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Duzen, Siezen, Ihrzen

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Wie das 'Sie' entstanden ist

Ist das Siezen heute nicht unnötig? Wozu dient die Unterscheidung von "Du" und "Sie"?

Der Adel ist abgeschafft, es gibt keine "Ihre Durchlaucht" mehr. Andere Länder kommen doch auch ohne diese Unterscheidungen aus. Wen man ehren möchte, denn nennt man dort beispielsweise Herr, Dame und so weiter. Was für Gründe gibt es, sich siezen zu lassen, auf das Gesiezt-Werden zu bestehen? Den ausdrücklichen Wunsch, gesiezt zu werden, absichtlich zu missachten, ist eine Beleidigung; ist dies nicht lächerlich?

Was sagt IHR dazu?

Was ich dir dazu sagen kann: Wie das 'Sie' entstanden ist.


Frühmittelalter – Althochdeutsch – du

Die deutsche Sprache hat sich im 4. bis 6. Jahrhundert nach Christus aus den westeuropäischen germanischen Dialekten entwickelt, also zu Beginn des Frühmittelalters. In dieser althochdeutschen Form war das Du die einzige Anrede.


Hoch- und Spätmittelalter – Mittelhochdeutsch – du und ihr

Im neunten Jahrhundert kam als Anrede für hochgestellte Personen das Ihr dazu – als Pronomen des PLURALIS MAIESTATIS ‘Eure Gnaden’. Für sich selbst benutzten die Edlen das Pronomen ‘Wir’ – ‘Unsere Gnaden’. (Vordem – in der Spätantike – hatten nur die römischen Kaiser den PLURALIS MAIESTATIS für sich in Anspruch genommen.) Das Mittelhochdeutsche verwendete das Ihr im Hoch- und Spätmittelalter (1000 – 1500) nicht nur als Anrede für Edle, sondern allgemein auch als respektvolle Anrede für Fremde.


Frühe Neuzeit (vor der französischen Revolution) – Neuhochdeutsch – Sie und er

In der Neuzeit – in der hochdeutschen Form also – wurde das Ihr so inflationär, dass es als Anrede für Hochgestellte zu wenig Respekt ausdrückte. Man führte deshalb das Sie ein – als Pronomen für den Plural ‘Ihre Gnaden’: Der Herr durfte nicht mehr direkt angesprochen werden, nur noch über eine anwesende oder gedachte dritte Person. Das Sie verdrängte dann das Ihr nach und nach. Bei solchen Klassenunterschieden wirkte auch die Anrede ‘Du’ für Untergebene zu respektvoll. Die Hochgestellten begannen, diese ebenfalls indirekt anzureden – mit Er – also auch über eine anwesende oder fiktive dritte Person.


Späte Neuzeit (nach der französischen Revolution) – 'Hochdeutsch' – Sie und du

Das Er verschwand mit der französischen Revolution; das Sie hingegen wurde als Anrede für die neuen Herren – die Bürger – übernommen. Im 19. Jahrhundert waren deshalb nur noch zwei Anreden übrig – das Du für vertraute und das Sie für fremde Menschen.

Heute ist jede Anrede eine Entscheidung zwischen intimem Duzen und distanzierendem Siezen. Es gibt das intime Du zwischen Freunden und das kollegiale Du am Arbeitsplatz, aber auch das respektvolle Du im Emmental und in sozialdemokratischen Parteien. Dasselbe respektvolle Du hat im Internet Einzug gehalten. Die Duzerei im Fernsehen dagegen ist inflationär und wirkt zuweilen aufdringlich und deplaziert. Auch das respektlose Du gegenüber Ausländern ist nicht auszurotten.

© bei mir

.
 
AW: Duzen, Siezen, Ihrzen

Du - Sie, bei mir ist das, wie bei Vielen hier, im realen Leben (wobei ich mich immer wieder frage, ist der Austausch via Internet nicht auch real?), abhängig vom Gegenüber. Menschen, die mir nicht nahestehen, oder die ich irgendwo nicht unbedingt sympathisch finde, halte ich durch das "Sie" gerne auf Abstand.
Außer im Internet, hier ist das Duzen ja üblich, rede ich mir Fremde prinzipiell mit "Sie" an,:ironie: selbst Ausländer!
in diesm Sinn
:winken3:
lirana
 
AW: Duzen, Siezen, Ihrzen

Du - Sie, bei mir ist das, wie bei Vielen hier, im realen Leben (wobei ich mich immer wieder frage, ist der Austausch via Internet nicht auch real?),
.....
Deine Aussage/(rhetorische?) Frage läßt mich d'raus ableiten, daß Du auch, wie ich, hinter den meisten Accounts Menschen "siehst".

