• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Afrika

  • Ersteller Ersteller Gaius
  • Erstellt am Erstellt am
Gaius schrieb:
Ich habe bei der Lektüre des Hegel-Textes vor allem herzlich lachen müssen :D
Ja, aber das Lachen bleibt mir dann im Hals stecken, wenn ich darüber nachdenke
Was sind die Ursachen für das Scheitern der afrikanischen Staaten?
Ist es nicht gerade diese überhebliche Sichtweise der zivilisierten Europäer gewesen, die den Grundstein für dieses angebliche "Scheitern" gelegt hat?
Der Hochmut, es besser zu wissen, als diese "dummen, ungebildeten, primitiven *****"?
Ist es nicht genau das, was immer noch praktiziert wird?
Den afrikanischen Völkern Scheitern vorzuwerfen, wäre blanker Zynismus.

Alles in allem ist es ein bitteres Lehrstück, was Hochmut und Habgier anrichten können. :autsch: Die Konsequenzen sind hier sichtbar. Hoffentlich lernen wir alle daraus.

herzlich
lilith
 
Werbung:
Alles was ihr sagt, läuft darauf hinaus, daß das sich aufklärende Europa sich besser nie in Afrika hätte blicken lassen sollen.

@Neugier
Nigger, Schwuler, Kanake:
wir beobachten dasselbe Phänomen, daß eine ausgegrenzte Minderheit den Namen, den ihr die Mehrheit gegeben hat, positiv für sich besetzt, um sich um so schärfer und aggressiver von der Mehrheitsgesellschaft abzusetzen, die durchaus Integrationsangebote bereit hält.

Wenn man den Rassisten in den USA entgegenwirken will, so sollte man denen kräftig die Ohren lang ziehen

Wem jetzt? Allen Rassisten, Afro, Latino oder Caucasian oder was es sonst noch gibt. Gilt für Europa genauso.

Die afrikanischen Stämme sind doch nicht rassistisch, oder? Für die Völker- und Bürgerkriege in Afrika ist doch nur die verfehlte Entwicklungspolitik verantwortlich, oder?

Die Zulu in allen Ehren - ich weiß nicht wohin sie versprengt sind, ich weiß nicht, wer sie an ihrer Selbstverwirklichung gehindert hat, nein, sie beanspruchen ja nur einen winzigen Flecken Erde, und dort wollen wir sie auch gerne in Ruhe lassen -

AFRICA - IS THE ZULU NATION
http://www.zulunation.com/afrika.html
 
Ich finde die Musik von Afrika Bambaata & Co übrigens ziemlich geil. Aber die schwarz-rot-hellgraue Aufteilung des gesamten Kontinents als Quasi-Fahne der Zulu-Nation erinnert mich an irgendwas...
... aber man darf da keine voreiligen Schlüsse ziehen...

Das Lachen bleibt im Halse stecken, in jedem Fall.
 
Gaius schrieb:
Alles was ihr sagt, läuft darauf hinaus, daß das sich aufklärende Europa sich besser nie in Afrika hätte blicken lassen sollen.

Ich weiss nicht, wer hier in der zweiten Person Plural angesprochen wird und mir ist nicht ganz klar, woraus du diese Konsequenz ableitest. Es lässt sich nicht ändern, dass die Volkswirtschaften - auch die potentiellen - des afrikanischen Kontinents ausgebeutet wurden, die Globalisierung des Kapitals ging als "Natur"gesetz des Kapitalismus vonstatten. Die Frage ist eher, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, diese Ausbeutung zu stoppen und ernsthafte Mittel zu finden und anzuwenden, um dies zu bewerkstelligen.

