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Was ist Arbeit- eine ethische Frage

Du machst es Dir sehr leicht, Arbeit mit Lohnarbeit zu verwechseln. Lohnarbeit ist nur ein Aspekt des Arbeitsbegriffes - soziologisch gesehenn magst Du Recht haben- aber Arbeit ist immer auch Tun, das den ganzen Menschen erfasst.
Wir haben hier Arbeit auch als Anstrengung, die Lohn im Geleisteten sieht, kennengelernt. Und was soll Dein Werturteil: So viel Unzusammenhängendes!
Das haben Forendiskussionen so an sich, dass sie sehr assoziativ geführt werden.

jetzt warte ich darauf, wie Du ein Thema, das Du angeleiert haben wirst,lenken wirst, damit nicht so viel Ungereimtes auf den Bildschirmen funkelt.

leicht spöttisch

majanna
 
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Mag sein, dass ich es mir leicht mache - ich versuche halt zu beschreiben, was mir zu euren Anregungen (die wirklich ungeordnet sind, das ist kein Vorwurf sondern beschreibend) einfällt!

Wenn ich darf, zitiere ich nun einmal jemanden, der tiefsinnig und, wie ich finde, mit messerscharfem Verstand, hinterfragt und seziert, was Arbeit und die arbeitende Kreatur bedeutet!




Der Mythos von Sisyphos von Albert Camus

Die Götter hatte Sisyphos dazu verurteilt, unablässig einen
Felsbrocken einen Berg hinauf zu wälzen, von dessen Gipfel der
Stein selber wieder herunter rollte. Sie hatten mit einiger
Berechtigung bedacht, daß es keine fürchterliche Strafe gibt all
eine unnütze und aussichtslose Arbeit. Wenn man Homer
Glauben schenken will, war Sisyphos der Weiseste und Klügste
unter den Sterblichen. Nach einer anderen Überlieferung jedoch
betrieb er das Gewerbe eines Straßenräubers. Ich sehe darin
keinen Widerspruch. Über die Gründe, weshalb ihm in der
Unterwelt das Dasein eines unnützen Arbeiters beschert wurde,
gehen die Meinungen auseinander. Vor allem wirft man ihm eine
gewisse Leichtfertigkeit im Umgang mit den Göttern vor. Er gab
ihre Geheimnisse preis: Egina, die Tochter des Asops, wurde von
Jupiter entführt. Der Vater wunderte sich über ihr Verschwinden
und beklagte sich darüber bei Sisyphos. der wußte von der
Entführung und wollte sie Asops unter der Bedingung verraten,
daß er der Burg von Korinth Wasser verschaffte. Den himmlischen
Blitzen zog er den Segen des Wassers vor. Dafür wurde er in der
Unterwelt bestraft. Homer erzählt uns auch, Sisyphos habe den
Tod in Ketten gelegt. Pluto konnte den Anblick seines stillen,
verödeten Reiches nicht ertragen. Er verständigte den Kriegsgott,
der den Tod aus den Händen seines Über-winders befreite.
Außerdem heißt es, Sisyphos wollte, als er zum Sterben kam,
törichterweise die Liebe seiner Frau erproben. Er befahl ihr,
seinen Leichnam unbestattet auf den Markt zu werfen. Sisyphos
kam in die Unterwelt. Dort wurde er von einem Gehorsam, der
aller Menschenliebe widersprach, derart aufgebracht, daß er von
Pluto die Erlaubnis erwirkte auf die Erde zurückzukehren und
seine Frau zu züchtigen. Als er aber diese Welt noch einmal
geschaut, das Wasser und die Sonne, die warmen Steine und
das Meer wieder geschmeckt hatte, wollte er nicht mehr in das
Schattenreich zurück.
Alle Aufforderungen, Zornausbrüche und Warnungen fruchteten
nichts. Er lebte noch viele Jahre am Golf, am leuchtenden Meer,
auf der lächelnden Erde und mußte erst von den Göttern
festgenommen werden. Merkur packte den Vermessenden beim
Kragen, entriß ihn seinen Freunden und brachte ihn gewaltsam in
die Unterwelt zurück, in der sein Felsblock schon bereitlag.
Kurz und gut: Sisyphos ist der Held des Absurden. Dank seinen
Leidenschaften und dank seiner Qual. Seine Verachtung der Götter, seine Haß gegen den Tod und seine Liebe zum Leben

