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Tagesspiegel Artikel zur Wahl in Amerika

baerliner

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Registriert
3. März 2003
Beiträge
3.638
Majanna hatte mich gebeten, interessante Links auf Zeitungsartikel hier anzugeben.

Der heutige Tagesspiegel enthält mehrere solcher Artikel, wobei ich das Essay "Die Mär des geteilten Amerika" besonders aufschlußreich finde.

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/31.10.2004/1452795.asp

Leider werden Verweise auf Artikel das Tagesspiegels 14 Tage nach Erscheinen kostenpflichtig (natürlich das Lesen der Artikel)
 
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Hervorragender Artikel, Deckt sich mit dem, was ich aus amerikanischen Zeitungen kenne. Endlich etwas mehr als diese ewige platte schwarz/weiss Malerei. Daraus ist auch gut erkennbar, wie schlecht und einseitig uns die Öffentlich/Rechtlichen informieren.
 
Zum Essay von Malte Lehming

Als Vorbemerkung: Essays drücken immer eine persönliche Einschätzung zu Sachverhalten aus, ja, diese inhaltliche Subjektivität ist geradezu ein Kennzeichen dieser literarischen Form.


Also drückt mavahos sehr hoher Zustimmungsgrad zu diesem Essay ebenfalls nur seine persönliche Einschätzung aus.
Mir gefällt vor allem die Fähigkeit Lehmings, Sachverhalte klar und mit wenigen Worten darzustellen.
Allerdings sagt er da nicht schrecklich viel Neues für einen politisch Interessierten.

Er fängt aber auch an zu generalisieren, etwa da, wo er Folgendes konstatiert:

„. Den Hedonismus der Woodstocker teilte die Mehrheit der Amerikaner nicht. Als sich die Demokraten den Minderheiten zuwandten – besonders Schwarzen, Schwulen und Frauen –, fühlten sich traditionelle Wählerschichten – Arbeiter, Veteranen, Gläubige – nicht mehr repräsentiert. Die 68er träumten von radikalen, permanenten gesellschaftlichen Veränderungen. Doch die Mehrheit der Amerikaner war nicht radikal. Eine Gegenbewegung formierte sich. Sie glaubt an den besonderen Status von Ehe und Familie, lehnt eine antiautoritäre Erziehung ab, ist gegen die Legalisierung von Drogen, will im Strafrecht den Täter nicht vorschnell durch soziale Umstände entschuldigt sehen, sondern beharrt auf der Verantwortlichkeit jedes Menschen für sein Tun. Die Demokratische Partei schien solche Werte nicht mehr zu verteidigen. Stattdessen bildeten ihre Vertreter – zusammen mit Hollywood, Künstlern, Sängern und Professoren – eine neue Elite, die so genannte „Hip-ocracy“. Diese Schicht steht bei vielen Amerikanern im Ruf, snobistisch zu sein. Wer ihr angehört, trinkt Milchkaffee, fährt Volvo, umarmt Bäume und ist moralisch ein Relativist. Er ist reicher als der Durchschnitt, gebildeter – und dadurch abgehoben von den Problemen eines „Joe Sixpack“. „ aao


Hier tut er so, als ob alle Demokraten Woodstocker, Hedonisten usw sind oder gewesen sind. Und so, als ob kein führender Demokrat seine Kinder autoritär erzogen, an sich an Ehe und Familie gebunden fühle usw.


Und genau an diesen winzigen, zunächst fast gar nicht beachteten Kleinigkeiten beweist Lehming, aus welchem politischen Lager er kommt. Das darf er selbstverständlich – siehe oben, Begründung Essay.


Und in der Art geht es den ganzen Text durch: er verallgemeinert und bewertet so oft sachlich zunächst völlig richtig dargestellte Fakten.

Außerdem impliziert er mit seiner Bildwahl „ trinkt Milchkaffee, umarmt Bäume“ usw , dass diese Vorstellungen exzentrisch wären.


Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Artikel ( mit entsprechendem anderen Sachmaterial natürlich) sich auch hervorragend in europäischen Wahlkämpfen gegen die Grünen verwenden ließe.

