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Der Papst war da - na und?

Hartmut

Well-Known Member
Registriert
15. August 2005
Beiträge
3.007
so titelt der "Spiegel" heute zum Abschluss des Besuches von Papst Benedikt XVI. in Bayern:

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,437051,00.html

Der Artikel schliesst mit den Worten:

"Nach den Tagen des privaten Abschieds gibt es für den Oberhirten nun vielleicht die letzte Chance zu beweisen, dass er mehr ist als ein Übergangspapst, ein Heiliger des Stillstandes. Anzeichen dafür gibt es keine - aber die Hoffnung ist schliesslich ein zentraler Wert des Christentums."

Was meinen die Christen und insbesondere die Katholiken unter euch zu den Ergebnissen des Papst-Besuches? Hat der Papst, wie es der kritische Theologe Hans Küng in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk ausdrückte, über die Probleme hinweggeredet? Seid ihr enttäuscht oder motiviert?

fragt der Atheist
Hartmut
 
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AW: Der Papst war da - na und?

so titelt der "Spiegel" heute zum Abschluss des Besuches von Papst Benedikt XVI. in Bayern:

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,437051,00.html

Der Artikel schliesst mit den Worten:

"Nach den Tagen des privaten Abschieds gibt es für den Oberhirten nun vielleicht die letzte Chance zu beweisen, dass er mehr ist als ein Übergangspapst, ein Heiliger des Stillstandes. Anzeichen dafür gibt es keine - aber die Hoffnung ist schliesslich ein zentraler Wert des Christentums."

Was meinen die Christen und insbesondere die Katholiken unter euch zu den Ergebnissen des Papst-Besuches? Hat der Papst, wie es der kritische Theologe Hans Küng in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk ausdrückte, über die Probleme hinweggeredet? Seid ihr enttäuscht oder motiviert?

fragt der Atheist
Hartmut

Hallo Hartmut,

ich bin evangelisch-lutherisch, also sollte ich mich aus dieser Diskussion eigentlich lieber raushalten. Nur soviel: Hans Küng find ich prima und es ist unverständlich, wieso derart fähige Theologen verbannt werden. Außerdem habe ich offengestanden noch nie einen "Katholiken" so wie wir Heiden uns diese vorstellen, kennengelernt. Es besteht doch eine unglaubliche Kluft zwischen Kirchenspitze und Basis, was die Verwirklichung jedenfalls der offiziellen Sexualmoral angeht (In Paderborn werden nicht weniger Ehen geschieden als in Braunschweig, es gibt vorehelichen Sex, Kondome, Pille usw.).
Auch soll ja trotz der gegenwärtigen Euphorie ein ziemlicher Mangel an Priestern jedenfalls in Deutschland bestehen.

Ich hoffe, daß ich niemanden in seinen religiösen Gefühlen mit meinem Beitrag verletzt habe.

Gruß
Zwetsche
 
AW: Der Papst war da - na und?

Ich bin ebenfalls ev.-lutherisch und deshalb mehr als skeptisch, was die momentane Euphorie und Papstverehrung der Katholiken angeht.
Die kath. Kirche - allen voran Papst Benedikt XVI. - "verkauft" sich z.Zt. ausgesprochen gut. Ausgelöst durch Johannes Paul II., seine Reisen und nicht zuletzt durch sein öffentliches Leiden und Sterben, hat die kath. Kirche mehr an Persönlichkeit gewonnen. Die Päpste sind seitdem menschlicher, greifbarer. Die Aura des "Übermenschlichen" ist ihnen genommen. Noch nie wusste man soviel Privates über einen Papst, wie seit des Pontifikats Johannes Paul II. und "unseres Papstes" Benedikt.
Obwohl Benedikt in all seinen Predigten die Wichtigkeit der Ökumene sowie die gegenseitige Toleranz der verschiedenen Weltreligionen betonte, bin ich auch dabei mehr als skeptisch. Papst Benedikt XVI. ist Kardinal Ratzinger, und Ratzinger war nie berühmt für seine Reformwilligkeit, sondern galt jeher als Hardliner, was das Eintreten für die veralteten Kirchengesetze angeht.
Wer bis vor kurzem der Glaubenskongregation vorstand, wird nicht von einem Tag auf den anderen zum angepassten "Papst des Volkes", obwohl genau das es ist, was uns von den Zeremonienmeistern des Vatikans und den Medien heute zu verkaufen versucht wird.
Eigenartigerweise haben die Ein- und Wiedereintritte in den beiden großen Kirchen, kath. wie ev., seit Johannes Paul II. Tod und Benedikts Pontifikats zugenommen.
Interessant ist es zu erfahren, ob dadurch der Priestermangel, der Katholiken wie die Protestanten trifft, abnimmt.

