Ich suche Ruhe und finde Streit
wie süchtig nach lebendig Leben
Zu kurz ist meine lange Zeit
Will alles haben, alles geben
Weil ich ein Freundefresser bin
Hab' ich nach Heimat Hunger - immer!
Das ist der Tod, da will ich hin
Ankommen aber nie und nimmer
wie süchtig nach lebendig Leben
Zu kurz ist meine lange Zeit
Will alles haben, alles geben
Weil ich ein Freundefresser bin
Hab' ich nach Heimat Hunger - immer!
Das ist der Tod, da will ich hin
Ankommen aber nie und nimmer
Wolf Biermann wird heute siebzig. Er wird gefeiert, gewürdigt und ausgezeichnet, doch ich erinnere mich an die Zeiten in denen er hier ein sehr umstrittener Schriftsteller und Liedermacher war, dessen politisches Credo hüben und drüben nicht von allen verstanden wurde, dessen enorme Rolle hinter dem Eisernen Vorhang man sich gar nicht bemühte zu begreifen.
Doch für uns die ihn noch aus irgendeinem totalitären Staat zuhörten, spielte Biermann eine enorme Rolle. Kassettenbänder wurden geschmuggelt, aufgenommen zum Teil in der legendären Chausséestraße (da war seine Wohnung), die zum Treffpunkt geworden war für Regimekritiker, aber auch für manch ausländische Persönlichkeit die Ostberlin besuchte. Und wir sangen seine Große Ermutigung um nicht zu verzweifeln.
Dann folgte das legendäre Konzert am 13. November 1976 in Köln – mit seinen gravierenden Folgen. Der Ausbürgerung Biermanns folgte eine unerwartet große Protestwelle in der DDR und eine breite Solidarisierung mit dem Liedermacher. Einen solchen lauten Protest hatte die DDR noch nie gekannt. Absurder Kampf eines sich sozialistisch nennenden Staates, gegen einen Schriftsteller, der den wahren Idealen des Sozialismus treu geblieben war und sich getraut hatte Kritik gegen den Staat zu äußern, der verlogen und totalitär, keineswegs diese Ideale verkörperte.
Vielleicht ist diese kultur-politische Kampagne die nach dem 13 November 1976 in der DDR stattfand, der größte Verdienst Wolf Biermanns, wenn man von seinem literarischen Werk mal absieht.
Der Staat hatte sich erlaubt einen rauszuwerfen, dessen Treue zum Kommunismus bekannt war, einen dessen Vater als Kommunist und als Jude in Auschwitz ermordet wurde. Die prominentesten Künstler und Schriftsteller der DDR brachten ihre Entrüstung zum Ausdruck – Christa Wolf, Manfred Krug, Eva-Maria Hagen, Armin Müller-Stahl – um nur einige wenige zu nennen.
Doch Wolf Biermann erlebte erst die Angst die er schon früher erahnt hatte, als er seinen „Preußischen Ikarus“ geschrieben hatte: die Angst vor dem Absturz.
Da, wo die Friedrichstraße sacht
den Schritt über das Wasser macht,
da hängt über der Spree
die Weidendammer Brücke. Schön
kannst du da Preußens Adler sehn,
wenn ich am Geländer steh.
Dann steht da der preußische Ikarus
mit grauen Flügeln aus Eisenguß.
Dem tun seine Arme so weh,
er fliegt nicht weg - er stürzt nicht ab,
macht keinen Wind - und macht nicht schlapp,
am Geländer über der Spree.
(Erste Strophe)
den Schritt über das Wasser macht,
da hängt über der Spree
die Weidendammer Brücke. Schön
kannst du da Preußens Adler sehn,
wenn ich am Geländer steh.
Dann steht da der preußische Ikarus
mit grauen Flügeln aus Eisenguß.
Dem tun seine Arme so weh,
er fliegt nicht weg - er stürzt nicht ab,
macht keinen Wind - und macht nicht schlapp,
am Geländer über der Spree.
(Erste Strophe)
Er stürzte nicht ab - doch sein Weg in der BRD entfernte ihn vom Grenzgänger der er früher gewesen ist. Und seine Texte von einst wurden zum Teil zum Paradox, da er ja später sogar in Wildbad-Kreuth bei der CSU auftrat, oder in Springers „Welt“ Kommentare schrieb.
Wie steht heute Biermann zu dieser manchmal nicht ganz vollziehbaren Entwicklung?
Ich weinte in echtem, tiefem Selbstmitleid: 'Armer Biermann, jetzt bist du nicht mehr der Biermann'. Denn der Biermann, der ich ja erst geworden war, der war nach meiner damaligen Meinung tot - einer der Lieder schreibt, der den Drachen tötet mit dem klingenden Holzschwert. Doch ein Drachentöter ohne Drachen ist eine Schießbudenfigur. Und davor hatte ich Angst."
Vielleicht war in dieser Zeit für ihm selbst die „Ermutigung“ von einst am meisten nötig:
Du, lass dich nicht verhärten
In dieser harten Zeit
Die all zu hart sind, brechen
Die all zu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich.
In dieser harten Zeit
Die all zu hart sind, brechen
Die all zu spitz sind, stechen
Und brechen ab sogleich.
Was seinen Lebensweg betrifft, hatte ja Wolf Biermann viel früher mal geschrieben:
„Nur wer sich ändert bleibt sich treu“
Auch so sollte man das Leben Wolf Biermanns begreifen. Und er war und bleibt einer der ganz großen Schriftsteller unserer Zeit - hauptsächlich ein begnadeter Lyriker.