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Über das "ewige Glück zu zweien" ...



Völlig verstört erwachte ich aus einem Traum, der mich in meinem Bett hochriß. Aufrecht sitzend kam ich langsam zu mir. Er hatte sich um Mara gedreht. Im bereits wachen Zustand meinte ich noch ihre Stimme zu vernehmen. Ja, für einige Augenblicke hatte ich das Gefühl, verrückt zu werden. Irgendwo im Raum, neben oder über mir, hörte ich sie flüsternd meinen Namen wiederholen – wie Lockrufe klang es in meinen Ohren:
„Albert! Albert! Albert! ...“
Ihre Rufe durchzuckten meinen Körper, wie elektrische Ströme, und erzeugten ein heftiges Begehren nach ihr, ich rief nach ihr, jammernd, klagend, verlangend:
„Mara! MARA! MARAAA! ...“
Ich erinnerte mich, daß wir zusammen im Bett gelegen hatten, und ich mit ihr hatte vögeln wollen. Als ich aber versucht hatte, mich ihr zu nähern, war sie jäh aus dem Bett gestiegen, um ein Bad in dem Swimmingpool zu nehmen, der unmittelbar vor unserem Schlafzimmer lag. Wir befanden uns in einem Bungalow, der inmitten von Wohnhochhäusern gelegen war. Die Gardinen vor den Fenstern waren so dünn und durchscheinend, daß ich mich andauernd beobachtet fühlte, was mir sehr peinlich war, was Mara dagegen sehr zu gefallen schien. Nackt, wie sie war, ging sie zum Pool, ließ sich ins Wasser gleiten, schwamm einige Züge darin herum und stieg dann betont langsam wieder heraus. In dem Moment tauchte ein Mann am Pool auf, der die Gestalt von Walter hatte.
Walter wohnte, als Mara und ich noch zusammen waren, in dem Haus uns gegenüber. Wie wir gehörten er und seine Frau zu einem kleinen Kreis von Paaren, der jeden Freitag in der Kellerbar unseres Hauses zusammenkam, um ein Faß aufzumachen. (Ich vermute, daß er es war, mit dem Mara ein Verhältnis hatte.)
Dieser Kerl also erschien unversehens am Pool.
Als ich ihn erkannte, lief ich zu ihm hin und forderte ihn auf, auf der Stelle zu verschwinden. Und weil er meiner Aufforderung nicht gleich nachkam drohte ich ihm Prügel an, was ihm Beine machte, und er verzog sich (damals hätte ich es ihm geben sollen!). Aber da hatte ich ja von alldem keine Ahnung. Nein, ich hatte grenzenloses Vertrauen in Mara. Deshalb bin ich auch nie eifersüchtig gewesen – bis ich eines Tages mehr in ihren Flirts sah als die reine Menschenfreundlichkeit ...
Der Traum hat etwas in mir in Bewegung gesetzt. Ohne eine konkrete Vorstellung davon zu haben, wonach ich suche, stöbere ich in alten Aufzeichnungen, die ich in einem Schuhkarton aufbewahrt habe. Dabei fällt mir eine Notiz in die Hände, die es in sich hat. Ursprünglich hatte wohl ein Lied daraus werden sollen; und eindeutig ging es darin um Mara:

Mädchen ich bin Dir nicht mehr Böse;
ich hege keinen Groll ...

Dem anfänglichen Schmerz
folgte die Angst auf dem Fuße –
Angst vor einem Leben ohne Dich.
Die Angst rief eine große Wut hervor.
Ich lernte Dich zu hassen – und alles,
was uns zuvor verbunden hatte.
Doch der Haß verflüchtigte sich
mit der Zeit, und machte Trauer Platz.
Die Trauer sollte bald der Wehmut weichen.
Mit Wehmut denke ich an dich zurück ...

Copyright © Alexander Konrad

Ich fühle mich tief bewegt. Es treibt mir Tränen in die Augen.
Ist es nicht verrückt, daß es mich nach so langer Zeit noch dermaßen erschüttern kann? Mit einmal frage ich mich: Habe ich sie nach unserer Trennung – die eigentlich ja nur vorübergehend sein sollte –, habe ich sie jemals darum gebeten, zu mir zurückzukommen?
Es tut weh, fast körperlich weh. Ich kann es nicht fassen. Was ist das nur? Was läuft da bei mir ab? Was ist es, was mich die Erinnerung so schmerzhaft wiedererleben läßt?
Ich träumte vom ewigen Glück zu zweien. Und ich kann es heute noch nicht fassen, daß der Traum zu Ende ging. Es will mir nicht gelingen, mich damit abzufinden. Vom Verstand her ist es mir selbstverständlich klar, von daher ist die Sache seit langem schon abgeschlossen: Die Gefühle sind es, die nicht begreifen wollen, die sich an das Verlorene klammern!
Der Traum vom ewig währenden Glück – ja, in jenen Tagen als ich sie heiratete, war es zweifelsohne für die Ewigkeit eines Menschenlebens gedacht. Nie hätte ich geglaubt, daß sich das einmal ändern könnte. Unsere Zweisamkeit ist eine Art Heiligtum für mich gewesen, wir lebten praktisch in einer Symbiose – zumindest ich fühlte es so. Das Verrückte dabei ist, wenn ich mich jetzt im Augenblick frage, ob ich sie gerne wieder hätte, ob ich heute mit ihr zusammensein wollte, muß ich gestehen: Ich weiß es nicht. Nach dreizehn Jahren der Trennung kann ich nicht klar sagen: ja oder nein.
Es ist vorbei, endgültig: das ist es, was mein Verstand mir klarzumachen versucht. Doch was mein Gefühl, was mein Herz dazu sagt – die Beantwortung der Frage macht mir angst. Ich will es lieber nicht wissen. Lieber will ich vergessen, was es war: eine große Illusion, zerplatzt wie eine Seifenblase.

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AlexKonrad
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