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Der Mensch - ein geborener Kleingärtner?

PhilippP

Well-Known Member
Registriert
8. April 2003
Beiträge
931
Hallo zusammen,

nun, vorneweg kurz der Grund, weshalb ich mich zu jener Themenfrage entschlossen habe. Soeben komme ich von einem kleinen Spaziergang zurück, hierbei fiel mir zum ersten Mal ganz bewusst auf, wie viele Menschen in ihren kleinen Gärten buddeln, jäten, sähen, ernten, mähen, düngen, zupfen, lupfen... oder einfach nur ihr kleines Werk ehrfürchtig und doch zugleich kritisch begutachten.

Diese Tatsache ließ mich etwas nachdenklich werden. Ich meine, einem Jeden seine Beschäftigung und Erfüllung, doch dass derart viele Menschen einer und derselben Leidenschaft - dem Gärteln - nachgehen, dies hat mich doch stutzig werden lassen. Den reinen Naturgenuss werden sie vermutlich nicht als treibende Kraft empfinden, denn sie greifen in ihren Gärtelchen schließlich intensivst in dieselbe ein und versuchen sie nach ihren eigenen Vorstellungen entsprechend zu formen.

Nein, in einem Kleingarten reduziert sich der Mensch auf einen - in Relation betrachtet - absolut nichtig scheinenden Wirkbereich, dennoch ein Ort, der für den Menschen individuell offensichtlich eine sehr große Bedeutung hat. Es ist ein Fleckchen Natur, welches wir zu verändern suchen. Wir arbeiten stur jedwelchen Idealen oder sonstigen Vorstellungen entgegen und begeben uns somit in einen ewig anmutenden Kreis der Gartenarbeit, wobei hier die Arbeit im Besonderen hervorzuheben ist. Diese Arbeit ist augenscheinlich nicht notwendig, gar als überflüssig zu betiteln. Die Wenigsten benötigen den Garten zur Ernährung oder beruflichem Gelderwerb. Gärteln ist Freizeitbeschäftigung und Lebensanfüllung. Im Garten ist es dem Menschen möglich, in seiner Natur zu wirken und sein Dasein in dieser Welt somit intensiver zu erfahren und Zweifel zu vergessen.

Mit dem Spaten in der Hand wird nicht gedacht, da wird geschafft! Vielleicht erschienen mir jene Gartenmenschen mitunter darum so fremd, weil ich über sie dachte, während sie eben diesem unbewusst zu entgehen suchen...in ihrem Tun, so essentiell und instinktuell es auch einmal gewesen sein mag.

Wie denkt ihr hierüber? ;-)

Viele Grüße,

Philipp
 
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Dieses Thema gefällt mir ganz ungemein.
a) weil ich selbst Gartenbesitzerin bin – daher bei meinen Überlegungen nicht auf Annahmen zurückgreifen muss
b) weil dieses „Garteln“ mir ganz prima in den Kram meines Arbeitsthreads passt.

Du sagst“ Diese Arbeit ist augenscheinlich nicht notwendig, gar als überflüssig zu betiteln. Die Wenigsten benötigen den Garten zur Ernährung oder beruflichem Gelderwerb. Gärteln ist Freizeitbeschäftigung und Lebensanfüllung. „ (Philipp)

Stimmt beides bei mir.

Du sagst , dass dieses Freizeitbeschäftigung Arbeit ist. Stimmt auch, wenn wir mit Arbeit Mühe und Schweißabsonderung verbinden.

Aber es ist herrlich, wenn ich mich im Spätherbst in Nieselregen und Gatsch abgeplagt habe, Frühlingsblumenzwiebeln zu setzen – diese dann im Frühjahr zu betrachten. Das ist etwas Eigenes – nicht im Sinne von materiellem Besitz. Und für dieses Ziel plage ich mich dann im Herbst wieder sehr gern.

Es kann durchaus so sein, wie Du vermutest, dass die Gartenarbeit den Menschen wieder etwas an seine Ursprünge zurückbringt. Schließlich waren sehr viele Menschen noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend in der Landwirtschaft tätig. Und Tausende von Jahren – ab dem Neolithikum – lebte der Mensch überwiegend in Ackerbauerkulturen.
Ich weiß nicht, ob es so etwas gibt, wie kollektive Nostalgie. Vielleicht!?

