviert. Ich würde mich dann ganz entspannt zurücklehnen und die wichtigsten, grossartigsten und spannendsten Momente meines Lebens mir nochmal zu Gemüte führen, zufrieden seufzen und denken: Ja, das bin ich! Ist das nicht toll? :)

Aber leider funktioniert das nicht so. Aus dem, was in meiner bewussten Erinnerung hängen geblieben ist auf den Menschen, der ich heute bin zu schliessen, bräuchte eine ziemliche Portion Grosszügigkeit bei der Interpretation.

Und doch, ganz klar werden wir vom Erlebten geprägt, ob wir uns nun daran erinnern oder nicht.
Ich glaube aber, genauso, wie uns Erlebtes prägt, prägt uns auch Erfundenes.

Wie lilith denke ich, dass wir unsere innere Welt ständig neu gestalten.
Das Material dazu sind sicher einerseits Erinnerungen, Bilder (wie die von Marianne erwähnten), aber ebenso schöpfen wir aus dem grossen Teich der Geschichten anderer.

Und so würde ich für mich weniger sagen, dass ich meine Erinnerungen bin, sondern dass ich meine Erfindung bin. :reden:

Liebe Grüsse in die Runde
 
Ich bin meine Erinnerungen ...

... irgendwie findet sich alles wieder.
Was ich heute wiederfand, ist ein Text, den ich - mehr gefühlvoll als gekonnt - am 21.8.2007 verfaßte:

* Gedanken an einer Grabstätte *

Erinnerung ...
Ein „Paradies“ – wie Jean Paul es formulierte?
Nein. Was Erinnerung darstellt, ist häufig nicht Realität, wie sie einmal gewesen war.

Da hatte er diese Frau wiedergefunden. Nach fünfunddreißig Jahren.
Jahre, nachdem sie sich geliebt hatten. Hatten sie sich geliebt?
Endlich wiedergefunden nach der langen Zeit, in der er nach ihr auf der Suche gewesen war.
Aber nun?

Wenn er jetzt morgens aufwachte und an sie dachte, hatte er mit Übelkeit zu kämpfen. Nach einem mehrstündigen Telefonat wollte er doch nichts mehr mit ihr zu tun haben. Es fehlte die rosarote Brille -, es fehlte der Liebes-Wahn von damals. Der schwarzweiße Blick der Gegenwart tat nun Dinge auf, die ihm früher entgangen waren. Eine Egozentrik auf der anderen Seite, die ihm damals als bewundernswerte Selbstsicherheit vorgekommen war. Und jetzt ihr Enthusiasmus über ihre wiedergefundenen Kontakte, die er nicht teilen konnte. Eine verbalisierte Intimität, die er selber nicht mehr fühlte. Da war nur mehr ein leises, doch lediglich irritierendes Frohgefühl, das ihn bereits nach wenigen Stunden verließ, - als es ihm vorkam, er habe alles nur geträumt, wonach er in den letzten Jahren gesucht und was er jetzt – mehr durch Zufall – bekommen hatte.

Er wollte die Übelkeit los werden - und ignorierte das Läuten des Telefons, das sich nun Tag für Tag bis in die Abendstunden ständig wiederholte. Er wollte nicht erklären müssen, daß sich für ihn alles, alles geändert hatte. Daß die Vergangenheit nichts Romantisches mehr für ihn war. Die alten Bilder in seinem Kopf und in seinem Herzen -, sie wollte er nun los sein. Nur klappte es mit dem Verdrängungs-Mechanismus nicht, so lange immer und immer wieder das Telefon klingelte. Niemand hatte ihm etwas angetan. Jetzt nicht mehr. Und damals hatte er es akzeptiert, um nicht verlassen zu werden. Vielleicht war es das: daß die Kränkungen nun erst, nach einem halben Leben, zu wirken begannen.

Vielleicht geschah das alles nun aber, weil er ein Misanthrop geworden war.
Aus vielerlei – auch anderen – Gründen.
War er einer?
Sollte er sich bemühen, es herauszufinden?

Erst als er sterben mußte, wußte er es.
Da aber war es zu spät, um Erinnerungen zu reparieren.
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Liebe Marianne!

Er-Innern.Etwas im Inneren wird wieder berührt- durch einen Geruch, ein Wort, eine Geste, einen Tonfall...

Gerne würde ich manchmal aussortieren und manche Erinnerung verbannen.
Aber- muss mich stellen- man kann, glaube ich auch Erinnerungen" bearbeiten", wenn man ihnen einen neuen Stellenwert geben kann.

Habe ich unter anderem in einer Traumatherapie erlebt.
Nur- man muss vorher noch einmal durch- einigermaßen anstrengend!

Doch es gibt auch viele schöne Erinnerungen, die mich antreiben, eine durch Erinnerung gespeicherte Erfahrung zu wiederholen- in den Wald zu gehen um Heidelbeeren zu pflücken war gestern ein sentimentaler Ausflug in meine Kindheit...

Es mischten sich meine Gegenwart und bereits Erlebtes zu einer neuen Gegenwart!
Das Verführertum der Erinnerung ist der Wunsch etwas genau so zu wiederholen- dass ist ein Trugschluß- es ist alles immer wieder NEU!
Und trotzdem hat die Erinnerung viel Macht!

Liebe Grüße WW
 
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AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.

(Jean Paul, Die unsichtbare Loge)

In diesem Zitat steckt sehr viel Weisheit, dabei möchte ich es belassen.

Grüße - FirstDay.
 
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