Hallo zusammen,
erstmal vielen Dank für die vielen Reaktionen auf meinen Beitrag, es sind einige sehr interessante Anmerkungen darunter.
Ich habe die Kernpunkte der Antworten zusammengefasst und werde sie aus meiner eigenen Perspektive nacheinander aufgreifen. Vielleicht lässt sich auf das Ein oder Andere noch etwas näher eingehen.
Gisbert meinte, dass der Fortschritt einst den Tod besiegen wird/könnte und somit sich die Sinnfrage nicht länger stellt.
Hier möchte ich darauf hinweisen, dass der technische Fortschritt unserem Verstand nur sehr bedingt eine Lösung von Sinnfragen anbietet, meist ist es eher der Erfahrungshorizont, der durch wissenschaftl. Fortschritt erweitert wird, nicht aber unbedingt das Bedürfnis nach Sinnfindung, also dem verstandesmäßigen Begreifen unseres Seins. Zudem vermute ich, dass es gar nicht möglich sein könnte, mit dem Gehirn das Gehirn selbst völlig zu ergründen, dies würde bedeuten, dass wir etwas, das uns das verstandesmäßige Verarbeiten von Erfahrungen erst ermöglicht, selbst zur Gänze verstehen müssten.
Momentan ist zwar scheinbar nicht abzusehen, wie weit uns die Möglichkeit zur Selbsterkenntnis gegeben ist, jedoch würde es mich kaum wundern, wenn wir einst an als dauerhaft erscheinende Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit stoßen.
Zeilinger hält den Glauben an ein ewiges Leben als zwingende Bedingung, um Sinn im Sterben zu finden und Mavaho führt an, dass der Mensch ständig nach Sinnerfüllung strebt, obwohl doch eigentlich alles geschehend ist und keiner zwingenden Ordnung unterliegen muss.
Ich denke, dass der Glaube eine Grundbedingung darstellt, um einen festen und unverrückbaren Sinn im Leben und Sterben überhaupt sehen zu können. Ich beziehe hiermit den Glauben nicht gleich auf Gottesglauben oder Religiösität, sondern auf eine Überzeugung, dass etwas z.B. auf eine bestimmte Weise - aus unseren Erfahrungen evtl. abgeleitet - beschaffen ist, vielleicht auch, weil uns Bedürfnisse dazu antreiben - wie Majanna meinte - um Todesängste zu mildern oder verdrängen zu können.
Was ich jedoch anzweifle ist, dass wir unbedingt an ein ewiges Leben glauben müssen, um dadurch den Tod als sinnvoll zu werten. Hier wäre das Sterben (der Tod) also kein völliges Ende eines Menschen, sondern lediglich ein Körperliches, da etwas (z.B. "die Seele") fortbesteht und somit könnte der Tod - diesem Denken folgend - z.B. als eine Neuerung begriffen werden.
Wie wollen wir unser Ende aber begreifen, wollen wir und können wir es überhaupt verstehen? Verweigern wir uns diesen Überlegungen und suchen wir nach Denkensarten, die unser völliges Nichtexistieren negieren, dann wäre Zeilingers Aussage womöglich zutreffend - nämlich, dass wir garnicht anders können, als nicht an einen absoluten Tod zu glauben.
Doch ich denke wir können durchaus anders. Hierzu muss man jedoch die Sinnfrage selbst beleuchten, was ist es, dass sich da verstehen möchte. Ich bin es, jedenfalls das, was mich ausmacht, mein Ich. Da alles in diesem Ich danach schreit, leben zu können, eben weil es den Ausnahmezustand des Lebens überhaupt erst ermöglicht, ist der Tod das Letzte, was wir - bzw. die Ich´s - annehmen möchten. Denn, wir kämpfen schließlich mit all unserer Kraft gegen das an, was wir sind, wenn wir nicht sind. Kraft bzw. Denkensarbeit für das aufzuwenden, was ohnehin früher oder später eintritt, scheint sinnverloren.
Da gilt es also eine ganze Menge natürliche Barrieren und Blockaden zu überwinden, bevor man sich einigermaßen offen mit dem eigenen zu erwartenden Nichtsein auseinandersetzen kann.
Ich gebe Gregor teilweise Recht, wenn er schreibt, dass der Tod selbst für uns Lebende nicht erfahrbar ist. Deshalb können wir ihn jedoch dennoch als Lebende zum einen vermuten, zum anderen im Tod anderer Menschen tagtäglich selbst erfahren. Wir können im Tod nicht denken, aber wir können über das nachsinnen, was wir als Tod erkennen und empfinden. Der Tod ist ebenso wie das Leben nicht allumfassend erfahrbar, aber durchaus auf eine Weise denkbar, dass wir Leben oder Tod zu begreifen scheinen bzw. meinen.
Majanna, vielen Dank, dass du offen zu deinen Ängsten stehst und trotz diesen einen Beitrag beigesteuert hast. Ich habe mich ja bereits dazu geäußert, dass ich die Ängste vor dem Nichtleben als sehr verständlich ansehe und auch nachvollziehen kann. Schließlich stellen wir mit unserem Ich einen Zustand dar, der nur sein kann, wenn er sich selbst ständig bejaht und alle anderen Zustände, die dem eigenen Fortbestehen abträglich wären, von sich fernhält. Unser Begreifen ist jedoch derart geartet, dass wir alle evidenten Erfahrungen auf unsere eigene Weise - den individuellen Möglichkeiten entsprechend - hinterfragen können. Eine dieser Erfahrungen ist die Tatsache, dass wir nicht ewig bestehen können, dass unser Ich - gebunden an unser erfahrbares Selbst - vermutlich endlich ist.
Ich würde einem Menschen, der einen Weg zur glaubensmäßigen Akzeptanz seines Sterbens gefunden hat, diesen niemals absprechen wollen. Will ich selbst aber weiterhin möglichst unbefangen und frei von eigen- oder fremdkreierten Gedankenkonstrukten denken, dann ist jegliches Vorstellungskonstrukt eher hinderlich in diesem Bestreben. Was mir selbst jedoch hilft meine Todesängste dennoch ein Stückweit zu mildern, ist, dass ich mir schlicht - so paradox es sich auch anhören mag - die Zeit versuche vorzustellen, die vor meinen erinnerbaren ersten Lebenseindrücken liegt. In der Gewissheit, dass da nichts ist, baut sich auch mein Selbstverständnis gegenüber meines eigenen Seins ab und ich empfinde dieses rückwirkend als sehr kostbar und einmalig, aber eben nur auf der Basis, dass ich auch nicht sein muss.
Mein Lebensgefühl, um es nochmal in kürzeren Worten auszudrücken, ist also sozusagen richtiggehend davon abhängig, dass ich mir dessen bewusst bin und bleibe, dass ich äußerst endlich bin - dass ich in meinem Sein keine Selbstverständlichkeit darstelle.
Über einen Fortgang des Gedankenaustausches würde ich mich freuen.
Viele Grüße,
Philipp