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Suizid aus "Vernunftgründen"?

helia

New Member
Registriert
5. Juli 2008
Beiträge
923
Liebe Forianer,


zwar habe ich den Thread über "Selbstmörder" gefunden, ich würde aber gerne eure Ansichten zu Akzeptanz und Verbot des Freitods lesen.


Seit Jahren wird bei uns zu Hause über Leben und Sterben diskutiert, so auch über verschiedene Methoden sich das Leben zu nehmen. Vor 14 Jahren äusserte sich eine Freundin folgendermassen: "In zehn Jahren ist auch dieses Problem gelöst und wir können uns die 'Todespille' in der Apotheke holen." Wie sie heute zugibt, war sie damals etwas zu optimistisch.....


Es wird heute immer noch darüber gestritten, ob man einem schwerkranken Menschen erlauben soll zu sterben!

Wie kann es sein, dass einem mündigen Bürger das Recht verwehrt wird, auf eine würdige und selbstbestimmte Weise aus dem Leben zu scheiden?
Wie kann es sein, dass ein Suizidversuch bestraft werden kann?


Einerseits ärgern sich junge (nicht alle!), über alte Leute, weil diese die Krankenversicherungen belasten, den Jungen Arbeitsplätze wegnehmen, Zu viel Geld kosten (Renten) und zu viel Wohnungsraum beanspruchen. Auch wird öffentlich beklagt, dass die Alterspyramide schon bald auf den Kopf zu stehen kommt.

Andererseits wird dem Bürger, nicht nur den Senioren, verwehrt sich auf eigenen Wunsch und ohne Angabe von Gründen aus dem Leben zu verabschieden.

Wie bringt man diese Gegensätze unter einen Hut?

Hier zwei Zitate aus dem von mir erwähnten Thread, Was denkt ihr (Muslime, Juden, Christen) "heutzutage" über Selbstmörder? , welche meine Meinung widerspiegeln.


Zitat Rhona # 21

Wenn aus der Symbiose Samen und Eizelle ein Leben entsteht, das nicht danach gefragt wurde, ob es existieren wollte - sozusagen ins Leben "geworfen" wurde - dann sollte ihm doch wenigstens die Freiheit gegeben sein, frei entscheiden zu können, ob oder wann es freiwillig aus diesem "Zufallsprodukt" aussteigen will.

Zitat Minni # 34

selbst wenn der Mensch sich nicht selbst „macht“, was ich bezweifle, wieso hat er nicht das Recht, sich selbst zu töten, und von wem oder was kann er es bekommen? Vom Schicksal oder etwas Überirdischem, von unserer selbst aufgestellten "objektiven" gesellschaftlichen Moral?
Und worin liegt das Verbrechen genau? Darin, den Angehörigen in Trauer zu stürzen? Dann dürfte ich z. B. auch meine Partnerin nicht verlassen, wenn sie dadurch Trauer erleidet.
Wenn wir dem Menschen einen freien Willen zugestehen, sollte er auch nach ihm handeln dürfen, wenn es ihn selbst und sein Leben betrifft.

In die Kategorie "Vernunftgründe" fallen bei mir, Chronische Krankheit und Schmerzen, Hilflosigkeit z.B. nach Unfall und Lebensmüdigkeit.




Liebe Grüsse,


helia






P.S. Falls mir wieder ein Ausdruck entschlüpft sein sollte welcher für jemanden ein "Reizwort" darstellt, bitte ich um Entschuldigung.
 
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AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?

Es gibt auch noch das Thema "Aktive Sterbehilfe - ja oder nein?". Und darin schreibt ela in diesem Beitrag, der auch meine Meinung wiedergibt:

Ich persönlich bin bei diesem Thema in einem grossen Zwiespalt.
Grundsätzlich finde ich es wichtig, dass die Möglichkeit einer würdevollen Freitodbegleitung bestehen sollte, andererseits frage ich mich, ob die für die Überwachung solcher Aktivitäten zuständigen Behörden nicht heillos damit überfordert sind.

Und ausserdem fürchte ich generell ein wenig, dass Menschen, die krank und pflegebedürftig sind, den Weg in den Freitod wählen, damit sie anderen "nicht zur Last fallen".
Und wenn dies dann irgendwann zur unterschwelligen Forderung würde?

