Ich hatte eine Mitarbeiterin, mit der mich auch persönlich ein großes Vertrauensverhältnis und gegenseitige Sympathie verband. Sie war 1990 zur Wende mit ihrem Mann nach Deutschland gekommen, in Polen geboren. Eines Tages bat sie mich kurzfristig um ein Vieraugengespräch in einer privaten Angelegenheit. Ich stimmte zu. Sie hatte eine erwachsene Tochter, die mit ihrem ebenfalls polnischstämmigen Mann einen kleinen, extrem hübschen Sohn im Vorschulalter hatte. Vor einiger Zeit habe ihr Enkelkind beim Spielen und Schäkern mit ihrer Tochter das erste mal eine seltsame Bemerkung fallen lassen. Beim Sitzen auf dem Schoß seiner Mutter fragte er sie plötzlich, ob er sie an der Muschi streicheln soll. Natürlich sei ihre Tochter extrem beunruhigt, wie ihr 4-jähriger Sohn zu einem solchen Wortschatz komme und fragte bei ihm nach. Er rückte erst Wochen später mit der Sprache raus, nach mehreren Wiederholungen ähnlicher Szenen. Es stellte sich heraus, dass zwei Erzieherinnen der Kita mit ihrem Sohn regelmäßig solche Sexspielchen trieben und er den beiden Frauen hoch und heilig versprechen musste, niemanden etwas davon zu erzählen. Meine Mitarbeiterin fragte mich nun, wie sie und ihre Tochter damit umgehen sollten, bei wem man so was in Deutschland am besten meldet. Ich dachte kurz nach und empfahl meiner Mitarbeiterin schließlich, ihr Enkelkind in einer anderen Kita anzumelden und due Sache auf sich beruhen zu lassen. Sie schaute mich verdutzt an und sagte: "So was zu tun wie die Erzieherinnen, ist doch eine große Sünde?" Ich sagte zu ihr, dass in Deutschland und im Westen allgemein das Thema Missbrauch primär ein Werkzeug im Geschlechterkrieg sei. Frauen seien deshalb als Täter nicht vorgesehen. Unerwünscht. Sie verließ kopfschüttelnd mein Büro. Ein paar Wochen später kam sie wieder, mit rot unterlaufenen Augen. Sie hätte auf mich hören sollen, dachte damals, ich spinne. Ihre Tochter habe die Sache der Leiterin der Kita gemeldet, die meinte, sie würde sich darum kümmern. Ein paar Tage später sei ihre Tochter spätabends auf dem Nachhauseweg von drei Frauen krankenhausreif verprügelt worden. Die harmlosteste Beleidigung sei noch Polenschlampe gewesen. Natürlich habe sie der Polizei bei der Vernehmung gesagt, sie sei von einem unbekannten Mann nachts verprügelt worden.