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Dichtende Denker

AW: Dichtende Denker

Auch Frauen können dichten (und denken sowieso).

Die Glut des August

Es gab schon viele reife Tage,
nächtliche Stunden voller Duft.
Jetzt kommt die Zeit für jene Sage
von wilder Hitze, satter Luft.

Mit seiner feuerroten Mähne
fliegt fauchend der August herein.
Ums mächtig Haupt flammt Strähn um Strähne,
versengt den Tag mit Sonnenschein.

Hat Sommer nicht erst angefangen?
Wir haben längst noch nicht genug.
Noch glimmt in seiner Glut Verlangen,
noch stiebt ein frischer Funkenflug.

Die Haut ist warm. Die Erde bebt.
Die reife Zeit wird überreif.
Wer glücklich ist, ja der durchlebt
die Tage wie im Feuerschweif.

Augustwind ist ein tosend Feuer,
erhitzt die Sinne, wärmt das Herz.
Uns ist der Sommer lieb und teuer.
Noch keine Zeit für Abschiedsschmerz.

Angelika Donant

Auch hier zu finden: Sommer
 
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AW: Dichtende Denker

AHASVER

In London sah ich den, der sterben wollte
Warum - er hatte genug.
Er war fünfzig Jahre alt oder fünfzigtausend.
Wenn er an einen Ort kam, den er nicht kannte
Dachte er, hier war ich schon einmal.
Wenn er eine Stimme hörte, die ihm fremd war
Horchte er auf - wer ist's von meinen Freunden?

Unzählige Jahre lang hatte er jeden Abend
Am Fenster gestanden und die Zeitung aus Licht gelesen
Ihre Lettern sprangen hervor hinterm Felsen der Nacht.
Sein Hemd war von Seide, doch unter dem seidenen Hemde
War sein Rücken von Narben und Striemen gezeichnet
Eine Karte der Leiden. Seine Knie waren geschwollen
Weil er im Schnee knien mußte, irgendwo hinter den Bergen.
Fluchtwege waren in seine Stirn gegraben.
Ein Fuß war lahm - vom Sturz auf welchem Pfad?

Als ich ihn sah, fuhr er im Hotel Ritz
Sieben Stockwerke hoch in der Spiegelkammer
Die Hand auf seinem gelben Lederkoffer
Den Blick gerichtet in die alten Augen
Die milchigen, voll kleiner roter Flüsse
Des anderen Herrn Ahasver.

Als ich ihn sah, stand er in seinem Zimmer
Packte den Koffer aus, bestellte Tee
Und spielte Harfe auf den Messingstäben
Den goldenen an seinem Totenbett.

Als ich ihn sah, schrieb er sein Testament
Ein Gebirge von Zahlen, aber darüber ein Auge
Brauenlos starr und rein wie das Auge der Bibel.
Im Bauch seiner Teekanne sah er sich selbst, verzerrt
Mit gewaltig lachendem Munde. Er nahm den Hörer auf
Die schwarze Muschel rauschte wie das Meer.
Er hatte Lust von jemandem Abschied zu nehmen.
Good bye everybody from Ahasver.
Aber natürlich sagte er keinen Ton.
Er warf seinen Tod in den Tee und trank seinen Tod.
Der Tee schmeckte bitter wie ausgekochter Lorbeer.
Aber der Tod schmeckt nach nichts. Er bahrte sich auf
Seine Steppdecke war grün wie eine Apfelwiese
Mit kleinen Blumen bestreut. Sehr aufrecht saß er
Und sank dann um und starb den königlichen
Den Tod im Bett. Nur daß er leider
Vergessen hat, die Tür abzuschließen
Und daß der Kellner kommt und man ihn fortführt
Und ihm den Magen auspumpt, Tod und Lorbeer.
Er schlägt die Augen auf und um ihn her
Stehen seine schönen vorwurfsvollen Töchter.
Ich schlafe so schlecht, sagt Herr Ahasver.

Marie Luise Kaschnitz

Aus: Kaschnitz - Gedichte - Insel Verlag



"Marie Luise Kaschnitz war eine starke Frau, die in ihrem Werk nicht aufhört, es zu sein.
Sie hat Energien des Schmerzes umgeprägt in jene Kräfte, die das Überleben sichern."