Helia,

bei mir hat auch die Themenformulierung Suizid aus "Vernunftgründen"? Unverständnis hervorgerufen, denn einen Suizid aus solchen Gründen kann und darf es nicht geben, abgesehen davon, dass Suizid i.a. nicht vernunftgesteuert ist, sondern im Zustand völliger Hilflosigkeit unter Ausschaltung jeglicher Vernunft begangen wird.
 
AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?

Hallo helia,

da hast Du eine Vielzahl an sensiblen Themen angeschnitten und über jedes einzelne müsste sorgfältig nachgedacht und vor allem auch nachempfunden werden.
Über Vernunftgründe bei Suizid bin ich auch gestolpert, welche Vernunft des Lebens gibt es das Leben frühzeitig zu beenden?
Allerdings ist mir etwas über chronischen Suizidversuch bekannt, das ist ein Verhalten ständig darüber nachzugrübeln mit welcher Technik man sich das Leben nehmen könnte, das auch versucht, es aber immer scheitert, eine Rettung erfolgt und derjenige für geraume Zeit im Mittelpunkt ist, umsorgt wird und die volle Aufmerksamkeit genießt. Es ist eine ganz makabere Form der krankhaften Geltungssucht. Eine gewisse Vernunft ist bei diesem Prozess nicht auszuschließen, es geht jedoch nicht ums Sterben, sondern auf diese makabere Art Aufmerksamkeit zu erlangen.
So viel zu einem Punkt Deines Textes, der Überschrift.

gruß fluuu
 
AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?



Danke für den Hinweis, Baerliner,

was dein Unverständnis betrifft,

bei mir hat auch die Themenformulierung Suizid aus "Vernunftgründen"? Unverständnis hervorgerufen, denn einen Suizid aus solchen Gründen kann und darf es nicht geben, abgesehen davon, dass Suizid i.a. nicht vernunftgesteuert ist, sondern im Zustand völliger Hilflosigkeit unter Ausschaltung jeglicher Vernunft begangen wird.

bin ich ganz anderer Ansicht und stimme Benjamin zu, es sollte doch wirklich jeder für sich bestimmen können ob er leben will oder nicht.

Selbst kenne ich einen Fall, wo eine Person sich nach reiflicher Überlegung das Leben nahm. Sie hat sich im Geschäft und bei Freunden in den Urlaub abgemeldet, die Wohnung aufgeräumt, ausstehende Rechnungen bezahlt, sogar den Kühlschrank geleert, letzte Verfügungen getroffen und Abschiedsbriefe geschrieben. Erst dann hat sie sich zu Tode gebracht. Der Grund war eine Krankheit und Einsamkeit.
Würdest du mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, dass hier ein Vernunftgrund vorliegt?


Und weshalb meinst du, dass es einen Suizid aus Vernunftgründen nicht geben darf? Für mich zum Beispiel wäre auch das ein Vernunftgrund, dass ich nicht andern zur Last fallen will. Das fasse ich nicht als "unterschwellige Forderung" auf, wie Ela schreibt, sondern es wäre mir ein Bedürfnis, meine Umgebung von mir zu befreien und anderen, lebenswilligeren Platz zu machen.

 
AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?


Und weshalb meinst du, dass es einen Suizid aus Vernunftgründen nicht geben darf? Für mich zum Beispiel wäre auch das ein Vernunftgrund, dass ich nicht andern zur Last fallen will. Das fasse ich nicht als "unterschwellige Forderung" auf, wie Ela schreibt, sondern es wäre mir ein Bedürfnis, meine Umgebung von mir zu befreien und anderen, lebenswilligeren Platz zu machen.


erinnert mich ein wenig nach soylent green.
ich waere dazu viel zu egoistisch, als das ich zu dem gedanken kaeme mich zu toeten, nur weil ich im weg stehe. das kommt schon ein wenig unterwuerfig rueber. "geh, koenntest dich mal, bitte schoen, kurz wegraeumen, du stehst den jungen im weg, danke" brrr...

lg
redy
 
AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?

Liebe Helia!




zwar habe ich den Thread über "Selbstmörder" gefunden, ich würde aber gerne eure Ansichten zu Akzeptanz und Verbot des Freitods lesen.
Auch hier könntest du auch noch etwas darüber erfahren, was hier im Forum schon diskutiert wurde.

