• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

ich meine ohne die materialisten wie d'alembert oder diderot wäre die spiritualität nicht so zurückgedrängt worden. sie hatten zwar zu ihrer zeit nicht sehr viel einfluss auf die massen, setzten aber, da gebe ich dir recht, die grundlagen für diese säkularisierung im modernen europa.
Was ich Dich schon immer fragen wollte: Ich verstehe das Thema des Threads nicht. Was meinst Du eigentlich mit "Zeitverfall"?? Kann Zeit verfallen? Es gibt eine Verfallszeit bei Radioaktivität oder bei vielen Rechtsvorgängen; aber in diesem Sinne hast Du den Zeitverfall doch nicht gemeint - oder?
Gruß Ziesemann
 
Werbung:
AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

Eigentlich ist die Fragestellung nach meinem Verständnis etwas zu allgemein, zu breit gefasst – und ich kann mich hier nur zu einigen Aspekten vorläufig äußern.

Die Zeit der Aufklärung ist meines Erachtens die wichtigste überhaupt für die Entwicklung der abendländischen Kultur, denn sie bedeutete eine völlig neue Denkweise einerseits und daraus erfolgend unweigerlich die großen Veränderungen im politischen Bereich, auf denen unsere zwar noch immer unvollkommenen Gesellschaftssysteme bis zum heutigen Tage noch basieren. Und damit nenne ich nur zwei Aspekte – ich werde vielleicht versuchen später mehrere Facetten aufzuzeigen – zum Beispiel auch über die Persönlichkeiten die überhaupt diese Epoche ausmachen, denen der Name Aufklärung zu verdanken ist.

Um erstmals zu verdeutlichen wie groß die gesellschaftlichen Umwälzungen sind die durch die großen Denker der Aufklärung verursacht wurden, nur ein kleines Beispiel: es gab bis zur Aufklärung eine solche Obrigkeitsgläubigkeit, dass in vielen Fällen die revolutionären Ansätze von oben kamen – und nicht in erster Instanz vom Volk.
Du, psbvbn1, nennst die französische Revolution, ich werde aber stellvertretend ein anderes Beispiel hier nennen. Denn oft erkannten die klugen Herrscher selber die Zeichen der Zeit und handelten eben gegen die vorherrschende Obrigkeitsgläubigkeit der breiten Massen.

So in Österreich, wo eigentlich Joseph II (1741 – 1790) die zunehmende Bedeutung des Bürgertums erkannte und große politische Reformen einleitete, dies gegen den Willen seiner Frau Mama, Maria Theresia, die eigentlich den Geist der Gegenreformation noch vertrat. Ich gehe nur auf diesen einen Aspekt der Herrschaft von Joseph II ein – denn der ist hier für den Geist der Aufklärung bezeichnend. Dazu gehörte die Fähigkeit zu erkennen welche Bedeutung das Bürgertum sowohl wirtschaftlich als auch kulturell gewinnen wird. Das waren einfach rationale Überlegungen – doch an der Basis stand das Umdenken, denn es musste an erster Stelle die Vernunft und nicht der Glauben die Entwicklungsrichtung bestimmen.

Es sind danach die liberalen Kreise, die oft noch in dieser Zeit geheim agieren, die den Gedanken weiterführen und völlig neue Systeme der Gesellschaft entwerfen, in denen die grundlegenden Gedanken der Aufklärung verwirklicht werden sollten: Toleranz, Gerechtigkeit, Freiheit.

Und hier wäre ich sehr versucht einen Bogen zu schlagen zu Mozarts Idomeneo – und warum in den heutigen Tagen noch die Signale die er da sendet, die völlig im Einklang sind mit den Idealen der Aufklärung, warum also in unserer heutigen gesellschaftlichen Konstellation man noch befürchten konnte, dass die Aufführung der Oper Unmut, ja sogar Unruhen verursachen könnte. Denn wir leben in einer Gesellschaft in der zwar die Mehrheit schon längst Vernunft vor den Glauben gestellt hat mit allen politischen Konsequenzen, in denen aber, so paradox es auch klingt, in manchen Kreisen noch immer der Glaube vor der Vernunft steht. Und das bedeutet auch die uneingeschränkte macht des Klerus und die Unantastbarkeit des Glaubens.

