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Spiegelneurone

"Feuer" im Kopf?

Vor kurzem sprach ich mit einem Physiker, der sich mit Neuronen und Synapsen auskennt und fragte ihn, welchen Beitrag die Neuronen- bzw. Synapsenforschung für die Antwort auf die Frage "Wie lernt ein Mensch?" leisten kann. U.a. kamen wir darauf, ob die Neurobiologische Forschung denn schon in der Lage sei, beobachtbare Funktionen einzelnen bestimmten Synapsen und Neuronen zuzuordnen. Etwas einfacher formuliert: Ist die Neurobiologie in der Lage festzustellen, welche Inhalte verschiedenen Gehirnprozessen zuzuordnen seien. Nein, meinte er. Man könne lediglich Quantität und Stärke der "feuernden Neuronen" messen. Es ist feststellbar, dass etwas passiert, wenn wir die Versuchsperson bestimmte Aufgaben erledigen lassen. Das, was die Forscher dann vor sich haben, sind sogenannte Ableitungen, wie bspw. die von den bekannten "Spiegelneuronen", die sich messtechnisch in einem Diagramm darstellen.

Durch das Einführen von Elektroden kann man bei Tieren - ohne dabei gegen ethische Prinzipien zu verstoßen - sogar die Aktivität einzelner Neuronen 'ableiten' und 'messtechnisch sichtbar' machen. Dies ist beim Menschen in der Regel nicht möglich, weil da die Ethikkommision das Verfahren 'Löcher in den Kopf bohren' mitmacht. Es lässt sich mit Messgeräten darstellen, dass und in welcher Stärke etwas passiert, wenn bestimmte Aktivitäten ablaufen. Und bei Tieren lässt sich dies wohl auch für einzelne Neuronen messen, wobei dabei immer davon auszugehen ist, dass kein Neuron alleine aktiv ist. Sondern ein ganzer Verbund von Neuronen und Synapsen. Jedes Neuron ist mit bis zu 1000 Synapsen mit anderen verbunden. Die Spiegelneurone sind bislang bezogen auf den Menschen nichts weiter als Schlussfolgerungen aus den oben abgebildeten Ableitungen, die durch Beobachtungen untermauert werden, die auf Spiegelphänomene des menschlichen Gehirns schließen lassen.

Diese Diagramme und der Versuchsaufbau selbst, sind die Beobachtungen, die vorliegen. Sie werden selten wirklich genau beschrieben. Beschrieben werden dagegen sehr ausführlich und mit zahlreichen Behauptungen versehene Schlussfolgerungen, die ganze Bücher füllen. Alles zusammen wird als 'wissenschaftliche Erkenntnis' angeboten und verbreitet. Neben den behaupteten Spiegelneuronen - die erst einmal nichts anderes als ganz normale Neuronen sind, die sich nicht von anderen unterscheiden - wird dann ein ganzes 'Spiegelneuronensystem' behauptet, dessen Abkürzung SNS jedem Unerfahrenen 'Wissen' suggeriert. Laien schließen dann aus diesem SNS flugs auf eine Art neues Sinnesorgan, was vollständig zudeckt, dass die Ergebnisse der Versuche Funktionen und nicht morphematisch eindeutig identifizierbare Dinge beschreiben. Besonnerere Autoren sprechen darum angesichts der überraschenden Phänomene beim Makakenexperiment auch lieber von einer Doppelfunktion der Neuronen eines bestimmten Gehirnareals. Als Grundlage zum 'philosophieren' sind derartige 'Erkenntnisse' - ziemlich untauglich, weil auch infolge der Wortschöpfungen und Bezeichnungswillkür zu viele unzutreffende Vorstellungen impliziert sind.

Mein Fazit: Spiegelphänomene scheint es zu geben und es gibt auch neurobiologische Daten, die eine 'spiegelnde' Funktion neuronaler Prozesse nahelegen. Dabei ist noch überhaupt nicht klar, welche neuronalen Prozesse "spiegeln" meint. Von 'Wissen' kann hier keinesfalls die Rede sein - sofern 'wissen' überhaupt möglich ist. Schlussfolgerungen aus einem derart mageren Sachverhalt sollten nüchtern und dicht am Beobachtbaren bleiben, wenn 'wissenschaftlich' noch eines ihrer Merkmale sein soll.