Diskussionen über etwaigen Rassismus, über Mentalitäten und über Stammeskultur halte ich für verfehlt. Man neigt in der europäischen Geschichtsschreibung - zumindest in einer dominierenden Richtung, die sich etwa in vielen Medien niederschlägt - dazu, geschichtlich Gewordenes und durch politisch-ökonomische Realitäten in bestimmte Konstellationen Gebrachtes erstaunlich rasch zu 'naturalisieren', ihm eine gewisse Statik zu verleihen (und sehr seltsame, aber erklärbare Parallelen zum Verständnis von in der eigenen Geschichte 'Vorgefallenem' zu ziehen). Man untersucht kaum die - komplexen - politisch-ökonomischen Konstellationen, die unweigerlich mit der Entstehung bestimmter Kulturen oder Mentalitäten zusammenhängen, man untersucht kaum, ob der Fokus der eigenen Wahrnehmung nicht ein Afrikabild konstruiert, das von 'aufgeklärten' Europäern nicht zu allererst selbst untersucht zu werden verdiente. (Damit meine ich nicht einfach die Untersuchung einer Tradition von Bildern, sondern auch, wieso gerade zu diesem Zeitpunkt bestimmte Bilder, selektiv erschaffene Konstrukte, Aktualität besitzen: wie sieht unsere politisch-ökonomische Realität aus? und etwa die Mentalität, die ihr gegenüber eingenommen wird - und mit ihr in produktiver Verbindung steht?)

Zulu Nation? Steht die für Afrika? (Das wäre mir neu.) Woher kommt die Zulu Nation, wo ist sie entstanden, wie sehen die Verhältnisse aus, die eine Anhängerschaft ihrer Ideologie begünstigen? Wie sieht das politisch-ökonomische Feld desjenigen aus, der sich darauf beziehen muss, um Suggestionen zu erzeugen, die auf eine bestimmte Variante des Geschichtsbilds der 'eigenen' Geschichte referieren? Was wird in diesem Wechselverhältnis suggeriert und was sagt das über die Verortung in ganz konkreten politischen (und sozialen) Verhältnissen aus?

Dann die in einer hohen Dosis (europäischer, 'aufgeklärter') Moral getränkte Diskussion über die Verantwortung. Ja, wer ist wohl dafür verantwortlich, dass nun der Eindruck vorhanden ist, in Afrika ginge es hauptsächlich um Völker- und Bürgerkriege, die auf die Gliederung der Bevölkerung in irgendwelche Stämme zurückzuführen sind. Sehr romantische Vorstellungen, die natürlich wiederum auch sehr viel über das Verhältnis zur eigenen Geschichte verraten (und über das Verständnis des bürgerlichen Individuums, das ein hohes Mass an Eigenverantwortung auszeichnet: z.Z. eine auch in neoliberalen Diskursen sehr beliebte Vorstellung). Ich denke nicht, dass es heute darum geht, feuilletonistische Diskussionen über Verantwortung zu führen, sondern, dass Verantwortung für die üble Situation eines grossen Teils der Bevölkerung, die auf dem afrikanischen Kontinent z.Z. darben muss, übernommen wird. Dass Anstrengungen unternommen werden, diesen Menschen zu helfen, was natürlich zur Voraussetzung hat, dass man eine schonungslose Analyse der politisch-ökonomischen Situation vorantreibt, die sich weder auf romantische Diskurse stützt, noch auf die neoliberalen Vorstellungen - die in den mächtigen internationalen Organisationen grassieren (IWF, Weltbank etc.) -, die aber auch dementsprechende Konsequenzen nach sich zieht. Kämpfe für die Menschen sind immer auch Kämpfe um Meinungen, was bedeutet, dass Leuten Gehör verschafft werden muss, deren Stimme momentan nicht erhört wird. Auch eine sehr komplizierte Diskussion, denn schliesslich wird in einem von den Herrschenden in den westlichen Ländern dominierten Diskurs hauptsächlich denen eine Stimme gegeben, die diesen auch stützen (dennoch wäre es wertvoll, überhaupt schon den Stimmen der 'Betroffenen' - auch ein schwieriges Wort - Gehör zu schenken; man vergleiche nochmals die Aussage Yash Tandons über den ökonomischen Diskurs über die afrikanischen Länder: http://www.unifr.ch/withe/PDF-Dateien/Withe_Artikel_Keynes & Stiglitz_16_03_2005.pdf)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo.

