So denkt man immer nur, wenn man für sich selbst den Tod in weiter Ferne sieht. Ist er nah, dann denkt man da oft anders.
Man muss hier unterscheiden zwischen dem körperlichen Selbsterhaltungstrieb und der geistigen Einstellung. Auf der geistigen Ebene habe ich keine Angst mehr vor dem Tod, weil ich weiß, oder um es ganz korrekt zu formulieren, mir sehr sicher bin, dass es danach weitergeht. Das sagt sich so leicht dahin, aber es macht wirklich einen riesigen Unterschied. Ich kann mich überhaupt nicht mehr in die heutige Standardvorstellung des Todes als
das Ende hineinversetzen. Es ist viel zu lange her, dass ich diese Vorstellung teilte, vielleicht habe ich sie im Kern meines Wesens sogar niemals geteilt. Plötzlich wird das
worst case scenario, dass es mit allen Mitteln zu verhindern gilt, zu einem Übergang, dem Beginn eines neuen Kapitels. Das verwandelt
die Angst vor dem Tod in ein
Interesse am Tod, sogar eine gewisse Vorfreude schwingt beim Gedanken an den Tod mit.
Aber, und das ist ein großes Aber, natürlich gibt es auch den körperlichen Selbsterhaltungstrieb. Und dieser zittert natürlich beim Gedanken an den Tod. Obwohl auch er es nicht müsste. Die Atome, die jetzt meinen Körper bilden, waren einmal Teil eines Sterns, und nach meinem Tod werden sie andere Formen bilden. Genau genommen stirbt nicht einmal der Körper. Das einzige, was wirklich stirbt, ist das Ego. Deshalb sollte man dieses schon zu Lebzeiten in die Schranken weisen. Natürlich kann es sein, dass auch bei mir, wenn es wirklich auf den Tod zu geht, der Selbsterhaltungstrieb die Überhand gewinnen wird. Ausschließen kann ich das nicht. Das werde ich dann sehen, wenn es soweit ist.
Das weiß "die" Medizin (ich halte nichts von solchen Kategorisierungen) ganz genauso.
Sie hat nur kein ethisches Konzept das anders zu organisieren. Niemand lebt im Altenheim allein, wie schützt man einen Insassen dann also, der es anders sieht als w.o.?
Wir sind es mittlerweile so gewohnt, dass jedes Detail von oben geregelt wird, dass wir das Wesentliche aus dem Blick verloren haben:
die Eigenverantwortung! Das zeigt diese Krise mehr als alles andere. Wenn ein Altenheimbewohner unbedingt Besuch von seiner Familie haben möchte, weil er die Einsamkeit nicht mehr aushält, dann sollte er selber abwägen dürfen, ob er dieses Risiko eingehen will oder nicht, und zwar sowohl für sich selber als auch für andere. Wenn man ihm klar macht, dass er auch seine Mitbewohner einem Risiko aussetzt und er dennoch gewillt ist, dies einzugehen, weil der Leidensdruck der Einsamkeit einfach überwiegt, dann sollte man ihn machen lassen. Er trägt nun die Verantwortung und kennt die möglichen Konsequenzen. Aber in dieser Denke liegt noch ein weiteres Problem, nämlich:
Die Reduzierung des Mitmenschen auf einen potentiellen Infektionsherd. Wenn wir jetzt bei jedem Zusammentreffen immer im Hinterkopf haben, dass zum Beispiel der Mitmensch gegenüber mich anstecken könnte, ich dann meinen kleinen Neffen, dieser seine Großeltern, welche dann elend sterben werden usw... wohin soll das führen? Ein solches Denken kann nur im Wahnsinn enden. Dann traut man sich irgendwann gar nicht mehr vor die Türe, denn alleine schon das Verlassen des Hauses könnte einen Kaskadeneffekt auslösen, der zum Weltuntergang führt. Letzteres Beispiel ist bewusst übertrieben, soll aber veranschaulichen, wozu dieses Angst-Denken letztlich führt: Zur völligen Lähmung! Dann kann man nur noch paralysiert aus dem Fenster schauen und traut sich gar nichts mehr.