Kommentare

Das was du als Fazit hier schreibst, ist eigentlich für alles was wissenschaftliche Beobachtung betrifft, gültig.
Also nicht nur für die Spiegelphänomene.

Dass leider dies nicht so gehandhabt wird, beweisen die letzten pseudowissenschaftlichen Exkurse (um nicht das Wort Irrwege zu gebrauchen), in vielen der Beiträgen im DF in der letzten Zeit.
Dabei geht es gar nicht mehr um Beobachtbares, sondern um Mutmassungen die als Wissen erklärt werden.

 
G
hi mw.
sehr interessant deine obigen ausführungen.
für mich zeigt sich daraus, dass es für ernstzunehmende wissenschafter noch sehr viel zu erforschen gibt.

es ist und bleibt sehr interessant.

andererseits sind auch die spekulationen darüber, was und wie diese "spiegelneuronen" tun, nicht aufzuhalten. der menschliche geist liebt es, über das gesichterte wissen hinaus weiterzudenken.
doch sollten diese gedankenstränge ehrlicherweise auch als "thesen" und "spekulationen" ausgewiesen werden, finde ich.

sonst wird es für den laien ganz undurchschaubar, was es an "wissenschaftlichen" erkenntnissen gibt.

lg k.
 
Gregory Bateson hat dazu seine Idee von der Funktion von 'Erklärungsmodellen' verbreitet. In einem fiktiven Gespräch mit seiner Tochter antwortete er auf deren Frage: "Was ist die Schwerkraft?" mit folgendem Hinweis: "Ein Erklärungsmodell!" Sie: "Was ist ein Erklärungsmodell?" "Etwas mit dem du alles erklären kannst, was immer du erklären möchtest!"

Philosophie sollte derartiges aufgreifen und daraus Schlüsse ziehen.
 
G
ja, seh ich auch so.
letztlich bleibt dem menschen ja nichts anderes übrig, als sich die welt mithilfe von eigenen erklärungsmodellen zu erklären.

sowohl in der philosphie, als auch in der wissenschaft als auch im bereich des spirituellen.

und damit bleibt er auch immer der "relativität" ausgesetzt, der einzelne mensch. ;)
 
Dies hört sich jetzt nach Wortklauberei an, wenn ich meine, dass 'Relativität' nicht zutreffend ist. 'Relativität' impliziert immer auch 'Objektivität'. Da ich aber davon ausgehe, dass mir Objektivität nicht zugänglich ist, vermeide ich Relativität und spreche lieber von der 'Unumgehbarkeit individueller Sichten'. So wie schon Protagoras 'das Maß Mensch' damit erläuterte, dass 'für mich die Dinge so sind, wie sie mir erscheinen und für dich so, wie sie dir erscheinen'.

manni
 
G
liebe manni,
habe kein problem mit der wortwahl: 'Unumgehbarkeit individueller Sichten' statt Relativität.
doch muss ich gerade durch das Maß Mensch protagoras darauf hinweisen, dass dieser ausdruck für dich so ist, wie es eben dir erscheint. das wort "relativität" aber ist für mich eben so passend, wie es mir erscheint.
nichtsdestotrotz können wir einander verstehen - meine ich.
nämlich dann, wenn wir es auch wollen.
...und das ist hier wohl der fall...dank unserer spiegelneuronen, wie ich ich glaube. ;)

liebe grüße
kathi
 
Besondere Vektoren (=Feature Vectors) sollten wir uns "besser schreiben" hinter die Ohren!

Es grüßen 'Berni, Bernie und der frühreife Berny' - in einem "gemeinscham opti-schmalen Gedanken-Konvolut"!

Aus den überaus bedeutendsten Märchen zu lernen
bedeutet auch näher zu kommen den Sachen in den Kernen.

Bernies Sage - hier in einer Nichtverbindung mit Bernies Sahne
 
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