Ich weiß, ich weiß, das führt zu weit – und ist doch eng verbunden mit dem Gedanken der Aufklärung, die vielleicht nicht in allen gesellschaftlichen Systemen die in dieser globalisierten Welt anzutreffen sind, umgesetzt wurden. Und eben diese globalisierte Welt, erschwert oft die Koexistenz von Kreisen für die Aufklärung schon längst zum gesellschaftlichem und kulturellem Selbsverständnis gehört und anderen die dieses Gedankengut noch nicht angenommen haben.

Gruß von Miriam
 
AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

Und hier wäre ich sehr versucht einen Bogen zu schlagen zu Mozarts Idomeneo – und warum in den heutigen Tagen noch die Signale die er da sendet, die völlig im Einklang sind mit den Idealen der Aufklärung, warum also in unserer heutigen gesellschaftlichen Konstellation man noch befürchten konnte, dass die Aufführung der Oper Unmut, ja sogar Unruhen verursachen könnte. Denn wir leben in einer Gesellschaft in der zwar die Mehrheit schon längst Vernunft vor den Glauben gestellt hat mit allen politischen Konsequenzen, in denen aber, so paradox es auch klingt, in manchen Kreisen noch immer der Glaube vor der Vernunft steht. Und das bedeutet auch die uneingeschränkte macht des Klerus und die Unantastbarkeit des Glaubens.

Gruß von Miriam

hallo, miriam, frohes weihnachtsfest!

danke für deinen doch schon ausführlichen beitrag!
aber ich glaube du und auch andere machen es sich zu einfach (so z.b. die aufklärer und ihre nachfolger wie feuerbach und co), indem sie glauben und vernunft trennen wollen.

der glaube an etwas ist wichtig, so z.b. an gott. wir menschen sind glaubensbedürftige wesen, egal ob wir ihn an gott, autos oder die technik haben.
aber auch der verstand ist wichtig, denn es sollte kein glauben so ausarten, dass er andere menschen schadet, und er sollte logisch begründbar sein, sodass man sich in letzter instanz vor seinem glaubensobjekt rechtfertigen kann.

deshalb sage ich:
Glaube mit Verstand!

so kann man an gott glauben, auch an den kirchlichen gott. das bedeutet aber nicht man muss an die kirche und ihre aktionen glauben und diesen blind gehorchen. das ist in unserer heutigen zeit wichtig, einen befreiten glauben zu besitzen, der den sinn für die realität nicht ausschaltet, weil es würde ja kaum jemanden gefallen, an etwas zu glauben, wobei man bei der ausübung dieses glaubens anderen schadet.

weil das ist kein glauben, das ist pervertierter destruktivismus!
 
AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

Hallo, bellende Katze,

auch dir eine schöne und friedliche Weihnacht.

Vernunft vor Gauben bedeutet doch keineswegs, dass man dem Glauben nicht seinen Platz einräumt. Er darf nur nicht restriktiv sein, Irrationales vor Rationalem stellen, um es mit Diderot und mit seinem Jacques den Fatalisten auszudrücken, nicht das Bestehen dieser himmlischen Rolle voraussetzen, wo sowieso schon alles was geschieht, festgelegt ist.

Ich werde darauf nochmals zurückkommen, aber möchte nun erstmal auf deinen Einführungsbeitrag Bezug nehmen, weil ich einen deiner Gedanken aufgreifen möchte. Denn ich verstehe nicht so ganz was du über die Wissenschaften dort schreibst:


psbvbn1 schrieb:
es ist allerdings anzumerken, dass im vergleich zum vorangegangenen zeitalter die wissenschaft sich nicht so stark weiter entwickelte, da sie massentauglicher werden musst und daher nicht so in die tiefe gehen konnte. (lavoisier mal ausgenommen)

Der große Vortschritt besteht unter anderem auch in der Tatsache, dass Wissenschaften im allgemeinen für diejenigen bestimmt wird für die sie von Nutzen sein sollen: für die Menschen. Damit ersetze ich deinen Gedanken der "Massentauglichkeit" mit dem des menschenzugewandtem.

