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Ich bin meiner Erinnerungen

Marianne

Member
Registriert
9. September 2007
Beiträge
790
Schon einige Zeit denke ich darüber nach und habe mich auch schon ein wenig schlau gemacht, wie das so mit dem Zusammenhang zwischen Erinnerung und dem biographischen Gedächtnis funktioniert.

Aus neueren neuronalen Hirnforschungen wissen wir ziemlich genau ( vor allem anhand von Studien über Menschen, die ihr persönliches Gedächtnis verloren, aber in ihrem Lebensumfeld durchaus sinnvoll agieren ), dass es einen Unterschied macht, ob wir unser ICHGEDÄCHTNIS benutzen können --- also über unsere, unser Ich ausmachenden Sinnzusammenhänge aus der Erinnerung verfügen - oder ob wir - ich nenne das mal so - überindividuelle Marker benutzen, um uns auch anhand der Vergangenheit im Lebensvollzug zu orientieren. Man nimmt an - das habe ich gelesen - dass höher organisierte Säuger auch schon über so eine Art Orientierungsgedächnis verfügen.
Ich weiß zwar, dass ich 12 Jahre lang die Schulbank drückte .. weiß auch einige Situationen ... aber "Schule" ist eine kulturell leicht von Ich zu Ich übertragbare Erinnerungsmatrix ... Bahnfahren, Wandern, usw usw.... Wie ich mich aber als Schülerin ( Wanderin, Bahnfahrerin) in Einzelsituationen erlebte - solche Einzelerinnerungen sind es, die MICH konstituieren --- glaube ich.

Erinnerung passiert auf der neuronalen Synapsenschiene, die unterhalb des Großhirns im Hyppocampus liegt.- Wie ich las, spielen auch noch andere Hirnregionen eine Rolle bei diesem Speicherungsprozess: der Thalamus ( in den Schläfenlappen gelegen) z.B. , in dem alle Sinneseindrücke " verwurstet" werden, um dann ihren Weg in die Verabeitungszentren des Großhirns zu nehmen.

Soweit, so unwissenschaftlich ...
Aber dieses Technische will ich an sich nicht hinterfragen - kann es auch nicht ... deshalb gebe ich mein Thema auch in Philosophie.

Wenn wir annehmen, dass wir kein statisches Ichbewusstsein haben ... ich nehme das an - Selbstbeobachtung -, muss man auch vermuten, dass unser aktuelles biographisches Gedächtnis eine ständiger Prozess zwischen sagen wir einmal redundanten und neuen hinzukommenden Erinnerungsblöcken ist.


Was will ich eigentlich mit diesem Thema? ich weiß es nicht....

Vielleicht sagen es diese emotionalen Worte?


Ich bin meine Erinnerungen

an den Duft des Lindenbaumes vor meinem Elternhaus....
das verrußte Gesicht im Fenster des Zuges, der nach Schmilka fuhr....
das Entzücken, wenn meine kleinen Töchter mit mir am Herbstabend dem Flug der Krähen in den Wienerwald mit den Augen folgten....
an die schwitzende Angst vor jeder Unterrichtsstunde in der 4D
die tränende Feude bei der Ankunft meiner Enkel


Die Ereignisse des Alltags - nun -
sie haben mit mir wenig zu tun.
Da gackere ich wie `ne Tolle
in auswechselbarer Rolle.
So wie das arme Huhn
leg ich Eier, um etwas zu tun.



Korrektur
ich bin meinE Erinnerungen
 
Zuletzt bearbeitet:
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AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Hi Marianne,

Als ich deinen Beitrag gelesen habe ist mir nur eine Sache in den Sinn gekommen. => :kuss1: & :umarm:

Erinnerungen sind nur ein Teil von uns. Sie sind - hmmm ich sage mal - die Vergangheit in uns, aber es gibt da ja auch noch das jetzt und die Zukunft(Hoffnung) in uns. Ja, und alle drei Dinge ändern sich permanent. Das ist das schöne am Leben.

ganz liebe grüße
fussel
 
AW: Ich bin meine Erinnerungen

Popper sagt: „Alle Menschen sind Philosophen“ (Verlag Piper 2005).