haben ihm die unsagbare Marter eingebracht, bei der jedes
Wesen sich abmüht und nichts zustande bringt. Damit werden die
Leidenschaften der Erde bezahlt. Über Sisyphos in der Unterwelt
wird nichts weiter berichtet. Mythen sind dazu da, von der
Phantasie belebt zu werden. So sehen wir nur, wie ein
angespannte Körper sich anstrengt, den gewaltigen Stein
fortzubewegen, ihn hinauf zu wälzen und mit ihm wieder und
wieder einen Abhang zu erklimmen; wir sehen das verzerrte
Gesicht, die Wange, die sich an den Stein schmiegt, sehen, wie
eine Schulter sich gegen den erdbedeckten Koloß legt, wie ein
Fuß ihn stemmt und der Arm die Bewegung aufnimmt, wir erleben
die ganze menschliche Selbstsicherheit zweier erdbeschmutzter
Hände. Schließlich ist nach diese langen Anstrengung (gemessen
an einem Raum, der keinen Himmel, und an einer Zeit, die keine
Tiefe hat) das Ziel erreicht. Und nun sieht Sisyphos, wie der Stein
im Nu in jene Tiefe rollt, aus der er ihn wieder auf den Gipfel
wälzen muß. Er geht in die Ebene hinunter. Auf diesem Rückweg,
während dieser Pause, interessiert mich Sisyphos. Ein Gesicht,
das sich so nahe am Stein abmüht, ist selber bereits Stein! Ich
sehe, wie dieser Mann schwerfälligen, aber gleichmäßigen
Schrittes zu der Qual hinuntergeht, deren Ende er nicht kennt.
Diese Stunde, die gleichsam ein Aufatmen ist und ebenso
zuverlässig ist wiederkehrt wie sein Unheil, ist die Stunde des
Bewußtseins. In diesen Augenblicken, in denen er den Gipfel
verläßt und allmählich in die Höhlen der Götter entschwindet, ist
er seinem Schicksal überlegen. Er ist stärker als sein Fels.
Dieser Mythos ist tragisch, weil sein Held bewußt ist. Worin
bestünde tatsächlich seine Strafe, wenn ihm bei jedem Schritt die
Hoffnung auf Erfolg neue Kräfte gäbe? Heutzutage arbeitet der
Werktätige sein Leben lang unter den gleichen Bedingungen,
und sein Schicksal ist genauso absurd. Tragisch ist aber nur in
den wenigen Augenblicken, in denen der Arbeiter bewußt wird.
Sisyphos, der ohnmächtige und rebellische Prolet der Götter,
kennt das ganze Ausmaß seiner unseligen Lage: über sie denkt
er nach während des Abstiegs nach. Das Wissen, das eigentlich
eine Qual bewirken sollte, vollendet gleichzeitig seinen Sieg. Es
gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden
werden kann. Wenn man so zuweilen in den Schmerz
hinabsteigt, dann auch in die Freude, damit wird nicht zuviel
behauptet. Ich stelle mir immer noch vor, wie Sisyphos zu seinem
Stein zurückkehrte und der Schmerz wieder von neuem begann.
Wenn die Bilder der Erde zu sehr im Gedächtnis hafteten, wenn
das Glück zu dringend mahnt, dann steht im Herzen des
Menschen die Trauer auf; das ist der Sieg des Steins, ist der Stein
selber. Die gewaltige Not wird unerträglich. Unsere Nächte von
Gethsemane sind das. Aber die niederschmetternden
Wahrheiten verlieren an Gewicht, sobald sie erkannt werden ...
Es gibt ... nur eine Welt. Glück und Absurdität entstammen ein
und derselben Erde. Sie sind untrennbar miteinander verbunden.
Irrtum wäre es, wollte man behaupten, daß das Glück
zwangsläufig der Entdeckung des Absurden entspringe. Wohl
kommt es vor, daß das Gefühl des Absurdem dem Glück entspringt. "Ich finde, daß
alles gut ist", sagt Ödipus, und dieses Wort ist heilig. Es wird in
dem grausamen und begrenzten Universum des Menschen laut. Es lehrt, daß noch nicht alles erschöpft ist, daß noch nicht alles ausgeschöpft wurde. Es vertreibt aus dieser Welt einen Gott, der
mit dem Unbehagen und mit der Vorliebe für nutzlose Schmerzen
in sie eingedrungen war. Es macht aus dem Schicksal eine
menschliche Angelegenheit, die unter Menschen geregelt werden
muß ...
Ich verlasse Sisyphos am Fuße des Berges! Seine Last findet man
immer wieder, nur lehrt Sisyphos uns die größere Treue, die die
Götter leugnet und die Steine Wälzt. Auch er findet, daß alles gut
ist. Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt
ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses
Steins, jeder Splitter dieses durchnächtigten Berges bedeutet
allein für ihn eine ganze Welt. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein
Menschenleben auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen
glücklichen Menschen vorstellen.