Rhona
 
AW: Der Papst war da - na und?

>>>“Die kath. Kirche - allen voran Papst Benedikt XVI. - "verkauft" sich z.Zt. ausgesprochen gut.“<<<

Besonders in Bayern und in den Walfahrtsorten in den Andenken-Läden.

Solange die röm.kath. Kirche den Kurs von vor Joh. XXIII. steuert, wird es zu keiner Annäherung der Konfessionen kommen können. Für den Vatikan gilt, wenn Annäherung, dann nur zu den Bedingungen die Rom vorgibt und diese müssen dann bedingungslos anerkannt werden.

Übrigens ich bin röm-kath. getauft, gehöre der Kirche - durch Austrittserklärung - nicht mehr an. Bin aber der Lehre des Nazareners sehr verbunden.

Erst wenn der hl. Geist im Vatikan die Selbstherrlichkeit der Kleriker besiegen konnte, können wir Christen mit fortschrittlichen Veränderungen rechnen.
Auch die Unfehlbarkeit des Papstes, obwohl dies nur in Glaubensdingen gilt, ist sehr fragwürdig.
Es gibt keinen Menschen der unfehlbar ist, und wer das von sich behauptet überholt Gott auf der rechten Mehrzweckspur.


MfG Jan Amos
 
AW: Der Papst war da - na und?

>>>“Die kath. Kirche - allen voran Papst Benedikt XVI. - "verkauft" sich z.Zt. ausgesprochen gut.“<<<

Besonders in Bayern und in den Walfahrtsorten in den Andenken-Läden.

Solange die röm.kath. Kirche den Kurs von vor Joh. XXIII. steuert, wird es zu keiner Annäherung der Konfessionen kommen können. Für den Vatikan gilt, wenn Annäherung, dann nur zu den Bedingungen die Rom vorgibt und diese müssen dann bedingungslos anerkannt werden.

Übrigens ich bin röm-kath. getauft, gehöre der Kirche - durch Austrittserklärung - nicht mehr an. Bin aber der Lehre des Nazareners sehr verbunden.

Erst wenn der hl. Geist im Vatikan die Selbstherrlichkeit der Kleriker besiegen konnte, können wir Christen mit fortschrittlichen Veränderungen rechnen. h
Auch die Unfehlbarkeit des Papstes, obwohl dies nur in Glaubensdingen gilt, ist sehr fragwürdig.
Es gibt keinen Menschen der unfehlbar ist, und wer das von sich behauptet überholt Gott auf der rechten Mehrzweckspur.


MfG Jan Amos

Hallo Jan Amos,

Ich kann mich mit Dir identifizieren. Ausgetreten, aber der christlichen Lehre zugetan.

Was den Papst betrifft, bin ich über seine Äußerungen in bezug auf Mohammed nicht glücklich, da er damit Öl ins Feuer gegossen hat und es dem Frieden nicht dienlich ist.

Es war ein zitierter Ausspruch, der die Moslems treffen sollte. Wenn er meint, dass er dies nicht beabsichtigt habe, klingt es unglaubwürdig.
Es ist genauso, als hätte er gesagt, dass die Juden unseren Gott getötet
haben.