Ich bin alles andere als ein Afrika-Experte, daher nur ein paar allgemeine Überlegungen.
Mit scheint, dass ein Problem darin liegt, die Probleme Afrikas fast nur auf die ökonomischen Sicht zu reduzieren. Da scheint mir eine Parallele zur marxistischen Sicht zu liegen, die die Probleme der europäischen Gesellschaften nur auf ökonomische reduzierte.
Dei marxistische Sicht ist aber nur Teil einer Ideenrevolution, die schon Jahrhunderte andauerte und noch andauert.
Bei der Umsetzung von marxistischen Ideen zum Beispiel in Asien (Vietnam, China) musste man einsehen, dass eine 1zu1-Übertragung der Theorien ein noch heftigeres Scheitern der Ideen bewirkte, als sie in europäischen Zusammenhängen sowieso schon scheiterten.
Nun gibt es zum Afrikaproblem eine eigene Ideenevolution, die sozusagen den europäischen Gesellschaftsideen etliche Jahrhunderte hinterherhinkte (erst Kolonialismus, dann Geldhilfe, dann Strukturhilfe, das alles immer in verhängnisvoller Melange mit brutaler Interessenpolitik). Das Problem der Ideen der Problemlösung für Afrika, scheint aber tatsächlich weiterhin eines des Innen/Außen zu sein. Denn Gesellschaftsstruktur besteht eben nicht nur aus Ökonomie - sondern aus kommunikativen Zusammenhängen, für die aus europäischer Sicht vielleicht sogar das Beschreibungsinstrumentarium fehlt, wie Jaques schon angedeutet hat.
Ich denke daher schon, so abgegriffen es klingt, dass das Problem Afrikas darin besteht, dass man seine eigene ökonomische und gesellschaftliche Evolution unterbrochen hat. Es waren eben mehr als Einflüsse, wie sie etwa zwischen der europäischen und asiatischen oder islamischen Welt schon lange üblich waren.
Wenn Jaques nun sagt, man dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, nicht mit schönen Worten und auch nicht mit Hinweis auf eine etwaige "Eigenschuld" "der" Afrikaner, so bleibt dennoch die Frage, wie man das Problem des Innen/Außen löst? Wie können wir erreichen, dass neue Ideen der Hilfe, die Grenze des zum Innen wirkungsvoll durchdringen? Oder läuft es gar auf ein rollback der Idee hinaus, ainfach nur Geld hineinzubuttern und die gesellschaftlichen Strukturen dort sich selbst zu überlassen?
Aber das Problem besteht sogar noch doppelseitig: Denn auch nicht alle Strukturen, d.h. die Machtinteressen, die bürokratischen Probleme der westlichen Seite sind ganz durchschaubar (wenn auch besser beschreibbar). Daher kann sich eine noch so gute Afrikapolitik sich nie durchsetzen, sondern nur in verwässerter Form. Und nichts tut dem problem vielleicht schlechter als eine ständige Inkonsequenz.
Auch ist die Frage immer: wen zieht man zur Verantwortung, an wen appeliert man eigentlich und welche Mittel hat man denn?

Meine Argumentation hat nicht direkt zum Ziel, sich einem gewissen Fatalismus hinzugeben. Aber er ist natürlich naheliegend und auch längst in weiten Kreisen Praxis.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gaius schrieb:
Ich habe bei der Lektüre des Hegel-Textes vor allem herzlich lachen müssen :D
Kommt mir so vor, als wenn man/frau über das Stolpern eines Kleinkindes lacht.

Die Frage ist nur: wird aus Spott gelacht - oder aus Wissen?

- und das ist nicht ironisch gemeint.
 
Gaius, Robin, Jacques, Neugier

Ich habe alle Beiträge jetzt mehrmals gelesen und versuche nun herauszufinden, warum das bei mir überhaupt Resonanz auslöst.