Meines Erachtens finden eben im Zeitalter der Aufklärung eine wesentliche Entwicklungen statt, die bestimmend werden sollte für den Weg, ja den Fortschritt der Wissenschaften in den folgenden Jahrhunderten. Denn der Gedanke der Freiheit des Denkens ist grundlegend auch für die Naturwissenschaften. Auch wenn Buffon in seiner "Histoire naturelle" noch immer den Menschen als Maß aller Dinge betrachtet, und auch große Botaniker wie Linné noch immer davon ausgehen, dass die Arten unveränderlich sind (also noch weit entfernt vom Gedanke der Evolution sich befinden), stellt man schon bald den Einfluss von Philosophen wie Diderot (tschuldigung, er ist mein absoluter Liebling unter den Aufklärern) fest.
Und so entwirft Lamarck seinen Gedanken eines Tierreichs welches sich in einer kontinuierlichen Veränderung oder Entwicklung befindet. Auch da findet sich die Verneinung dieser himmlischen Rolle in der schon alles festgelegt ist für ewig und immer, leicht wieder. An Stelle einer statischen Biologie tritt nun die Auffassung einer "histoire naturelle", einer Entwicklungsgeschichte der Natur.
Auch wenn die Evolutionstheorie von Lamarck später von Darwins Evolutionslehre ersetzt wurde: Lamarcks Denken ist eine große Revolution in den Naturwissenschaften – und ist ihrerseits ohne der Aufklärung nicht denkbar.

Dies vorläufig als ein Beispiel zur Entwicklung der Wissenschaften im Zusammenhang mit dem Zeitalter der Aufklärung.
Es muss noch Grundsätzliches dazu gesagt werden - dies vielleicht später.

Es grüßt dich

der lärmende Baum
 
Miriams Beiträge

Wie so oft finde ich miriams Beiträge wieder erschöpfend, auch wenn ich dazu neige, die Aussage doppeldeutig zu verstehen.
Auch ich halte mit miriam die Aufklärung für die wichtigste Epochenwende seit der Entstehung des Christentums. Ihr, der Aufklärung, verdanken wir Freiheit und Wohlstand und vor allem den Gedanken der Toleranz (Stichwort: Lessings Nathan). Nicht ohne Grund hat Papst Benedikt XVI. von der großen Aufgabe für den Islam gesprochen, daß er noch durch diese Schule gehen muß (er sagte es in anderen Worten). Ich denke, das wird für viele Islamisten noch ein - allerdings notwendiges und damit heilsames - Fegefeuer werden.
Schöne Sylvestergrüße
Ziesemann
 
AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

Ziesemann schrieb:
Wie so oft finde ich miriams Beiträge wieder erschöpfend, auch wenn ich dazu neige, die Aussage doppeldeutig zu verstehen.

Oh, oh, das tut mir aber sehr leid...Ab sofort erstelle ich auch eine Version "ad usum Delphini" - denn es liegt mir sehr daran niemanden hier zu erschöpfen.

"Ad usum Delphini" sei hier bitte nicht als Anpassung an die Moralvorstellungen der Zeit (eher des Monarchen!) verstanden, sondern einfach nur als gut verdaubar für jederman...

:sekt: <---------das ist vorläufig ein kleiner Magenbitter
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Miriams Beiträge

Wie so oft finde ich miriams Beiträge wieder erschöpfend, auch wenn ich dazu neige, die Aussage doppeldeutig zu verstehen.
Auch ich halte mit miriam die Aufklärung für die wichtigste Epochenwende seit der Entstehung des Christentums. Ihr, der Aufklärung, verdanken wir Freiheit und Wohlstand und vor allem den Gedanken der Toleranz (Stichwort: Lessings Nathan). Nicht ohne Grund hat Papst Benedikt XVI. von der großen Aufgabe für den Islam gesprochen, daß er noch durch diese Schule gehen muß (er sagte es in anderen Worten). Ich denke, das wird für viele Islamisten noch ein - allerdings notwendiges und damit heilsames - Fegefeuer werden.
Schöne Sylvestergrüße
Ziesemann

hallo, ziesemann!