Es gibt Dinge, die ein Papst lieber nicht aussprechen oder zur Diskussion stellen sollte. Er hat damit den Christen in der ganzen Welt und somit auch dem Frieden geschadet.

Und in den Glaubensbüchern stehen eben auch Dinge, an die ein Oberhaupt
einer Kirche in diesen Zeiten nicht rühren sollte.

Was ihm da nur eingefallen ist!

suche
 
AW: Der Papst war da - na und?

Sehr wichtig waren diese gewollt misverstandenen Worte des Papstes. Seine Worte beruhen auf einen Text der von Professor Theodore Khoury herausgegeben wurde - der Papst zitierte nur seine Worte.
Dazu Prof. Khoury: "der Papst wollte den Islam nicht angreifen".

Ein sehr gutes Interview mit den Islamwissenschaftler ist auf den Seiten des ZDF in einem Videostream zu sehen (zu hören) - ich denke, dass es viel über die künstlich erzeugten Spannungen sagt.
Beim Text von Theodore Khoury handelt es sich um einen Teil des Dialogs, den der gelehrte byzantinische Kaiser Manuel II. mit einem gebildeten Perser 1391 führte.
Darin begründet der Kaiser, warum Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Gewalt und Drohung überzeugen nicht.

Zum ZDF-Interview mit Prof. Khoury:

http://www.heute.de/

Dann auf "Der Mann, den der Papst zitierte" klicken.


Beim erneutem Lesen meines Textes frage ich mich ob die Empörung der Muslime, so wie wir sie in den Medien wahrnehmen, sich nicht eigentlich gegen die scharfe Verurteilung von Gewalt richtet?
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Der Papst war da - na und?

Die kath. Kirche - allen voran Papst Benedikt XVI. - "verkauft" sich z.Zt. ausgesprochen gut. Ausgelöst durch Johannes Paul II., seine Reisen und nicht zuletzt durch sein öffentliches Leiden und Sterben, hat die kath. Kirche mehr an Persönlichkeit gewonnen. Die Päpste sind seitdem menschlicher, greifbarer. Die Aura des "Übermenschlichen" ist ihnen genommen. Noch nie wusste man soviel Privates über einen Papst, wie seit des Pontifikats Johannes Paul II. und "unseres Papstes" Benedikt.

Da stimme ich dir zu, Rhona.
Allerdings meinte Hans Küng in seinem Interview im Bayerischen Rundfunk: Ein gefüllter Marienplatz bedeutet noch längst nicht gefüllte Kirchen!
Und: Nach wie vor gilt der Papst in Glaubensfragen als "unfehlbar"; er ist also doch so etwas wie ein "Übermensch".

Obwohl Benedikt in all seinen Predigten die Wichtigkeit der Ökumene sowie die gegenseitige Toleranz der verschiedenen Weltreligionen betonte, bin ich auch dabei mehr als skeptisch.

Leider hat der Papst in seiner Ansprache an der Uni Regensburg unnötigerweise die Muslime "auf die Palme gebracht". Er wollte sich allgemein zum Verhältnis von Religion und Gewalt äussern, hat aber mit seinen Zitaten den Eindruck entstehen lassen, dass der Islam mit seinem im Koran verankerten "heiligen Krieg" eine militante Religion sei. Hätte er doch wenigstens erwähnt, dass im Zuge der Kolonisation Mittel- und Südamerikas durch die christlich-katholischen Spanier die Einheimischen ebenfalls mit Gewalt missioniert wurden!

Ratzinger war nie berühmt für seine Reformwilligkeit

Ich glaube auch, dass Benedikt XVI. kaum die Probleme anpacken wird, die vor seiner Kirche stehen. Er ist durch und durch konservativ.

Grüsse von
Hartmut
 
sie war da - na und?