Ich kenne Afrika nicht und ich weiß nichts darüber. Ich kenne nur Berichte und Erzählungen. Afrika ist für mich sehr fern. Meine Resonanz zu diesem Thema bezieht sich daher eher auf die Art, wie diese Diskussion geführt wird.

Politik hat mit Strategie zu tun. In Fall Afrika wird z.B. nach den Ursachen des Scheiterns gefragt. Das setzt voraus, Gaius, dass nach deiner Einschätzung der Sachlage jemand/etwas gescheitert ist, da läuft etwas falsch, wie kann das geändert werden.

Scheitern ist mMn ein Urteil, das nur derjenige selbst fällen kann, der ein bestimmtes Ziel verfolgt und feststellt, dass er es nicht erreicht hat. Von außen betrachtet kann man höchstens erkennen, dass das, was geschieht, nicht dem entspricht, was ich gewünscht hätte, dass geschehen soll. Oder kennt irgendeiner der Kommentatoren die innersten Wünsche und Ziele der Menschen, die mit den dort vorherrschenden Umständen leben müssen, ob sie wollen oder nicht?

Es ist leicht, eine Situation zu beurteilen, wenn man weit weg ist. Noch leichter ist das, wenn man zu jenen gehört, die - außer drüber reden - nichts damit zu TUN haben. Weil dieses Thema aber dennoch in mir Interesse geweckt hat, will ich nachschauen, was das mit mir zu tun hat.

Dass viele Menschen in Afrika nicht so leben können, wie ich es für menschenwürdig halte, das steht außer Zweifel. Ich zähle mich weiters zu den zivilisierten Europäern und bin Nachkomme derer, die von der Ausbeutung Afrikas profitiert haben und noch profitieren. Ich kann einen gewissen Zusammenhang erkennen zwischen dem Umstand des Ausgebeutet Werdens und den jetzt dort vorherrschenden Umständen. Da entsteht eine Art von Verantwortungsgefühl, mit dem ich als Einzelperson aber nichts anfangen kann. Mein Handlungsspielraum beschränkt sich auf ein evtl. bewussteres Konsumverhalten (Fair Trade Produkte kaufen z.B.).

Ich kann die Geschehnisse der Kolonisation und was daraus geworden ist, nicht rückgängig machen. Aber ich kann für mich Erkenntnisse daraus gewinnen. Eine dieser Erkenntnisse ist, dass das, was wir hier so schön gemütlich in aller Ruhe diskutieren, in dieser Welt Wirklichkeit ist, aber unser Handeln bezieht oft diese Erkenntnisse nicht mit ein.

Aus Gewohnheit urteilen wir über Afrika und die Kolonialherrschaft, über falsche Ziele, über Erfolg und Scheitern, obwohl wir schon wissen, dass es immer unsere subjektive Wirklichkeit ist, die wir da beurteilen. Und dann erwarten wir womöglich auch noch, dass sich irgendwer anderer schön gefälligst danach richten soll, was wir als richtig befunden haben.

Abgesehen davon, dass die Entscheider an unserer Meinung genauso interessiert sind, wie wenn in China ein gelbes Fahrradl umfällt, wissen wir ja gar nicht, was jetzt zu tun ist, damit etwas sicher besser wird. Weil wir gar nicht ermessen können, was "besser" sein kann. Solange wir glauben, wir können die Welt verbessern, merken wir gar nicht, dass wir damit immer nur uns selber als "verbesserungswürdig" ansehen.

@Gaius
Vielleicht würde es ja zu besseren Konsequenzen führen, den Kontinent sich selbst zu überlassen, die Märkte für afrikanische Produkte zu öffnen, günstige Zollbedingungen zu schaffen und - auf Entwicklungshilfe ganz zu verzichten?
Ja vielleicht würde es...., vielleicht auch nicht. Diesen Gedanken konsequent weiterzudenken bringt uns zu der Tatsache, dass es sowieso seinen Weg nimmt, wie immer wir uns auch hier dazu äußern.