Diejenigen df-Teilnehmer, die in vorerwähnten Menschen nur "Figuren"
(also wie z.B. von mensch geführte Schachfiguren)
sehen, für die scheints kein realer Austausch zu sein, deswegen stets die Abgrenzung zum "RL".
PNs, ein Telefonat, ein Treffen könnte andererseits den
bloße Figuren Wahrnehmenden auch zeigen, daß die Grenzen von RL und Internet fließend zu sein vermögen.

Mit Du - Sie halte ich's außerhalb wie innerhalb des Netzes gleich: Kommt auf's Gegenüber an. Dennoch geht das "Du" im www leichter von der Hand als sonst aus dem Mund. Das hat aber vermutlich mehr mit schriftlich./.mündlich zu tun als mit www./.RL.
:winken3:
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Wie das 'Sie' entstanden ist

oberhaenslir schrieb:
.....

Hoch- und Spätmittelalter – Mittelhochdeutsch – du und ihr

Im neunten Jahrhundert kam als Anrede für hochgestellte Personen das Ihr dazu – als Pronomen des PLURALIS MAIESTATIS ‘Eure Gnaden’. Für sich selbst benutzten die Edlen das Pronomen ‘Wir’ – ‘Unsere Gnaden’. (Vordem – in der Spätantike – hatten nur die römischen Kaiser den PLURALIS MAIESTATIS für sich in Anspruch genommen.) Das Mittelhochdeutsche verwendete das Ihr im Hoch- und Spätmittelalter (1000 – 1500) nicht nur als Anrede für Edle, sondern allgemein auch als respektvolle Anrede für Fremde.
Bis vor kurzem bekam ich, vor allem, im ländlichen südlichen bayerischen Schwaben (wenn, dann meist) von Landwirten noch das "Ihr", für auf (m)eine Person
bezogen, zu hören -
"hend ihr" (Habt Ihr), und in Württemberg ist das teils noch so zu vernehmen - über 500 Jahre "danach", mit abnehmender Tendenz. Trotzdem: Wahrhaft gute Tradition hält sich lange!;)
 
AW: Wie das 'Sie' entstanden ist

Das Er verschwand mit der französischen Revolution; das Sie hingegen wurde als Anrede für die neuen Herren – die Bürger – übernommen. Im 19. Jahrhundert waren deshalb nur noch zwei Anreden übrig – das Du für vertraute und das Sie für fremde Menschen.

Vor etwa 13 Jahren telefonierte ich mit einer Dame aus Velten. Sie hatte per Annonce einen Hundewelpen feilgeboten, und die telefonische Vereinbarung eines Besichtigungstermines gestaltete sich für mich als verwirrend, denn die Dame "er-te" mich. Bis ich diese, mir bis dahin nicht vertraute, umgangsförmliche Eigenheit durchschaute, redeten wir an einander vorbei:

"Ich habe Interesse an diesem Hund, wann kann ich ihn denn sehen?"

"Naja, wann hat ER denn Zeit?"

"Nein, Sie missverstehen mich; ICH möchte den Hund ansehen."

"Ja, gerne. Wann kann ER denn kommen?"

"Ich, ICH persönlich möchte den Hund haben!"

"Ja, wann hat ER denn Zeit?"

und so weiter, und so weiter....

Da die Dame von sich aus nicht erkannte, dass ich mich mit "er" nicht angesprochen fühlte, scheint mir das "Duzen", (damals) in Velten, (wenigstens gegenüber Fremden) relativ unbekannt gewesen zu sein.
 
AW: Wie das 'Sie' entstanden ist

Vor etwa 13 Jahren telefonierte ich mit einer Dame aus Velten. Sie hatte per Annonce einen Hundewelpen feilgeboten, und die telefonische Vereinbarung eines Besichtigungstermines gestaltete sich für mich als verwirrend, denn die Dame "er-te" mich. Bis ich diese, mir bis dahin nicht vertraute, umgangsförmliche Eigenheit durchschaute, redeten wir an einander vorbei:

"Ich habe Interesse an diesem Hund, wann kann ich ihn denn sehen?"

