AW: Bipolar - doping für die seele
Ich habe mir nach dem Selbstmord meines Bruders selber die Diagnose verpasst "reaktive Depression" um einiger massen in dieser Welt klar zu kommen und wenigstens ein paar Hilfen Therapie, psychosomatische Klinik und jetzt meine Rente zu bekommen.
Hochs habe ich selten erlebt. Bis es jetzt vor ein paar Jahren, nach etlichen Bemühungen doch eintraf. Da erinnerte ich mich mit Schrecken daran, dass meine Ma ja die Diagnose manisch-deprressiv hatte.
In der Manie war sie unerträglich, rannte durch den Ort und beschimpfte alle Leute, die mir dann wieder empört erzählten was sie gesagt hatte. Zu hause versorgte sie die Geschwister nicht und ich sprang ein. Mit 13 wurde ich plötzlich erwachsen und wenn alles gut lief wurde ich nicht beachtet, wenn etwas schief lief Schelte oder ohne zu fragen Prügel. Das war mein Leben damals. Meine Eltern stritten in der Zeit viel und der tödliche Satz meiner Ma.
Wenn ihr nicht wäret,
würde ich mich Pa besser verstehen
hatte bei mir seine doppelte Wirkung, da ich mich schuldig für den Tod meines ältesten Bruders der mit 8 Wochen starb, als ich noch keine zwei Jahre alt war. Ich habe mir alle diese Schuldzuweisungen aufgeladen, um die verdrehten Ansprüche meiner Mutter zu befriedigen und eine Erlaubnis zum Leben zu bekommen. In der Depression war sie kaum ansprechbar.
Ich habe permanent seelisch unter einer Lebensbedrohung gestanden. Wenn ich liebe töte ich jemanden, wenn ich wütend bin genauso. Es war egal was ich gemacht habe, irgendetwas war immer falsch. Dazu kam, dass ich mir ein strenges Moralgerüst angezogen habe.
So weiß ich heute, dass das Schlimme hinter mir liegt und ich die wie immer die Verantwortung übernehme, die hier kaum einer zu sehen scheint. Darauf hin zu weisen, dass Worte wie Gedanken eine Kraft haben, das eigene Leben zu beeinflussen und zu bestimmen.
Dazu kommt noch mein Teil des Namens, der zu mindestens hier in der BRD sofort alle Schubladen aufgehen lässt und entweder an die verflossene Leibeigenschaft denken lässt oder die Brust der anderen vor Stolz schwellen lässt. Wo die Frage offen bleibt, bin ich eigentlich gemeint oder habe ich es mit den verinnerlichten Urteilen von Hass und Neid zu tun?
Nach dem Selbstmord meines Bruders habe ich angehört, was er bis zu seinem Tod gemacht hat und habe beschlossen selber, egal was passiert, leben zu wollen. So bin ich froh, dass ich noch lebe und ich kann sogar stolz darauf sein, was ich bis jetzt alles erlebt habe und wie vielen ich weiter geholfen habe. Eigentlich permanent von der unbewussten Not getrieben eine Berechtigung für mein Leben zu erhalten. Dazwischen gab es genug Atempausen, wo ich verschnaufen konnte. Jetzt benutze ich meine Erfahrungen und Erlebnisse ganz bewusst um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen für die vielfältigen Möglichkeiten und der Wechselwirkung der seelischen Befindlichkeiten eines einzelnen Menschen und der gesellschaftlichen Realität. Der Baron macht auf seine Art auf das gleiche aufmerksam. Wir können aber nicht zusammen, weil wir uns in den Verletzungen und der Reaktion darauf zu ähnlich sind.
rg