Was meinen die Christen und insbesondere die Katholiken unter euch zu den Ergebnissen des Papst-Besuches? Hat der Papst, wie es der kritische Theologe Hans Küng in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk ausdrückte, über die Probleme hinweggeredet? Seid ihr enttäuscht oder motiviert?

Sensibel gestellte Fragen an Katholiken beantworte ich gerne. (Hoffentlich ebenso sensibel.)

Ich bin katholisch. Und habe trotzdem das gleiche gedacht: "Der Papst war da - na und?"

Ich frage mich sowieso schon lange: Darf man, wenn man katholisch ist, das Papsttum als solches ablehnen? Oder ist man dann nicht mehr katholisch? Ich würde wirklich gerne die Meinung einer sattelfesteren Katholikin, eines sattelfesteren Katholiken dazu hören. (Den Aufruf hab ich schon mal vergeblich gestartet. Egal.)

Sicher, wenn der Papst ein richtig guter und weiser Mensch wäre, könnte er als Oberhaupt der katholischen Kirche schon was bewegen.

Warum sollte aber ein richtig guter und weiser Mensch Papst werden wollen? Ein richtig guter und weiser Mensch würde sich lieber zu Tode schämen, als sich zum 'Stellvertreter Gottes auf Erden' ernennen zu lassen. Sagt mein Gefühl.

'Unfehlbar in Glaubensdingen'?

Ich bin überzeugt, dass nicht mal Jesus das von sich behauptet hätte. (die Sache in der Wüste, die letzten Worte am Kreuz) Diese ganze theologische Kraftmeierei 'in Glaubensdingen', zeugt von Unweisheit, meines Erachtens, und liegt jenseits von Glauben und Unglauben.

Finde jedenfalls in der Bibel nichts über den Papst. Ist das schon protestantisch gedacht? Bin trotzdem irgendwie froh katholisch zu sein, allein schon wegen Franz von Assisi. Empfinde die katholische Theologie teilweise auch als tiefer als die evangelische, philosophisch gesehen. Manche, wenige Autoren wenigstens. (Hans Küng gewiss nicht. Der will auch nur Papst werden, in Wahrheit. Und die Idee zum 'Projekt Weltethos' stammt auch nicht von ihm, obwohl er es so verkauft.)

Aber, evangelisch zu sein wäre für mich auch ok. Oder Muslimin. Oder Jüdin. Oder Buddhistin. (Atheistin eher nicht, bei dem tollen Angebot an Religionen.)

Glaube trotzdem nicht so daran, dass man alles werden kann, was man will. suche ist, wie sie hier berichtet, aus der Kirche ausgetreten, bestimmt aus guten Gründen (gibt's ja genug). Bei mir ist es so: Ich wüsste garnicht, WORAUS ich da austreten sollte. 'Die Kirche' ist für mich garnicht so präsent. Und Geiz finde ich auch nicht geil (zum Thema Kirchensteuer). Deshalb bleibe ich 'drin'.

Jesus definiert 'Kirche' meines Wissens sowieso anders. Und aus DIESER Kirche möchte ich nicht austreten. Zu der bekenne ich mich sogar, wenn's sein muss. (Meistens interessiert das sowieso nicht.) Das heißt doch 'Konfession'.

Wenn jedenfalls der Papst wirklich solche Dummheiten über den Islam gesagt hat, dann ist mir das als Katholikin wirklich peinlich und beschämt mich. (Ist aber eventuell harmlos verglichen mit den Verbrechen, die "die Kirche" in ihrer Geschichte schon begangen hat.) Wenn ich mich an seiner Stelle dafür entschuldigen kann, möchte ich das hiermit tun. Quasi stellvertretend für den 'Stellvertreter':

Liebe Muslime, bitte verzeiht diesem alten Mann. Ich ehre und respektiere euren Glauben. Und Christen, die das nicht tun, sind, nach meinem Verständnis, keine Christen, auch wenn sie Benedikt heißen.