Seit Jahren wird bei uns zu Hause über Leben und Sterben diskutiert, so auch über verschiedene Methoden sich das Leben zu nehmen. Vor 14 Jahren äusserte sich eine Freundin folgendermassen: "In zehn Jahren ist auch dieses Problem gelöst und wir können uns die 'Todespille' in der Apotheke holen." Wie sie heute zugibt, war sie damals etwas zu optimistisch.....


Es wird heute immer noch darüber gestritten, ob man einem schwerkranken Menschen erlauben soll zu sterben!

Wie kann es sein, dass einem mündigen Bürger das Recht verwehrt wird, auf eine würdige und selbstbestimmte Weise aus dem Leben zu scheiden?
Wie kann es sein, dass ein Suizidversuch bestraft werden kann?

Sind wir nicht geboren worden um zu leben? Warum sollte es dann nicht das Bestreben einer sozialen Gemeinschaft sein, alle ihre Mitglieder dazu anzuhalten? Soviel erstmal zur rechtlichen Seite.


In die Kategorie "Vernunftgründe" fallen bei mir, Chronische Krankheit und Schmerzen, Hilflosigkeit z.B. nach Unfall und Lebensmüdigkeit.

Sehe ich sehr problematisch. Unfall und Lebensmüdigkeit sind mMn klassische Situationen, wo die Suizidgedanken nach einiger Zeit wieder verschwinden, weil sich die Lebenssituation verändert. Wer leidet, der macht wichtige Erfahrungen. Ich glaube, wer einem ersten Impuls, aus dem Leben zu scheiden, nachgibt, dann nur, weil er geglaubt hat, dass das, was er durchmacht, nicht zu schaffen ist. Er wirft einfach zu schnell das Handtuch. Wem das auch noch erlaubt ist, der greift dann vielleicht zu diesem Ausweg ohne je zu erfahren, dass er viel zu früh aufgegeben hat.


bin ich ganz anderer Ansicht und stimme Benjamin zu, es sollte doch wirklich jeder für sich bestimmen können ob er leben will oder nicht.
Das tut doch jeder.
Denn obwohl Selbstmord nicht erlaubt ist, bringen sich zahlreiche Menschen um. Wer wirklich sterben will, der kümmert sich doch nicht um ein Verbot! Er will ja dieses Leben mit ALLEN seinen unerträglichen Umständen hinter sich lassen.
Wer sich um eine evtl. Bestrafung Sorgen macht, der will nicht wirklich sterben.

Selbst kenne ich einen Fall, wo eine Person sich nach reiflicher Überlegung das Leben nahm. Sie hat sich im Geschäft und bei Freunden in den Urlaub abgemeldet, die Wohnung aufgeräumt, ausstehende Rechnungen bezahlt, sogar den Kühlschrank geleert, letzte Verfügungen getroffen und Abschiedsbriefe geschrieben. Erst dann hat sie sich zu Tode gebracht. Der Grund war eine Krankheit und Einsamkeit.
Würdest du mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, dass hier ein Vernunftgrund vorliegt?

Mein Bruder hat sich vor sechs Jahren auf eine ähnliche Art von diesem Leben verabschiedet. Alles soweit es ihm möglich war geordnet und einen kleinen Abschiedsbrief auf seinem Schreibtisch hingelegt. Trotzdem war das Ergebnis seiner "vernünftigen" Überlegungen nur der Ausdruck dafür, dass er vergeblich um Hilfe gerufen hatte. Alles was seine Familie und seine Freunde für ihn tun konnten, war vergeblich, denn er konnte es nicht akzeptieren, weil er glaubte, nur er selbst wäre dafür zuständig, seine eigenen Probleme zu lösen. Genau diese Haltung, die du oben als "nicht zur Last fallen wollen" und daher als "vernünftig" bezeichnest, die ist mMn ein Ergebnis aus der falschen Überzeugung, dass der Mensch immer und überall allein und unabhängig mit allem zurecht kommen können muss. Aber meine tiefe Überzeugung ist, dass wir ohne die Hilfe und Unterstützung von anderen gar nicht lebensfähig sind. Auch wenn es uns gut geht, brauchen wir einander. Das wird nur verschleiert, weil sich alles mit Geld regeln lässt. Die weniger Wohlhabenden können z.B. ihr Pflegepersonal nicht so leicht finanzieren.