Aber ich weiß, dass diese Arbeit nicht entfremdet ist. Sie hat etwas mit mir zu tun, mit dem tiefen Gefühl der Befriedigung nach geleisteter Mühe. Ich kann – zeitverzögert oder gleich- sehen, was ich gearbeitet habe.

Ganz gut gefällt mir Dein Schlagwort:“ Mit dem Spaten in der Hand wird nicht gedacht, da wird geschafft“.

Hier wird ein Aspekt der körperlichen Arbeit angesprochen, der so mit „Freizeitarbeit“ verbunden, meine folgenden Worte nicht als überhebliches Gequatsche einer „Studierten“ über körperliche Arbeit erscheinen lassen mag.
Bei der oft anstrengenden Arbeit bin ich abends müde. Dann quälen mich nicht die Gedanken, dann muss ich nicht lesen (oder Internetten- haha), dann bin ich zufrieden und schlafe ein.

Und ganz ohne Denken geht ja auch Gartenarbeit nicht ab, wie Du sagst. Schließlich überlege ich ja, wann ich am besten Nacktschnecken ermorde, wann ich welche Büsche schneide, welche Stauden zu welchen passen usw. (ein Späßchen!)
Aber auch dieses Denken ist primär zweckentfremdet, wenn wir als Zweck der Arbeit nur materielle Belohnung anerkennen. Sie kommt ganz in die Nähe der Kreativität .
Deshalb gleicht m.Es. die Gartenarbeit dem Spiel oder sportlicher Betätigung.


Aber Gartenzwerge habe ich nicht, wie Ihr vielleicht nach meinem begeisterten Lob der Gartenarbeit vermuten möchtet. :D :D
 
nachdem ich in deinem "Arbeitsthema" angeeckt bin ;) mit meiner Beschreibung der Arbeit (mehr sollte es nicht sein) und meine Eingangsbemerkung war nur der "Arbeit" geschuldet, alle Seiten 2x durchzulesen, ein schönes Thema (voller Gefahren)!

Nachdem du dich als Nackschneckenmörderin geoutet hast :eek: mein Beitrag (nicht ohne vorher zu bemerken wieviele Nacktschnecken in meiner Dahlie herumkriechten: 19 :mad: - jeder der ein klein bißchen Ahnung hat, weiß, wie die Dahlie jetzt aussieht!):

Ich liebe Gartenarbeit, ich liebe meinen Garten! Kartoffeln, 3 Gewächshäuser, Beete, Blumen, Wege, Teiche, ... alles will gepflegt, umsorgt, geplant und bearbeitet werden!

Doch warum macht es Spaß?

(wir wollen hier philosophieren, nicht schwelgen oder?)

Ich denke ich verwirkliche mich und meine Vorstellung von Frieden und Heimat, Geborgenheit und Schutz (-zone) mit meiner Gartenarbeit! Ich sehe mich bestätigt in meiner Leistungsfähigkeit, meinen Träumen und meinen Sehnsüchten! Der Garten ist Idylle und Ort der Besinnung (lesen im Pavillon, bewachsen von einem wunderschön blühenden Blauregen (ich schwelge doch :) )!
Die Kinder finden ihren Platz (nicht unerheblich) und ihre Geborgenheit! Meine Frau ihre Ruhe (und ihre Tomaten und Gurken)!

Ich bedauere Menschen, die keinen Garten haben dürfen/wollen (hört sich blöd an, aber ich wünsche/gönne halt jedem dieses Erlebnis).

Das Gefühl , dass (früher?) ein Bauer für sein Land hat, das Gefühl der Scholle ist tief verwurzelt und bedeutet für mich vielleicht ja sogar direkt am Kreislauf der Natur (aus der Erde zur Erde) teilzuhaben in einer ursprünglichen, ja archaischen Form (ich schwelge schon wieder, oder assoziiere).

Doch kein so leichtes Thema, man kommt "vom Hölzgen aufs Stöckchen" wie mir scheint!



edit: ich habe auch keine Gartenzwerge (doch 2, von meinem Schwiegervater, sind ca. 70 Jahre alt und zu schön um sie wegzuwerfen - stehen aber im Schuppen)
 
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Original geschrieben von PhilippP
Es ist ein Fleckchen Natur, welches wir zu verändern suchen.