Seid ihr seiner Meinung? (hoffentlich bin ich jetzt nicht unten durch :( )
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Haiku

Mal im Ernst: Hat Camus eine bessere Arbeitsdefinition hingekriegt als Marx. Von der bin ich in diesem Thread ausgegangen. Marx war auch nicht schlecht. Nur der brauchte nicht - obwohl auch Vielschreiber - nicht so viele Worte dazu.
Hier gibt´s auch von anderen Postern viel zu lesen. Irgendwie ERWARTE ich es, dass meine Mitposter es mir leicht und nicht unnötig schwer machen... Diese Freundlichkeit im Dialog erwarte ich eigentlich von allen, auch außerhalb des Forums, überall.

Nix für ungut.;)

Gysi
 
;) diese herrliche Geschichte, spannend, eloquent und eine Philosophie der Freiheit und Stärke vermittelnd ist "unfreundlich" lang? :eek: Da bin ich anderer Meinung!

Berechtigt ist sicher deine Kritik, dass diese Geschichte hier im "Arbeits-Thema" steht - etwas fehl am Platz vielleicht! Ich eröffne am Besten ein eigenes Thema "Camus" bei den "Philosophen" - aber das ist zwangsläufig theoretischer (und die Texte länger :D )!
Aber ein Thema "Camus" erfordert viel mehr Vorbereitung, denn ohne fundiertes Wissen, ists stochern im Dunkeln und das will ich nicht!
 
Was glaubst Du, Haiku, welche Macht zwingt Sisyphus dazu, den Stein ständig wieder hinauf zu rollen?


Das erinnert mich an Majannas Geschichte mit der Mauer.
Die wird von der einen Schicht aufgebaut und von der anderen Schicht eingerissen.
 
Jetzt wird es spannend:


" Sisyphos ist der Held des Absurden. Dank seinen
Leidenschaften und dank seiner Qual. Seine Verachtung der Götter, seine Haß gegen den Tod und seine Liebe zum Leben

haben ihm die unsagbare Marter eingebracht, bei der jedes
Wesen sich abmüht und nichts zustande bringt" (Camus)



"nur lehrt Sisyphos uns die größere Treue, die die
Götter leugnet und die Steine Wälzt. Auch er findet, daß alles gut
ist. Dieses Universum, das nun keinen Herrn mehr kennt, kommt
ihm weder unfruchtbar noch wertlos vor. Jeder Gran dieses
Steins, jeder Splitter dieses durchnächtigten Berges bedeutet
allein für ihn eine ganze Welt. Der Kampf gegen Gipfel vermag ein
Menschenleben auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen
glücklichen Menschen vorstellen. " (Camus)



Ich bin einfältiger als Camus es war, auch nicht so gebildet:

Aber genau er bringt in diesem wunderbaren Text das zum Ausdruck, was ich dumpf auch von anderen erfahren wollte.



Ich nehme Last und Mühe auf mich, wenn ich in auch in ihr allein Sinn finde.Mein Iwan Denissowitsch konnte seine Würde nur in
sinnloser Slakvenarbeit finden. Aber der Blick auf das Getane - auch im Wissen, dass es von der nächsten Schicht wieder niedergerissen wird, gab ihm seine Menschenwürde - unabhängig
von anderen "Werten". Fast wie Sisyphos wälzte er jeden Tag seinen Stein und konnte dabei seinen Peinigern ins Gesicht lachen, denn innerlich war er frei, denn er hatte immer noch eine Wahl, schlampert zu arbeiten und innerlich zu verkommen oder zu arbeiten, um des Tages Sinn zu finden.

Und so wird auch im Alltäglichen das Absurde sichtbar und zeigt gleichzeitig, dass Absurdes Sinn machen kann.

Sysiphos widersetzte sich den Göttern, Denissowitsch wurde verdächtigt, sich den Göttern ( den kommunistischen Staatsideen) zu widersetzen.
Beide verachteten ihre "Götter", ließen sich aber nicht unterkriegen. Denn es ja alltagsgedanklich absurd, sich Freihet in Sklavenarbeit zu suchen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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majanna beantwortet die Frage, warum er den Stein wieder hinaufrollt!
Ich möchte hinzufügen:

"Jeder Gran dieses
Steins, jeder Splitter dieses durchnächtigten Berges bedeutet
allein für ihn eine ganze Welt" (Camus)

...in der Verleugnung eines Gottes!


"Das Wissen, das eigentlich
eine Qual bewirken sollte, vollendet gleichzeitig seinen Sieg. Es
gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden
werden kann" (Camus)

...im akzeptieren dieses Schiksals als sein Leben, in der Wahl ist er frei (klingt seltsam, aber was soll er tun: betteln, flehen, um Verzeihung bitten: Nein, er wählt das Leid und ist sich dessen bewußt!)

@majanna: ich kenne "deinen" Iwan Denissowitsch leider nicht! Lohnt er sich, auch im Vergleich zu Camus (den ich sehr gern lese)?
 
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