Dass der Papst alt ist, sollte man immerhin berücksichtigen. Er hat lange und deutsch-fleißig auf diesen Posten hingearbeitet und scheint jetzt die Verehrung, die ihm zuteil wird, in vollen Zügen zu genießen. Ich gönne ihm das. Obwohl natürlich mit so einem Papst-Kult nichts gewonnen ist für die Welt. Halte es aber auch für wahrscheinlich, dass ihm die Sache mit dem 'Stellvertreter Gottes auf Erden' allmählich zu Kopf steigt. Und dann wird's richtig peinlich.

Liebe Protestanten, liebe Atheisten, hier, auch bei euch möchte ich mich stellvertretend entschuldigen für die Dummheiten, die von katholischer Seite schon über euch gesagt wurden. (Von vielem wisst ihr wahrscheinlich noch nicht einmal.)

Liebe Grüße

pergola
 
AW: Der Papst war da - na und?

Hallo Jan Amos,

Ich kann mich mit Dir identifizieren. Ausgetreten, aber der christlichen Lehre zugetan.

Was den Papst betrifft, bin ich über seine Äußerungen in bezug auf Mohammed nicht glücklich, da er damit Öl ins Feuer gegossen hat und es dem Frieden nicht dienlich ist.

Es war ein zitierter Ausspruch, der die Moslems treffen sollte. Wenn er meint, dass er dies nicht beabsichtigt habe, klingt es unglaubwürdig.
Es ist genauso, als hätte er gesagt, dass die Juden unseren Gott getötet
haben.

Es gibt Dinge, die ein Papst lieber nicht aussprechen oder zur Diskussion stellen sollte. Er hat damit den Christen in der ganzen Welt und somit auch dem Frieden geschadet.

Und in den Glaubensbüchern stehen eben auch Dinge, an die ein Oberhaupt
einer Kirche in diesen Zeiten nicht rühren sollte.

Was ihm da nur eingefallen ist!

suche

Hallo Suche,

ich bin etwas anderer Auffassung als Du.
Obgleich es seltsam erscheinen mag, daß gerade ich als Protestant und etwas überspitzt formuliert aus Sicht des Papstes eigentlich Mitglied nicht etwa einer Kirche sondern einer mehr oder minder ketzerischen Sekte, ausgerechnet den verknöcherten Ratzeputz verteidige.

Aber Miriam hatte zu Recht auf den Link hingewiesen und wenn man sich die Mühe macht, sich das Interview anzuschauen, muß man doch feststellen, daß hier - wie so oft - eine Äußerung völlig aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Der Papst hat aus einem uralten Gespräch eine Passage zitiert, bei dem offenbar in einer recht lockeren Gesprächsatmosphäre beiderseits Piesakereien zwischen muslimischen und christlichen Diskutanten ausgetauscht wurden. Ich finde grundsätzlich sollte man sich seitens der Medien die Mühe einmal machen, Dinge umfassend darzustellen und nicht nur der Schlagzeile wegen, reißerisch. Die Medien profitieren von dem ganzen Aufruhr und vergessen dabei, daß sie sich mitschuldig machen, wenn es zu Opfern kommt. Aber diese sorgen ja gleich für die nächste Schlagzeile.

Und was die Empörung "der Moslems" betrifft:

1. Viel davon ist künstlicher Natur, blanker Populismus oft auch von recht säkularen Regierungen (z.B. Pakistan, Ägypten), um sich bei der Bevölkerung zur Abwechslung mal wieder beliebt zu machen.

2. Die Empörung der religiösen Moslems ist ebenfalls hausgemacht. Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe jedenfalls den Eindruck, man giert förmlich nach derartigen rethorischen Ausrutschern, um sich dann ordentlich auszutoben.

3. Ich möchte nicht wissen, was hier los wäre, würde man auf jede Äußerung irgenwo bei den Freitagsgebeten unsererseits mit derartiger Wut reagieren.