Eine Frage an die Gärtner:
Könnt ihr mir reflektiert beantworten wie wichtig euch dieser Aspekt ist?
Und als was würdet ihr es bezeichnen? Kreative Eingreifen in die Natur? Gestalten?
 
....ich weiß nicht so recht, kreatives eingreifen in die natur könnte man auch schon dann bezeichnen, wenn man sich schminkt, die haare schneidet, seinen körper einfach verändert.

ich denke eher, es ist das gefühl, das einen erhebt, wenn man selbst etwas "erschaffen" hat. ein stück garten eden. etwas, was nicht so wäre, wenn man nicht dafür hart gearbeitet hätte. das ergebnis: wundervolle blumen, gemüse oder schöne sträucher, deren die möglichkeit gegeben hat, auf eigenem boden entsprechend seiner vorstellung zu wachsen. um sich danach darüber freuen zu können. etwas "eigenes, nicht vergleichbares". ein stück von sich selbst, daß sich wiederspiegelt und den anderen ein augen/-gaumenschmaus sein soll. liebe, die investiert wird und auch unmittelbar zurückkommt.

....sind nur meine gedanken dazu...:rolleyes:
 
In einer technisierten Welt mit all seinen negativen Implikationen (Lärm, Autoabgase, Arbeitsumfeld, ...) ist der eigene Garten (so er denn groß genug ist) ein Bereich, in dem eine sehr ursprüngliche Naturverbundenheit möglich ist!
Also die Befriedigung einer Sehnsucht: der Sehnsucht nach einem Leben in der Natur!


Ebenso richtig ist die Sicht lacunas - das "Stück Eden", das wir verloren haben (zumindest in christlicher Ethik, und die hat fast alle von uns, ob wir wollen oder nicht, geprägt) wiederholen, neu erschaffen!

Zudem ist man heutzutage selten "sein eigener Herr", also Entscheidungsträger" - im Garten kan man dies nach Herzenslust "sein"!

Die Frage nach der Wichtigkeit ist schwer zu beantworten, da diese "Sehnsucht" dieser "Gartentrieb" ein gutteil unbewußt wirkt! Doch in den letzten 10 Jahren ist es für mich immer wichtiger geworden dem äußeren Streß etwas entgegenzusetzten, das streßmindert wirkt (wichtiger Aspekt)!
 
unser Garten ist ein kleines Naturschutzgebiet

(man sollte keine Pflanzen der freien Natur entnehmen,
um sie im Garten anzusalben,
es sei denn,
- die Pflanze und ihre Nachkommen dürfen tatsächlich die nächsten Jahrzehnte hier wohnen
- die Pflanze ist am Wildstandort ungefährdet
- die Pflanze ist am Wildstandort am Absterben)

wenn die ältere Generation tot ist,
dürfte es kaum noch Gärten geben

(die Jugend ist zu doof,
einen Kompost umzusetzen.
von angemessener Bodenbearbeitung
und von den verschiedenen Pflanzengesellschaften
haben von den Jungen nur noch wenig Ahnung)

anstelle von Gärten tritt dann grüne Wiese
und grüne Sträucher aus dem Baumarkt

(in den Garten/Baumärkten werden keine Wildblumen verkauft
sondern hochgezüchtete Blühwunder ohne Insektenbesuch
- die Ausnahme hierbei sind die Teichpflanzen)

in Bauerngärten nützt und ziert jede Pflanze zugleich

(auf ein Exkursion nördlich des Ruhrgebietes waren wir auch im Flachland: Gütersloh, Münster ...
die Gärten dort bestehen aus englischem Rasen
bei Osnabrück hingegen wird es bergiger
und prompt sah ich dort einen Bauerngarten)
 
Hallo,

einige interessante Antworten haben sich bereits zum Thema eingefunden. Und tatsächlich sind auch und sogar hier im Forum einige Kleingärtner zugegen, entsprechend hat sich nun ein sehr guter Gesamteindruck ergeben, der wohl die primären Motivations- und Bedürfnisgründe eines Hobbygärtners, zumindest im Ungefähren, widerspiegelt.