Für mich wünschte ich, ich wäre einer.
Marianne ist bestimmt einer.

Nach meinen Erfahrungen sind ‚Philosophen’ Leute, die nicht von jedem verstanden werden. Und so geht es mir mit Mariannes Text. Also m u ß sie ....... eine Philosophin sein.

Das Thema „Erinnerung“ aber liegt mir auch.
Spannend, wenn Gedächtnisforscher Schacter behauptet: „Wir sind Erinnerung“ (rororo 2001) und der Rezensent nachzieht: „Erst unsere Erinnerungen machen uns zu Menschen“. Und hier wird ein Bogen geschlagen zu Márquez mit „Hundert Jahre Einsamkeit“, wo Menschen bestimmte Gedächtnisfunktionen verlieren.


*


In einem meiner Bücher fand ich einen Notizzettel mit meinem Vermerk ‚Erinnern -, eine innere Zeitreise’ -, woher auch immer ich das irgendwann abgeschrieben hatte. Und ich habe auch gelesen, daß das Gedächtnis an sich unzuverlässig ist. Und was mich massiv interessiert und betroffen macht, ist die Psychophysiologie des Traumas und wie sich der Körper erinnert und erkrankt (s. bei B. Rothschild).

*

Weiterdenken, erinnern .............., weiterschreiben?
Zu wenig Platz im Denkforum :-(
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

wobei Träume eher vorwärts gerichtet sind ?
und Erinnerungen eher rückwärts ?

Heimweh, Liebeskummer
und Vorahnungen
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Liebe Marianne,

so ein Zufall! Gerade heute habe ich einen Blogeintrag zum Thema Erinnern verfasst und jetzt sehe ich das Thema hier von dir :)

Muss wohl irgendwie in der Luft liegen.

Spannendes Thema, ich versuche später dann noch etwas "seriöseres" als meine Bloggeschichte dazu zu schreiben. :reden:

liebe Grüsse
Ela
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

`°´
Bin ich nicht viel mehr als meine Erinnerungen?
Ich betrachte mich als Resultat eines Lernprozesses
welcher mein Bewusstsein bin.

diskursich
D
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Marianne, so ungefähr ähnlich kamen mir vor kurzem auch Gedanken aus den Windungen :reden: und hab sie halt in dieser Form notiert:



Manchmal
begleiten mich
Erinnerungen
tagelang
aufsteigend
wenden sie
die Schatten in die Sonne
und sinken
wieder
nieder
zu Hick
und Hack
den unerkannten
Feuerbällen
einjeder
dieser
jener
unbegriffen
noch im Fluß
des Probelaufs
'zum günstigen Termin'



mit liebem Gruß
 
AW: Ich bin meiner Erinnerungen

Oh, Ihr ward aber fleißig in Euren Antworten.


@ Fussel @ Diskursant

selbstverständlich bin ich mehr als meine Erinnerungen..
Die intellektuelle Betonung liegt auf den BIN , dem Seinszustand, in dem wir uns möglichst störungsfrei als Ich erleben.

Du, Fussel, hast Recht, wenn Du sagst, dass die Gegenwart und die Zukunftsplanung auch zum Ichsein gehören -- und Du, Diskursant, dass wir immer im Handlungsentschluss das Ergebnis unserer Lernprozesse beobachten können.
ALLERDINGS - das ist halt meine Meinung - spielen dabei die Erinnerungen- die an unsere persönliche Biografie - eine sehr wesentliche Rolle.

Das eben meine ich ja wohl, wenn ich mich selbst verstehe, dass nicht jede Erinnerung, die wir selbstverständlich an unser Leben haben, uns SEIN erlebbar machen --- viel Erinnerungen sind wohl an Rollenspiele geknüpft, die aufgrund der Regeln zu interpersonell austauschbaren Erfahrungen führen.
Aber: es gibt eben in unseren Erinnerungen solche, die NUR uns gehören ... die, die nicht austauschbar sind.