Wenn die Weltbank, oder wer auch immer entscheidenden Einfluss hat, Veränderungen in der (Wirtschafts-)Politik durchsetzen will, dann tut sie es aus Gründen, die mit den persönlichen moralischen Werten derer, die die Entscheidung treffen, in direktem Zusammenhang stehen. Hinter jedem Entscheider steht ein anderer, der die Entscheidung mitbeeinflusst. Und je weiter man das zurückverfolgt, umso deutlicher wird, dass alles zusammenhängt und sich rückwirkend auf alles auswirkt. (Fritjof Capra hat das irgendwann in den 70ern einmal mit "Regelkreisen" o.ä. erklärt, muss ich wieder einmal nachlesen.).

So ganz raushalten wird sich also sowieso niemand können, der schon mitten drin steckt. Auch wenn er will.
Wie das aussehen kann, werden spätere Generationen rückblickend sehr schön analysieren und be- und verurteilen, wenn sie nicht inzwischen draufgekommen sind, dass sie das, was sie bei anderen so deutlich sehen, in ihrem eigenen Tun berücksichtigen sollten.

herzlich
lilith
 
da bin ich ja anscheinend richtig...:D

wie wärs denn mit "das ganze mal umgekehrt betrachten" ?

wie sähe denn europa heute aus, hätte es keine kolonialisierungen anderer länder gegeben?

auch so schon entwickelt?

wohl kaum.
 
Jacques, vielen Dank für Deine Ausführungen und für den Hinweis auf jenen bei attac.de veröffentlichten Artikel.
Yash Tandon schrieb:
Das Fehlen eines nennenswerten einheimischen Kapitalmarkts ist der wirkliche Grund für die andauernde Unterentwicklung in Afrika.
Das wäre ja mal ein festhaltenswerter Punkt.

Aber wie ist ein "nennenswerter einheimischer Kapitalmarkt" in Ländern zu bewerkstelligen, über die wir das folgende lesen:

"In Somalia, Sudan, Burundi, Angola, Liberia, Sierra Leone, der Zentralafrikanischen Republik oder den beiden Kongos gibt es keine Staatsgewalt mehr, kein Recht und Gesetz, kein Steuerwesen, kein Bildungs- und Gesundheitssystem, keine Infrastruktur. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist seit Jahren nicht mehr gesichert.
Im Herzen des Kontinents sind ganze Landstriche in die Unentdecktheit zurückgesunken; sie treiben ziellos dahin wie Graswurzeln auf Urwaldflüssen."
Im Kongo "wüten Armeeverbände aus sieben Staaten, drei kongolesische Widerstandsfraktionen, Rebellentrupps aus den Nachbarländern, die versprengte Soldateska des ehemaligen Hutu-Regimes in Ruanda, diverse Stammensmilizen und Warlords, die auf den Ruinen von Zaire ihre Kriegsfürstentümer gebaut haben. Nach groben Schätzungen tummeln sich 200 000 Bewaffnete im Kongo und seinen Grenzregionen, in einem Urwaldmeer von der Ausdehnung Westeuropas."
(zitiert nach: Bartholomäus Grill in der ZEIT vom 18.5. 2000)

Weiter Yash Tandon:
Wir brauchen eine ganz andere Strategie, eine Strategie der Loslösung vom Westen.
Das könnte auch bedeuten, daß Afrika oder große Teile davon noch stärker abdriften vom Rest der Welt. Aber von lebenswerten Zuständen in den betreffenden Regionen hat noch keiner etwas gehört - deswegen ja auch die hohe Abwanderung derer, die es sich irgendwie leisten können. Ich finde Tandons Ausführungen zwar hochinteressant, aber wie sind seine Ideen in Ländern zu bewerkstelligen, in denen es gar keine handlungsfähigen Regierungen mehr gibt, in denen der "Staat" völlig zerfallen ist und nur das Chaos der sog. "privatisierten Gewalt" zu herrschen scheint und selbst die Diktatoren nicht mehr wirklich als solche bezeichnet werden können, weil sie diktieren können, was sie wollen: es würde nicht greifen, da die staatlichen Instrumente zur Umsetzung des Diktats fehlen?