"Naja, wann hat ER denn Zeit?"

"Nein, Sie missverstehen mich; ICH möchte den Hund ansehen."

"Ja, gerne. Wann kann ER denn kommen?"

"Ich, ICH persönlich möchte den Hund haben!"

"Ja, wann hat ER denn Zeit?"

und so weiter, und so weiter....

Da die Dame von sich aus nicht erkannte, dass ich mich mit "er" nicht angesprochen fühlte
, scheint mir das "Duzen", (damals) in Velten, (wenigstens gegenüber Fremden) relativ unbekannt gewesen zu sein.

Dann ist ja alles gut, denn ich wollte gestern, nachdem er sich so relativ lange im df nicht per Text sehen ließ, schon einen Thread eröffnen - "Wie geht es eigentlich Herrn Vermittler". Wie heißt Ihr denn mit Vornamen - Sie & und er?
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Duzen, Siezen, Ihrzen

@Vermittler:
:lachen:
Ich habe das in etwas anderer Form kennen gelernt, ein Arzt fragte nicht: "Wie geht es dir?" (wir sind per Du, da befreundet) sondern: "Wie geht es uns?" Und das jedesmal, immer in der Wir - Form. Selbst als ich ihn darauf hinwies, er selbst lachen musste, hörte das, zumindest bei Untersuchungen, nie auf. Andere Patientinnen haben mir berichtet, dass er sich bei ihnen auch nicht anders verhielt, es war einfach nicht aus ihm herauszubekommen.

@Allfred:
Ja, ich sehe in den Usern reale Personen mit all ihren Emotionen und nehme auch die Aussagen ernst. Bei Manchen frage ich mich, spielen sie hier eine Rolle, oder sind sie wirklich so? Oder trauen sie sich einfach nur im relativ anonymen Internet Seiten zu zeigen, die sie im realen Leben sich nie wagen würden?

Für mich gilt, so wie hier bin ich auch weit ab vom Pc.

in diesem Sinn
:winken3:
lirana
 
AW: Duzen, Siezen, Ihrzen

... Für mich gilt, so wie hier bin ich auch weit ab vom Pc.

Wie und was Du auch immer zu sein glaubst, es ist durch ein paar dürre Buchstaben einfach nicht zu übermitteln. Das Figurenhafte der zweifellos vollkommen menschlichen User ergibt sich ganz zwangsläufig durch die Reduktion auf Schrift. Selbst wenn Du versuchst mit Worten darzustellen, was Du Deiner Ansicht nach wirklich bist, ist das Ergebnis eine interpretierbare Darstellung. Das ist zwar im echten Leben auch nicht anders aber dort ist die Darstellung halt lebendig.
 
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AW: Duzen, Siezen, Ihrzen

Das mit dem "wie geht es UNS denn" kenne ich, und ich glaube, alle Berliner kennen es; allerdings nutzen wir es nicht ständig, sondern eher ausnahmsweise, schelmisch, ironisch, oder als Floskel.

Gäbe es kein Radio, TV und Internet, dann hätten sich diese Eigenheiten des Duzens, Sieszens, Ihrzens und sogar Unszens und Erzens bestimmt regional gefestigt. So sind meiner Meinung die verschiedenen Sprachen entstanden. (Nein, nicht nur meiner Meinung, so war es definitiv.)

Jetzt sehen wir vielleicht, wie durch die Globalisierung die Eigenheiten verschwinden. Vielleicht läuft tatsächlich irgendwann alles auf eine "Weltsprache" hinaus. Ich könnte mich eher mit Englisch als mit Chinesisch anfreunden. Alle Welt weiß, was eine Mail ist, der Brief verscheidet. Regionale Dialekte werden irgendwann nur noch in Folklore-Vereinen gepflegt werden. Na und? So what? Zěnmezhe?

Allfred, sorge er sich nicht, wir pausierten lediglich einige Tage. Der Vorname unserer Figur ist Schallundrauch.

Lirana, ich bin auch ein "Echter", meine Ausdrucksweise ist etwas geziert, meine Inhalte aber original.
 
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