@ scilla
Du sagst ( allerdinsg mit Fragezeichen versehen ), dass Einnerungen eher rückwärts gerichtet sind. Ja - sicher - in des Wortes erster und expliziter Bedeutung. Aber in dem von mir vermuteten Zusammenhang haben die Vorkommnisse, an die erinnert werden, ja zur Formung unseres Ichs - unseres auch aktuellen Seins - beigetragen und werden so zu "Ratgebern für künftiges handeln. Wobei ich glaube, dass diese "Erinnerungsratschläge sogar eher " unbewusst" zuschlagen.

@ ela ..
Ach, Dein Text ist aber auch ganz schön nachdenklich. Werde ihn morgen kurz kommentieren .... vielleicht gelingt es mir sogar, einen Zusammenhang mit meinen Ideen herzustellen.

@ Alice
Zuviel der Ehre ... ich hatte " auf Ehre und Gewissen" keine Ahnung, dass es darüber bereits eine reichhaltige Literatur gab.
Mein laienhafter Forscherdrang richtete sich zunächst ganz klassisch deterministisch auf die Frage: Wo wird bei uns erinnert ... und dann erst kamen die Fragen.

Und zum Stichwort: innere Zeitreise ..
Das ist sicher die bewusste ( oder auch auf der Psychiatercouch ) herbeigeführte Erinnerung..

Ich bin meine Überlegungen eher vom Schlagwort: biografisches Gedächtnis angegangen ... und von dort aus dann zu den beiden Zugängen : Individuationserinnerung und rollengebundene Erinnerung gekommen.
Und wie schon oben gesagt, beide sind jederzeit in uns und abrufbar.

@ qanape

den unerkannten
Feuerbällen
einjeder
dieser
jener
unbegriffen
noch im Fluß
des Probelaufs
'zum günstigen Termin'

Du drückst für mich wunderbar die "nackte" Tatsache aus, dass uns eben oft Erinnerungen dann ein/anfallen, wenn - so sehe ich das - unser Ich uns warnen will oder auch sich mit uns vorfreuen will.... und zeigst in poetischer Forn das auf, was ich auch im Eröffnungsposting sagen wollte: unsere nicht rational herbeigerufenen Erinnerungen bestimmen ( oft sogar unbewusst) unser Tun.

Danke Euch allen - lg

Marianne
 
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AW: Ich bin meiner Erinnerungen

"Ich bin meine Erinnerungen" – ein gutes Thema, liebe Marianne.
Aber stimmt dies auch, so ausgedrückt?

Spontan denke ich dabei wieder an Walter Jens – ich schrieb ja schon in einem anderen Thread über ihm – und weiß: er hat sein Gedächtnis, seine Erinnerungen verloren.

Uns aber bleibt die Erinnerung an dem was wir von ihm gelesen oder gehört haben, es bleiben uns auch seine wertvollen Schriften. Auch das ist Erinnerung.

Ich weiß nicht wie Jens sich selbst als Person empfindet. Anders ausgedrückt: ob ihm das Empfinden geblieben ist dessen was ihm wirklich ausmachte – und also auch weiterhin ausmachen wird.
Seine Frau Inge schrieb ja, dass man mit ihm nur emotional kommunizieren kann.

Natürlich gibt es auch den emotionalen Teil unserer Erinnerungen. Vielleicht ist dieser Teil auch bei uns eher derjenige der uns ausmacht.

Doch die Erinnerung, kann auch eine negative Macht auf uns ausüben.
Ich denke, dass die Fähigkeit uns zu erinnern, gepaart sein muss mit derjenigen des Vergessens. Auch das macht uns aus, diese Möglichkeit des Sortierens, des (unbewussten) Wählens zwischen dem was wir bewahren möchten – aber auch die Fähigkeit manches hinter uns zu lassen um uns nicht darin zu verstricken.

Auch dieses doppelte Potenzial des Gehirns, macht uns aus.

Gute Nacht Euch allen

Miriam

 
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