Davon bei Tandon kein Wort. Und am Ende ist doch der angebliche Verursacher der Misere wieder das Vorbild:
Der Süden muss einfach das nachmachen, was der Norden in seiner eigenen Wirtschaftsgeschichte vorgemacht hat.
Ja, warum hat der "Süden" das denn nicht gleich nachgemacht! Hatte Hegel etwa doch recht mit seiner Bemerkung, die "*****" würden "verkauft und lassen sich verkaufen, ohne alle Reflexion darüber, ob dies recht ist oder nicht"? --- Es ist doch letztenendes Unfug zu behaupten, dass der Norden ökonomisch ganz besonders von der afrikanischen Unökonomie profitieren würde - ein starker Konkurrent ist immer der bessere Handelspartner.

Gegen die Geisel der Diktaturen müssen wir unsere eigenen Demokratie- und Menschenrechtsstandards entwickeln und auch durchsetzen. Wenn uns das vom Westen aufgezwungen wird, kann das nicht funktionieren. Das müssen die afrikanischen Länder selbst leisten.
Meine Rede. Sind dazu bereits Ansätze erkennbar? Mein Eindruck war bisher, daß Afrika nicht nur vom Westen/Norden, sondern auch von fragwürdigen autochthonen "Eliten" geplündert wurde.

(Fragen könnte man natürlich auch, inwieweit Tandons Argumentation von "westlichen Denkmustern" geprägt ist ;) )
 
Werbung:
Natürlich. Tandons Argumentationen sind von „westlichen Denkmustern“ – was man darunter auch immer verstehen mag – geprägt, er ist Wissenschaftler, Ökonom. Wie sollte seine Denkweise nicht von „westlichen Denkmustern“ geprägt sein? Wie sollte die Geschichte Afrikas, die gegebenen Verhältnisse mitsamt den Diskursen, die über Afrika geführt werden, nicht ganz und gar von „westlichen Denkmustern“ durchdrungen sein?

Bestimmt sind die verschiedenen existierenden Gesellschaften auf dem afrikanischen Kontinent – nördlich oder südlich der Sahara – nicht von asymmetrischen Machtverhältnissen verschont (ich kenne keine Gesellschaft, die das wäre). Doch wenn du von „autochthonen ‚Eliten’“ sprichst, an wen oder was denkst du dann? An ein paar Stammesfürsten, die Sklavenhandel betrieben haben? An zeitgenössische Warlords, die sich an den Kapitalströmen des Westens bereichern? An Politiker, die sich die Armut der Bevölkerung zunutze machen, um symbolische Landenteignungen durchzuführen (die Frage, wem dieses Land gehört, ob es überhaupt jemandem gehören kann, ist eine Geschichte für sich – auf mehreren Ebenen)? Wie Tandons Gedanken durchdrungen sind von „westlichen Denkmustern“, ist die Geschichte Afrikas untrennbar von der (hegemonialen) abendländischen Geschichte (die letzte Klammerbemerkung, da der Orient v.a. im Norden und an der Ostküste Afrikas eine wichtige Rolle spielt[e]). Es lässt sich nicht leugnen, dass die politische und wirtschaftliche Lage in Afrika ebenso geprägt ist von einer (ideologischen) Art und Weise des Handel(n)s westlicher Staaten (und der damit verbundenen Ökonomien).