ich halte miriams beiträge für unerschöpflich notwendig und inspirierend (8tung wortspiel:) )

dass die radikale islamistenbewegung zurückgehen wird, ist fast wie sicher. wie sie zurückgehen wird, ob mit großem knall oder kleinen, grollenden tönen, weiß ich nicht!
papst benedikt sollte sich mal an die eigene nase fassen, wenn er andere hardliner-religiöse kritisiert. darüber möchte ich hier nicht diskutieren (siehe "heilige"-katholische-kirche-thread)

aber die aufklärung hat uns zwar freiheit gebracht und wohlstand, aber wie vielen? man kann nicht für alles soziale elend heutzutage die aufklärer verantwortlich machen, das ist klar, aber ihre lehren hatten mit der befreiung aus der unmündigkeit zu einer befreiung geführt, die viele menschen nicht verkraftet haben. so wie einfach ins kalte wasser geschmissen, lösungswege, was man mit der dann gewonnenen freiheit machen soll, haben sie glaube ich nicht aufgezeigt!
 
AW: Miriams Beiträge

aber die aufklärung hat uns zwar freiheit gebracht und wohlstand, aber wie vielen? man kann nicht für alles soziale elend heutzutage die aufklärer verantwortlich machen, das ist klar, aber ihre lehren hatten mit der befreiung aus der unmündigkeit zu einer befreiung geführt, die viele menschen nicht verkraftet haben. so wie einfach ins kalte wasser geschmissen, lösungswege, was man mit der dann gewonnenen freiheit machen soll, haben sie glaube ich nicht aufgezeigt!
Darüber könnte man diskutieren; aber Deine immanent aufgezeigte Alternative wäre die Unfreiheit. Lies mal: Hans Fallada "Wer einmal aus dem Blechnapf ißt.." Da ist der rückfällige Strafgefangene froh, wieder im Gefängnis zu sein, weil er nun keine Verantwortung mehr übernehmen muss und andere ihm sagen, was er tun soll. Das ist die extremste Form der Unmündigkeit. Willst Du diese?
Nochmals: Auch wenn Du nicht schriftstellerisch tätig werden willst - mit dieser Orthographie könntest Du Dir Bewerbungsschreiben gleich sparen.
Gruß Ziesemann
 
AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

hallo, ziesemann!

So meine ich das wirklich nicht, du musst mich falsch verstanden haben!

Ich bin nicht gegen den Ausgang aus der Unmündigkeit, sondern mache mir Sorgen über den Umgang mit der durch sie gewonnenen Freiheit. Weil viele Menschen könnendie sie nicht nutzen, sie wollen sich selbst verwirklichen, ohne an sich etwas zu ändern, sodass sie ihren Charakter verändern!
 
Werbung:
AW: Aufklärung - große Zeit oder Zeitverfall?

Aber sind wir denn heute befreit aus der Unmündigkeit? .. Haben wir das vollkommene Endziel der Aufklärung erreicht???
Kant wäre sicherlich begeistert wie weit es die Wissenschaften gebracht haben.
Aber wenn er sich ansähe, dass die Menschen immer noch Krieg führen und immer noch Hass gegeneinander hegen. Ich glaube er würde Kopfschüttelnd soetwas sagen, wie "An der Aufklärung.. Da sinma noch dran"

Ich denke, die Idee, die hinter dem Ganzen steckt ist einfach zu schwer. Zu schwer für die Menschheit! Die Idee, dass wir alle einen "Nächstenliebenstatus" von Jesus und eine komplette Selbstkontrolle haben. Außerdem muss jeder bereit sein, seine Vernunft einzusetzen.. Sich mit ethischen Fragen zu beschäftigen, was je nach Standort und Beruf sehr schwer ist. Ich denke es ist zu schwer!

mfG Ginsi
 
Zurück
Oben