Elisabeth Borchers
 
AW: Dichtende Denker

AHASVER
.......
Er warf seinen Tod in den Tee und trank seinen Tod.
Der Tee schmeckte bitter wie ausgekochter Lorbeer.
Aber der Tod schmeckt nach nichts.
........
Marie Luise Kaschnitz

Aus: Kaschnitz - Gedichte - Insel Verlag





:ironie: Im Auftrag von Freund Hein :ironie: soll ich fragen, ob der Tod nach nichts oder nach nichts geschmeckt hatte....

Gruß, moebius
 
AW: Dichtende Denker

Abgangszeugnis für einen Freund

Du hast mir Pyramidon gegeben,
Wenn ich Kopfweh hatte.

Du packtest mein li(e)derliches Alltagsleben
in zarte Watte.

Du hattest für jedes Wehweh
Einen Tee.

Und nun steigst schon in den D-Zug-Wagen.......

Na sagen wir mal ,ne Eins in Betragen.
 
AW: Dichtende Denker

Nach der ersten experimentellen Überprüfung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie anhand einer Sonnenfinsternis (29.5.1919) wurde A. Einstein ein 'Promi'.

Eine Dame, die Einstein 1920 sein Photo zusandte, das sie sich gekauft hatte, bat ihn, ihr eine Widmung auf die Rückseite zu schreiben.
Das tat Einstein:

Wo ich geh' und wo ich steh'
Stets ein Bild von mir ich seh',
Auf dem Schreibtisch, an der Wand,
Um den Hals am schwarzen Band.

Männlein, Weiblein wundersam
Holen sich ein Autogramm.
Jeder will ein Kritzel haben
Von dem hochgelehrten Knaben.

Manchmal denk' in all dem Glück
Ich im lichten Augenblick:
Bist verrückt du etwa selber
Oder sind die andern Kälber?

 
AW: Dichtende Denker

@isabel: Hast Du dieses Gedicht geschrieben? Es gefällt mir sehr gut.

@Hartmut: Danke für das Gedicht von Einstein. Dem Guten saß beim Schreiben wohl der Schalk im Nacken.
Hoffentlich war die Dame, für die das Gedicht bestimmt war, auch mit Humor gesegnet.

In einer Biografie habe ich einmal gelesen dass er sehr spät mit dem Sprechen anfing.
Seine Leute machten sich schon Sorgen, dachten, dass mit dem Kind wohl etwas nicht stimmt.
Aber klein Albert hatte wohl seinen eigenen Zugang zur Welt, und behielt sein Innerstes für eine Weile bei sich.
Zum Glück überlegte er es sich dann aber doch noch anders.
 
AW: Dichtende Denker

Nach der ersten experimentellen Überprüfung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie anhand einer Sonnenfinsternis (29.5.1919) wurde A. Einstein ein 'Promi'.

Eine Dame, die Einstein 1920 sein Photo zusandte, das sie sich gekauft hatte, bat ihn, ihr eine Widmung auf die Rückseite zu schreiben.
Das tat Einstein:

Wo ich geh' und wo ich steh'
Stets ein Bild von mir ich seh',
Auf dem Schreibtisch, an der Wand,
Um den Hals am schwarzen Band.

Männlein, Weiblein wundersam
Holen sich ein Autogramm.
Jeder will ein Kritzel haben
Von dem hochgelehrten Knaben.

Manchmal denk' in all dem Glück
Ich im lichten Augenblick:
Bist verrückt du etwa selber
Oder sind die andern Kälber?


Inzwischen ist die Antwort auf die Schlußfrage des Gedichts eindeutig
:
Die anderen waren Kälber ...:lachen::lachen::lachen:
 
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AW: Dichtende Denker

Du warst mir Freund u. Kinderfrau
Haushaltsvorstand der Seele,
Und wenn es einmal nottat,so brummtest du rau:
".....Weil ich es dir eben befehle!"
Du warst mir Beschützer u. Weckuhr
Und stehts funktionierende Registratur,
Und nun ist das alles auf einmal vorbei,

-Für "Aufmerksmkeit" eine Eins bis Zwei"
 
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