Was Bartholomäus Grill in der ZEIT schreibt, romantisiert zwar und ist hyperbolisch, mag aber auf gewisse Weise Aspekte der Situation zu umschreiben, die in einigen afrikanischen Ländern anzutreffen ist – schlechte Infrastruktur (dazu rechne ich öffentliche Verwaltung und auch das, was wir unter öffentlichen Dienstleistungen und Sozialversicherungen verstehen) und problematische Rechtsverhältnisse. Aber genau diese Zustände sind Zustände, die untrennbar von unserer Geschichte sind und völlig unvereinbar mit den Werten, auf die sich unser soziales Zusammenleben stützt, in denen unsere politisch-ökonomische Situation gründet – was auch immer z.Z. mit Werten in hiesigen Gefilden geschieht (man sollte das nicht unberücksichtigt lassen, man darf nicht vergessen, dass ein Wertewandel im Gang ist, der stark an die Dynamik der politischen und ökonomischen Verhältnisse gekoppelt ist und der natürlich z.B. auf die Sichtweise ‚afrikanischer’ Probleme – die eben nicht einfach ‚afrikanische Probleme sind – Einfluss hat). Man sollte ziemlich Ernst nehmen, was Robin in seinem letzten Beitrag zu diesem Thema geschrieben hat – in diesem Zusammenhang v.a. auch das, was er als „gewissen Fatalismus“ diagnostiziert hat.
Es ist schwer vorstellbar, dass eine afrikanische ‚Zivilgesellschaft’ (im Grunde mag ich dieses Wort nicht) in absehbarer Zeit den Machtmissbrauch afrikanischer ‚Eliten’ eindämmt, es ist aber noch schwerer vorstellbar, dass westliche Staaten, Organisationen, Unternehmen (das westliche Kapital, wie es sich z.Z. gibt) ohne Druck der westlichen Bevölkerung dafür sorgen, dass diese Art von ‚Eliten’ ihr lebenserhaltendes – damit meine ich: das Bestehen von Eliten dieser Art zementierendes – Kapital nicht mehr erhalten.

Schlussendlich sind es kleine Vorschläge, die Tandon macht, die wiederum diese und jene ideale Zustände voraussetzen, um überhaupt umgesetzt werden zu können. Es ist ein bestimmter „Westen“, von dem sich die afrikanischen Staaten und Volkswirtschaften (in mehrerlei Hinsichten) loslösen müssen, es ist ein anderer „Westen“, der den afrikanischen Staaten und Volkswirtschaften helfen muss, dies bewerkstelligen zu können. Ein Paradox, das sich zu denen, auf die Robin anspielte, dazugesellt. Die Möglichkeitsbedingungen, dies denken zu können, wurde uns allen vom „Westen“ „aufgezwungen“, davon kann sich auch Tandon nicht lösen. Man kann aber nachvollziehen, dass eine Emanzipation von der bestehenden Abhängigkeit – in dieser krassen Asymmetrie – gefordert wird. Wie sich eine „gerechteres“ (ich spiele etwa auf die „Parole“ Tandons an) Verhältnis auf dem globalen Markt – der per se von westlichem Kapital dominiert wird – entwickeln lässt, ist nach dem – wohl etwas ungelungenen Beispiel mit Bismarck – nochmals eine andere Frage.

Gaius schrieb:
--- Es ist doch letztenendes Unfug zu behaupten, dass der Norden ökonomisch ganz besonders von der afrikanischen Unökonomie profitieren würde - ein starker Konkurrent ist immer der bessere Handelspartner.

Afrika ist billiger Rohstofflieferant (wohl weniger im 3. Sektor), z.Z. wohl aber kein besonders interessanter Absatzmarkt (ausser wahrscheinlich für Waffen und Dienstleistungen im Bereich polizeilicher Sicherheit). Der „Norden“ hat genug Konkurrenz – v.a. im Norden selbst. Man muss sich auch immer fragen, wer in etwa profitiert und in welchen Zeitabschnitten man die Früchte dieses Profits zu geniessen gedenkt (da spielt wiederum ein ideologisches Moment rein: denkt man in eher längerfristigen oder kurzfristigen Perspektiven).
 
Zurück
Oben