Gaius, Robin, Jacques, Neugier
Ich habe alle Beiträge jetzt mehrmals gelesen und versuche nun herauszufinden, warum das bei mir überhaupt Resonanz auslöst.
Ich kenne Afrika nicht und ich
weiß nichts darüber. Ich kenne nur Berichte und Erzählungen. Afrika ist für mich sehr fern. Meine Resonanz zu diesem Thema bezieht sich daher eher auf die Art, wie diese Diskussion geführt wird.
Politik hat mit Strategie zu tun. In Fall Afrika wird z.B. nach den Ursachen des Scheiterns gefragt. Das setzt voraus, Gaius, dass nach deiner Einschätzung der Sachlage jemand/etwas gescheitert ist, da läuft etwas falsch, wie kann das geändert werden.
Scheitern ist mMn ein Urteil, das nur derjenige selbst fällen kann, der ein bestimmtes Ziel verfolgt und feststellt, dass er es nicht erreicht hat. Von außen betrachtet kann man höchstens erkennen, dass das, was geschieht, nicht dem entspricht, was ich gewünscht hätte, dass geschehen soll. Oder kennt irgendeiner der Kommentatoren die innersten Wünsche und Ziele der Menschen, die mit den dort vorherrschenden Umständen leben müssen, ob sie wollen oder nicht?
Es ist leicht, eine Situation zu beurteilen, wenn man weit weg ist. Noch leichter ist das, wenn man zu jenen gehört, die - außer drüber reden - nichts damit zu TUN haben. Weil dieses Thema aber dennoch in mir Interesse geweckt hat, will ich nachschauen, was das mit
mir zu tun hat.
Dass viele Menschen in Afrika nicht so leben können, wie ich es für menschenwürdig halte, das steht außer Zweifel. Ich zähle mich weiters zu den zivilisierten Europäern und bin Nachkomme derer, die von der Ausbeutung Afrikas profitiert haben und noch profitieren. Ich kann einen gewissen Zusammenhang erkennen zwischen dem Umstand des Ausgebeutet Werdens und den jetzt dort vorherrschenden Umständen. Da entsteht eine Art von Verantwortungsgefühl, mit dem ich als Einzelperson aber nichts anfangen kann. Mein Handlungsspielraum beschränkt sich auf ein evtl. bewussteres Konsumverhalten (Fair Trade Produkte kaufen z.B.).
Ich kann die Geschehnisse der Kolonisation und was daraus geworden ist, nicht rückgängig machen. Aber ich kann für mich Erkenntnisse daraus gewinnen. Eine dieser Erkenntnisse ist, dass das, was wir hier so schön gemütlich in aller Ruhe diskutieren, in dieser Welt Wirklichkeit ist, aber unser Handeln bezieht oft diese Erkenntnisse nicht mit ein.
Aus Gewohnheit urteilen wir über Afrika und die Kolonialherrschaft, über falsche Ziele, über Erfolg und Scheitern, obwohl wir schon wissen, dass es immer unsere subjektive Wirklichkeit ist, die wir da beurteilen. Und dann erwarten wir womöglich auch noch, dass sich irgendwer anderer schön gefälligst danach richten soll, was wir als richtig befunden haben.
Abgesehen davon, dass die Entscheider an unserer Meinung genauso interessiert sind, wie wenn in China ein gelbes Fahrradl umfällt, wissen wir ja gar nicht, was jetzt zu tun ist, damit etwas sicher besser wird. Weil wir gar nicht ermessen können, was "besser" sein kann. Solange wir glauben, wir können die Welt verbessern, merken wir gar nicht, dass wir damit immer nur uns selber als "verbesserungswürdig" ansehen.
@Gaius
Vielleicht würde es ja zu besseren Konsequenzen führen, den Kontinent sich selbst zu überlassen, die Märkte für afrikanische Produkte zu öffnen, günstige Zollbedingungen zu schaffen und - auf Entwicklungshilfe ganz zu verzichten?
Ja vielleicht würde es...., vielleicht auch nicht. Diesen Gedanken konsequent weiterzudenken bringt uns zu der Tatsache, dass es sowieso seinen Weg nimmt, wie immer wir uns auch hier dazu äußern.
Wenn die Weltbank, oder wer auch immer entscheidenden Einfluss hat, Veränderungen in der (Wirtschafts-)Politik durchsetzen will, dann tut sie es aus Gründen, die mit den persönlichen moralischen Werten derer, die die Entscheidung treffen, in direktem Zusammenhang stehen. Hinter jedem Entscheider steht ein anderer, der die Entscheidung mitbeeinflusst. Und je weiter man das zurückverfolgt, umso deutlicher wird, dass alles zusammenhängt und sich rückwirkend auf alles auswirkt. (Fritjof Capra hat das irgendwann in den 70ern einmal mit "Regelkreisen" o.ä. erklärt, muss ich wieder einmal nachlesen.).
So ganz raushalten wird sich also sowieso niemand können, der schon mitten drin steckt. Auch wenn er will.
Wie das aussehen kann, werden spätere Generationen rückblickend sehr schön analysieren und be- und verurteilen, wenn sie nicht inzwischen draufgekommen sind, dass sie das, was sie bei anderen so deutlich sehen, in ihrem eigenen Tun berücksichtigen sollten.
herzlich
lilith