4. Die Frage der Prioritäten irritiert mich gewaltig. Was sind - bei allem Verständnis für die Kränkung - ein paar dämliche Karrikaturen und eine vielleicht nicht sonderlich geschickte Äußerung gegen Zig-Tausende von Mordopfern im Namen einer Religion? Wie kommt es, daß Lächerlichkeiten seitens des Westens offenbar eine schlimmere Gotteslästerung darstellen als die zynische Vergewaltigung des Koran zum Zwecke des brutalen Mordes Tag für Tag?

5. In einer freien Gesellschaft gehört sowohl Ironie als auch der Vergleich zu den legitimen Ausdrucksmitteln. Die Bewertung darf sich in einer modernen Gesellschaft nicht danach richten, was radikale selbstgerechte Zuhörer in einer Karrikatur oder Äußerung verstehen wollen, sondern wie sie aus Sicht eines vernünftigen (aufgeklärten) Zuhöhrers zu verstehen ist.

6. Und zuletzt noch ein ganz banales Argument: Bevor man auf jemanden eindrischt, sollte man sich seitens der empörten Moslems schon einmal die Frage stellen, mit wem man es zu tun hat. Bei aller Kritik am Vatikan in anderen Fragen meine ich doch, daß er in den letzten Jahrzehnten wahrlich nicht der Hetze gegen den Islam verdächtig geworden ist, betrachtet man auch einmal die positiven Äußerungen des Herrn Ratzeputz zu diesem Thema. Ein vergleichbarer muslimischer Würdenträger würde sich einen solchen Maulkorb verbieten, allein die Forderung danach wäre pure Gotteslästerung.


Einer gewissen Ironie entbehrt es allerdings nicht, wenn ich mir das - liebe katholische (und möglicherweise darunter auch der ein oder andere papsttreue) Mitdiskutanten - erlauben darf zu sagen, daß ausgerechnet der Papst so in den Genuß einer liberalen Verteidigung und einer pluralistischen Denkweise kommt, die er in vielen Fällen klugen Andersdenkenden innerhalb der eigenen Kirche (z.B. Herrn Küng, Drewermann, Laien uva.) nicht zugesteht.

Und das ihn ausgerechnet ein Protestant verteidigt, dürfte ihn wohl auch befremden, denkt man daran, in welchen Kinderschuhen die Ökumene - Ratzi und Paule sei dank - bis heute steckt.

Ich kann nur allen Beteiligten Lessings "Nathan" ans Herz legen. Der staubt in den letzten Jahren schon viel zu lange ungelesen vor sich hin.

Viele liebe Grüße
Zwetsche
 
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AW: Der Papst war da - na und?

Hallo Suche,
ich bin etwas anderer Auffassung als Du.
Obgleich es seltsam erscheinen mag, daß gerade ich als Protestant und etwas überspitzt formuliert aus Sicht des Papstes eigentlich Mitglied nicht etwa einer Kirche sondern einer mehr oder minder ketzerischen Sekte, ausgerechnet den verknöcherten Ratzeputz verteidige.

HALLO ZWETSCHE,

Also ich empfinde den Papst nicht als verknöcherten Ratzeputz, halte ihn sogar in vielen Dingen für einen weisen Menschen, nur diese Äußerung über den Islam - auch wenn dies aus dem Zusammenhang zitiert und vielleicht vieler Menschen Ansicht ist- stört mich insofern, dass er - besonders auf dem Hintergrund der gespannten Situation zwischen dem Islam und dem Westen - dieses Zitat mit etwas Vorsicht und Wissen um die Empfindlichkeit des Islam in bezug auf ihren Propheten nicht hätte bringen sollen. Er hätte voraussehen oder ahnen müssen, was für eine Sprengkraft hinter diesen Worten steckt.


Aber Miriam hatte zu Recht auf den Link hingewiesen und wenn man sich die Mühe macht, sich das Interview anzuschauen, muß man doch feststellen, daß hier - wie so oft - eine Äußerung völlig aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Der Papst hat aus einem uralten Gespräch eine Passage zitiert, bei dem offenbar in einer recht lockeren Gesprächsatmosphäre beiderseits Piesakereien zwischen muslimischen und christlichen Diskutanten ausgetauscht wurden.