Da wäre zum einen die Freude an der Selbstverwirklichung, also das individuell bestimmte Sein und Wirken an einem Ort, der nur der eigenen Herrschaft untersteht und nicht fremdbestimmt ist. Hier kann man als Mensch so aufgehen und sich kreativ entfalten, wie dies, wie Haiku bereits erwähnte, in unserer komplexen und durchweg hierarchisch strukturierten Gesellschaft für den einzelnen Menschen seltenst möglich ist. Somit ist der Kleingarten mitunter ein Ersatz für zurückgesteckte und unterdrückte bzw. nicht verwirklichte Bedürfnisse, die durch das individuelle Sein zwangsläufig bei jedem Menschen gegeben sind.

Etwas Eigenes schaffen, etwas, mit dem man sich voll und ganz identifizieren kann, quasi ein Abbild der eigensten Vorstellungen und Wünsche in die Natur zeichnen, in den Garten. Eigenes Wirken in natürliche Vorgänge legen und sich selbst somit in gewisser Hinsicht kreativ fortzupflanzen, man bewirkt etwas wirkendes, es gibt wohl kaum essenziellere Formen des lebendigen Seins, als das lebendige Wirken in Lebendigem.

Menschliches Eingreifen in die Natur, Walter, ich glaube hier ist eine generelle Vorwurfshaltung nicht sinnvoll, denn diese würde uns Menschen in der Gesamtheit unserer Existenzbedingungen berauben. Wir sind Lebewesen und müssen oftmals auch konträr wirken, um uns die äußeren Bedingungen so zu gestalten, dass wir in unserer Umwelt überlebensfähig sind und bleiben. Nur die Art und Weise unseres Wirkens, diese wäre in der Tat oftmals wesentlich kritischer zu hinterfragen und reflektieren, als dies derzeit der Fall ist.

Das mitunter faszinierende am Kleingärtnertum, wie ich finde, die Widersprüche und offensichtlich unverträglichen Gegensätze. Daher denke ich, Naturliebe kann es nur bedingt sein, welche uns zum Gärtnertum veranlasst, viel eher eine Form der notwendigen Eigenliebe, die sich lediglich in einer verdrehten und widersprüchlich anmutenden Naturliebe zu spiegeln scheint. Denn, wir töten Natur und andere Lebensformen (und seien es nur Nacktschnecken oder Unkraut) dort, wo es unsere Vorstellung eines idealen Gartens stört. Wir lieben daher vielmehr unsere Vorstellungen und die erreichten Zielsetzungen, nicht jedoch die natürlichen Abläufe als solches. Es ist also nicht "der Garten" den wir lieben, sondern das, was wir daraus gemacht haben, das, zu dem wir ihn, mittels unserer gezielten und gewaltsamen Eingriffe, geformt haben. Versuchen wir um jeden Preis eine gewollt harmonische Vorstellung unserer selbst in dem Wirkbereich Kleingarten zu projizieren, oder versuchen wir, unser Wirken bewusst/unbewusst in ein Miteinander zu stellen, ein versuchtes Miteinander von menschlichem Wirken und natürlichen Gegebenheiten?

Viele Grüße,

Philipp
 
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schon die alten Chinesen ...

Ein altes chinesisches Sprichwort besagt fogendes:

Willst du einen Tag glücklich sein, dann betrinke dich.
Willst du ein Jahr glücklich sein, dann heirate.
Willst du aber ein Leben lang glücklich sein, dann lege dir einen Garten an.

Das hat etwas ...
 
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einen Garten aus Eigenliebe?



der Mensch war zuerst Jäger und Sammler
dann hat er sich zum Bauern und Nomaden entwickelt
inzwischen entwickelt er sich zum Städter

sowohl Jäger und Sammler
als auch Bauern und Nomaden
hinterlassen eine Kulturlandschaft,
die äußerst natürlich ist
(sicher, es gibt weniger Wald, aber das erreichen auch Elefanten)

erst als Städter hat der Mensch einen psychischen Knacks wegbekommen
(als Ausgleich entstanden die Gartenstädte und die Naturistenbewegung)
inzwischen gibt es einen Gartenmarkt
und der gestörte Städter kauft,
was ihm die Reklame vorsetzt
(aus Eigenliebe?)

der Kleinstädter/Dörfler hat diesen Knacks nicht wegbekommen
hier gibt es noch viele Bauerngärten
(sicher nicht aus Eigenliebe, sondern aus praktischen, wohltuenden Gründen)
 
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