AW: Der Papst war da - na und?
Hallo Jan Amos,
Ich kann mich mit Dir identifizieren. Ausgetreten, aber der christlichen Lehre zugetan.
Was den Papst betrifft, bin ich über seine Äußerungen in bezug auf Mohammed nicht glücklich, da er damit Öl ins Feuer gegossen hat und es dem Frieden nicht dienlich ist.
Es war ein zitierter Ausspruch, der die Moslems treffen sollte. Wenn er meint, dass er dies nicht beabsichtigt habe, klingt es unglaubwürdig.
Es ist genauso, als hätte er gesagt, dass die Juden unseren Gott getötet
haben.
Es gibt Dinge, die ein Papst lieber nicht aussprechen oder zur Diskussion stellen sollte. Er hat damit den Christen in der ganzen Welt und somit auch dem Frieden geschadet.
Und in den Glaubensbüchern stehen eben auch Dinge, an die ein Oberhaupt
einer Kirche in diesen Zeiten nicht rühren sollte.
Was ihm da nur eingefallen ist!
suche
Hallo Suche,
ich bin etwas anderer Auffassung als Du.
Obgleich es seltsam erscheinen mag, daß gerade ich als Protestant und etwas überspitzt formuliert aus Sicht des Papstes eigentlich Mitglied nicht etwa einer Kirche sondern einer mehr oder minder ketzerischen Sekte, ausgerechnet den verknöcherten Ratzeputz verteidige.
Aber Miriam hatte zu Recht auf den Link hingewiesen und wenn man sich die Mühe macht, sich das Interview anzuschauen, muß man doch feststellen, daß hier - wie so oft - eine Äußerung völlig aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Der Papst hat aus einem uralten Gespräch eine Passage zitiert, bei dem offenbar in einer recht lockeren Gesprächsatmosphäre beiderseits Piesakereien zwischen muslimischen und christlichen Diskutanten ausgetauscht wurden. Ich finde grundsätzlich sollte man sich seitens der Medien die Mühe einmal machen, Dinge umfassend darzustellen und nicht nur der Schlagzeile wegen, reißerisch. Die Medien profitieren von dem ganzen Aufruhr und vergessen dabei, daß sie sich mitschuldig machen, wenn es zu Opfern kommt. Aber diese sorgen ja gleich für die nächste Schlagzeile.
Und was die Empörung "der Moslems" betrifft:
1. Viel davon ist künstlicher Natur, blanker
Populismus oft auch von recht säkularen Regierungen (z.B. Pakistan, Ägypten), um sich bei der Bevölkerung zur Abwechslung mal wieder beliebt zu machen.
2. Die Empörung der religiösen Moslems ist ebenfalls hausgemacht. Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe jedenfalls den Eindruck, man giert förmlich nach derartigen rethorischen Ausrutschern, um sich dann ordentlich auszutoben.
3. Ich möchte nicht wissen, was hier los wäre, würde man auf jede Äußerung irgenwo bei den Freitagsgebeten unsererseits mit derartiger Wut reagieren.
4. Die Frage der
Prioritäten irritiert mich gewaltig. Was sind - bei allem Verständnis für die Kränkung - ein paar dämliche Karrikaturen und eine vielleicht nicht sonderlich geschickte Äußerung gegen Zig-Tausende von Mordopfern im Namen einer Religion? Wie kommt es, daß Lächerlichkeiten seitens des Westens offenbar eine schlimmere Gotteslästerung darstellen als die zynische Vergewaltigung des Koran zum Zwecke des brutalen Mordes Tag für Tag?
5. In einer freien Gesellschaft gehört sowohl Ironie als auch der Vergleich zu den legitimen Ausdrucksmitteln. Die Bewertung darf sich in einer modernen Gesellschaft nicht danach richten, was radikale selbstgerechte Zuhörer in einer Karrikatur oder Äußerung verstehen
wollen, sondern wie sie aus Sicht eines
vernünftigen (aufgeklärten) Zuhöhrers zu verstehen ist.
6. Und zuletzt noch ein ganz banales Argument: Bevor man auf jemanden eindrischt, sollte man sich seitens der empörten Moslems schon einmal die Frage stellen, mit wem man es zu tun hat. Bei aller Kritik am Vatikan in anderen Fragen meine ich doch, daß er in den letzten Jahrzehnten wahrlich nicht der Hetze gegen den Islam verdächtig geworden ist, betrachtet man auch einmal die positiven Äußerungen des Herrn Ratzeputz zu diesem Thema. Ein vergleichbarer muslimischer Würdenträger würde sich einen solchen Maulkorb verbieten, allein die Forderung danach wäre pure Gotteslästerung.
Einer gewissen Ironie entbehrt es allerdings nicht, wenn ich mir das - liebe katholische (und möglicherweise darunter auch der ein oder andere papsttreue) Mitdiskutanten - erlauben darf zu sagen, daß ausgerechnet der Papst so in den Genuß einer liberalen Verteidigung und einer pluralistischen Denkweise kommt, die er in vielen Fällen klugen Andersdenkenden innerhalb der eigenen Kirche (z.B. Herrn Küng, Drewermann, Laien uva.) nicht zugesteht.
Und das ihn ausgerechnet ein Protestant verteidigt, dürfte ihn wohl auch befremden, denkt man daran, in welchen Kinderschuhen die Ökumene - Ratzi und Paule sei dank - bis heute steckt.
Ich kann nur allen Beteiligten Lessings "Nathan" ans Herz legen. Der staubt in den letzten Jahren schon viel zu lange ungelesen vor sich hin.
Viele liebe Grüße
Zwetsche