Ich brauche keine Links um mir meine eigene Meinung zu bilden, habe auch wenig Zeit mir sämtlich vorgeschlagene Links durchzulesen.

Ich finde grundsätzlich sollte man sich seitens der Medien die Mühe einmal machen, Dinge umfassend darzustellen und nicht nur der Schlagzeile wegen, reißerisch. Die Medien profitieren von dem ganzen Aufruhr und vergessen dabei, daß sie sich mitschuldig machen, wenn es zu Opfern kommt. Aber diese sorgen ja gleich für die nächste Schlagzeile.

Da kann ich Dir zur zustimmen.

Und was die Empörung "der Moslems" betrifft:

1. Viel davon ist künstlicher Natur, blanker Populismus oft auch von recht säkularen Regierungen (z.B. Pakistan, Ägypten), um sich bei der Bevölkerung zur Abwechslung mal wieder beliebt zu machen.
s

Du magst recht haben.

2. Die Empörung der religiösen Moslems ist ebenfalls hausgemacht. Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe jedenfalls den Eindruck, man giert förmlich nach derartigen rethorischen Ausrutschern, um sich dann ordentlich auszutoben.

Bestimmt auch.

3. Ich möchte nicht wissen, was hier los wäre, würde man auf jede Äußerung irgenwo bei den Freitagsgebeten unsererseits mit derartiger Wut reagieren.

Stimme Dir bei.
4. Die Frage der Prioritäten irritiert mich gewaltig. Was sind - bei allem Verständnis für die Kränkung - ein paar dämliche Karrikaturen und eine vielleicht nicht sonderlich geschickte Äußerung gegen Zig-Tausende von Mordopfern im Namen einer Religion? Wie kommt es, daß Lächerlichkeiten seitens des Westens offenbar eine schlimmere Gotteslästerung darstellen als die zynische Vergewaltigung des Koran zum Zwecke des brutalen Mordes Tag für Tag?

Du hast recht, doch steckt dahinter viel mehr als das. Es ist das Outlet eines
frustrierten Volkes.

5. In einer freien Gesellschaft gehört sowohl Ironie als auch der Vergleich zu den legitimen Ausdrucksmitteln. Die Bewertung darf sich in einer modernen Gesellschaft nicht danach richten, was radikale selbstgerechte Zuhörer in einer Karrikatur oder Äußerung verstehen wollen, sondern wie sie aus Sicht eines vernünftigen (aufgeklärten) Zuhöhrers zu verstehen ist
.

Hier dürfen wir nicht in westlichen aufgeklärten Sequenzen denken. l
Leider, aber wahr.

6. Und zuletzt noch ein ganz banales Argument: Bevor man auf jemanden eindrischt, sollte man sich seitens der empörten Moslems schon einmal die Frage stellen, mit wem man es zu tun hat. Bei aller Kritik am Vatikan in anderen Fragen meine ich doch, daß er in den letzten Jahrzehnten wahrlich nicht der Hetze gegen den Islam verdächtig geworden ist, betrachtet man auch einmal die positiven Äußerungen des Herrn Ratzeputz zu diesem Thema. Ein vergleichbarer muslimischer Würdenträger würde sich einen solchen Maulkorb verbieten, allein die Forderung danach wäre pure Gotteslästerung.

Der Papst ist für die meisten Moslems nichts anderes als ein zu verachtender Götzendiener. Den Beweis kann ich trotzdem nicht antreten. Es scheint so zu sein.

Trotzdem würde ich meinen, dass es angebracht wäre, auf die nicht grundlose Empfindlichkeit der arabischen Welt um des lieben Friedens willen
Rücksicht zu nehmen. Es fällt uns dabei bestimmt keine Perle aus der Krone.

Mit lieben Grüßen

suche
 
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