Ich denke, wer aus vernünftigen Überlegungen heraus Selbstmord begeht, der tut es, weil er selbst keinen anderen Weg mehr sieht, seine Probleme zu lösen.
Einsamkeit, ein Unfall, der zu schweren Behinderungen führt, Lebensmüdigkeit..... Das sind alles Lebenssituationen, die einem ausweglos erscheinen mögen. Wer das erlebt, der hat es sehr schwer.
Aber wenn es wirklich kein Fünkchen Hoffnung mehr gibt, dann bringt man sich um, auch ohne Erlaubnis.

Und weshalb meinst du, dass es einen Suizid aus Vernunftgründen nicht geben darf? Für mich zum Beispiel wäre auch das ein Vernunftgrund, dass ich nicht andern zur Last fallen will. Das fasse ich nicht als "unterschwellige Forderung" auf, wie Ela schreibt, sondern es wäre mir ein Bedürfnis, meine Umgebung von mir zu befreien und anderen, lebenswilligeren Platz zu machen.
Liebe Helia. Es gibt genug Platz auf der Welt, so dass auch die lebensmüden und bescheidenen Menschen, die niemandem zur Last fallen wollen, hier sein dürfen.

Als mein Sohn sagte, er würde sich umbringen, da fragte ich ihn, ob er wirklich tot sein wolle oder ob er nur ein anderes Leben haben wolle, weil das was er jetzt hat unerträglich ist. Da gestand er sich selbst ein, dass es wohl so sei. Er wolle schon leben, aber er wisse nicht, wie er es unter den vorhandenen Umständen schaffen soll.

So ähnlich erscheint mir auch dein Wunsch, liebe Helia.

Wem in schwierigen Lebensumständen jemand beisteht, weil er es allein nicht schafft, der hat keinen Grund früher sterben zu wollen. Und wenn es wirklich unerträglich wird, dann findet man auch eine Möglichkeit, ohne dass es explizit erlaubt ist.

Ich finde, es darf nicht erlaubt werden, bei sich selbst oder als Unterstützung für jemand anderen, das Leben willkürlich zu beenden. Das würde das Leben wertloser machen.

:blume1:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?

Danke, Lilith,

nun brauche ich mir keine Gedanken zu machen, wie ich die von Helia an mich gerichteten Fragen bantworten soll. Du hast das wie immer mit stimmigen Worten getan, die mir wahrscheinlich nicht aus der Feder geflossen wären, aber meine Einstellung treffen.

:blume1:
 
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AW: Suizid aus "Vernunftgründen"?

Hallo,

die Überschrift kann ich nicht im Einklang zusammenbringen. Deshalb wohl auch die ironischen Anführungsstriche, oder?

Suizid und Vernunft krieg ich nicht zusammen, das passt nicht in mein Weltbild.
Die Vernunft kann sich zwar opfern, aber nicht um seines Willens selbst, sondern nur für andere. Ich kann mich im Kugelhagel vor meiner Freundin stellen und mein Leben für Sie opfern. Jedoch ist das kein Suizid im klassischen Sinne, weil eben die Vernunft mitspielt.
Ich denke das der klassische Suizid mit stärksten Gefühlen und starken Bewusstseinsstörungen zusammenhängen muss. Das Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele muss so dermaßen desolat sein, dass eben nichts anderes - als der Suizid - übrig bleibt.
Dennoch sollte sich jeder umbringen können, wenn er das will, jedoch können wir es den Selbstmördern auch nicht ganz so einfach machen.
Eine schöne Einrichtung, sind die Sterbe- Hospize. Es ist eine Art der legalen Sterbehilfe. Die Patienten werden mit Medikamenten so hoch dosiert, dass sie einerseits schmerzfrei sind, anderseits, werden überlebenswichtige Medikamente, z.B. Antibiotika oder Blutplasma, nicht mehr verabreicht. Nur noch Schlafmittel, Beruhigungsmittel, Schmerzmittel usw... Auch durch die Erhöhung der Dosis wird irgendwann einmal die Überdosis den körperlichen und geistigen Tod eintreten lassen. Ich habe meine Mutter im letzten Jahr auf diesem Wege begleitet und bin über die Möglichkeit sehr angenehm überrascht worden. Es braucht keiner mehr Schmerzen zu haben und jeder kann diesen Schritt für sich in Anspruch nehmen, vorausgesetzt es besteht eine unheilbare Krankheit im finalen Stadium.
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Wir können die Zeit nur leben, nicht gelebte Zeit fällt unwiederbringlich weg.
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Lieben Denkergruß
Axl
 
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