Das Perfide ist nicht die Meinung solcher Botschafter noch einmal: ich bin für Meinungsfreiheit, sondern die mitconnotierte Botschaft: Wer so denkt, sich gar noch für gesellschaftlich Außenseiter einsetzt, ist nicht konform mit der Mehrheit, mit Hänschen Müller ( Joe Sixpack).


Da aber in den USA beide Parteien - eh schon lange langer Zeit hindurch – Kopf an Kopf liegen, ist dieser Artikel – für mich und ich denke mal für politisch ebenso wie ich Denkende unannehmbar, mag er auch hervorragend recherchiert sein.

Marianne, die natürlich den ganzen Artikel gelesen hat
 
Möglichweise kennst Du nicht die alten Wahlkämpfe zur Zeit Kennedys, da war das noch wirklich ein Thema. Es gibt in USA eine weitverbreitete Rückbesinnung auf alte Werte, die Flower-Power-Jünger waren noch selten Republikaner.
Das Deutsche Problem ist, dies nicht mehr zu verstehen. Die 68 ziger haben alte Werte abgeschafft, ohne neue zu schaffen. Geschaffen wurde eine grosse Gleichgültigkeit, die als neuer Wert verkauft wurde, in Wirklichkeit aber keiner ist, sondern nur ein Loch beschreibt, in das Teile der Gesellschaft gefallen sind. Da sich diese Gleichgültigkeit als nicht erfolgreiches Modell erwiesen hat, wie man an der allgemeinen Lage sieht, wird man auch hier zu einer Rückbesinnung kommen. Die USA machen nur vor, was auch bei uns kommen wird, wobei die Republikaner teilweise überziehen. Aber bei uns sind Wahlkämpfe auch nicht die Quelle von Wahrheit.
Allerdings, eine Partei wie die Grünen hätten in den USA wie in fast allen europäischen Ländern auch keine Chance. Es fehlt dafür an beamteter Lehrerschaft.
Ich staune immer wieder, welch kritischer Standpunkt an die Regierung der USA angelegt wird, den selben Massstab an unsere Chaostruppe von USA-Bürgern angelegt, wir sähen dabei gar nicht gut aus. Nur gut, dass sich dort kaum jemand für uns interessiert.
 
mavaho schrieb:
Die 68 ziger haben alte Werte abgeschafft, ohne neue zu schaffen. Geschaffen wurde eine grosse Gleichgültigkeit, die als neuer Wert verkauft wurde

"Die 68-er" gibt es nicht. Und ich sehe keine große Gleichgültigkeit, nur das Zerbrechen alter Institutionen wie der Kirche. Stört dich das so extrem?

mavaho schrieb:
Allerdings, eine Partei wie die Grünen hätten in den USA wie in fast allen europäischen Ländern auch keine Chance. Es fehlt dafür an beamteter Lehrerschaft.

Diese Deine Polemik ist einen eigenen Thread wert:
https://www.denkforum.at/threads/1692
 
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Das Zerbrechen der Kirchen stört mich nicht, wenn dafür eine gesellschaftliche Alternative geschaffen worden wäre. Jede Gesellschaft braucht einen inneren Zusammenhalt, will sie nicht in Gruppen und Grüppchen zerfallen, die ohne Rücksicht auf das Gesamte ihre Einzelinteressen durchsetzt. In den meisten Ländern ist dies das Bewusstsein, einer bestimmten Nation anzugehören, was bei uns systematisch zerstört wurde. Was wirklich geblieben ist, ist nicht erkennbar. Eine Gesellschaft ohne Minimalkonsens wird Krisen nicht überstehen.
Übrigens, die Kirchen sind nicht zerbrochen, das hatte weder die franz. Revolution noch Hitler oder Stalin geschafft. Sie hat sich lediglich auf ihre "Stammwähler" zurückgezogen. Diese ist mal grösser, mal kleiner. Das Bedürfnis der Menschen nach Spiritualität ist zeitlos, es zu bedienen eine sichere Bank.
 
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