• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Schauspieler, Lügner und Heuchler, wann überschreiten sie die Grenze zur Moral ?

Zeilinger

Well-Known Member
Registriert
22. Mai 2004
Beiträge
16.501
Hallo Diskutanten mit Moralvorstellungen !

Ich glaube, sagen zu können, dass wir uns in einem einig sind: Schauspieler, Lügner und Heuchler sind an und für sich 3 Arten von Menschen, oder ? Bitte nicht übersehen, dass ich Arten schrieb.

Eine Definition von Heuchler: ein Heuchler ist ein Mensch, der fühlen will, aber nicht kann.

Eine Definition von Lügner: ein Lügner ist ein Mensch, der bewusst etwas gegen seine Überzeugung von sich gibt.

Eine Definition von Schauspieler: ein Schauspieler ist ein Mensch, der die von einem Dichter oder Schriftsteller ersonnenen Figuren verkörpert und einem Publikum nahebringt.

Ich werde jetzt einmal zur Sicherheit eine Woche warten, ob mir das nicht widerlegt wird.

Liebe Grüße

Zeili
 
Werbung:
Zeilinger, alle geben etwas vor, von dem sie wissen, dass es nicht der Realität entspricht. Alle spielen und wollen andere von etwas überzeugen. So mag vielleicht die Intention eine andere sein und damit wären wir natürlich bei der Moral.

Bei Gericht lernt man bald, dass Schauspieler auch die besten Lügner sind, da sie sich ohne weiteres in eine andere Persönlichkeit versetzen können und daran gewohnt sind, Dinge zu sagen, die allesamt fiktiv sind.

Alle drei Formen können in ein und derselben Person vorkommen und sind heutzutage schon fast eine „normale“ Verhaltensweise, denn kaum jemand gibt sich so wie er ist und kaum jemand sagt genau das, was er denkt.
 
Hallo louiz30 !

Danke einmal für Deine Stellungnahme; ich lese Dich immer wieder gerne, immer wegen Deines Schreibstils und sehr oft auch wegen Deines Inhaltes.

Alle drei Formen können in ein und derselben Person vorkommen und sind heutzutage schon fast eine „normale“ Verhaltensweise, denn kaum jemand gibt sich so wie er ist und kaum jemand sagt genau das, was er denkt.
Hier bin ich allerdings etwas optimistischer als Du; ich glaube schon, dass es Menschen gibt, die ehrlich sein wollen und ihnen das auch meistens gelingt. Also die, die weder lügen, noch heucheln noch schauspielern wollen, zumindest nicht in jeder Situation. Die geben dann auch Hoffnung auf eine Vertrauensbasis, deren Wert ja von den Stalinisten extrem unterwandert wurde - schon mit dem zweifelhaften Spruch: "Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser". Welchem Menschen, hätte ich gerne gewusst, der nur ein paar Jahre gearbeitet hat, war es lieber, bei seiner Arbeit kontrolliert zu werden, anstatt Vertrauen zu genießen ?

Diese Vertrauensbasis - die meiner Meinung nach in jeder Beziehung gleich wichtig wie schön ist - kann aber nur entstehen, bzw. bestehen bleiben, wenn kein Beteiligter lügt, heuchelt oder schlecht schauspielert.

Nichtsdestoweniger bewundere ich aber Schauspieler, die mir ein Gefühl vermitteln, das ich gerade brauche.

Liebe Grüße

Zeili
 
Zeilinger, kann mich eigentlich nicht erinnern etwas Negatives gesagt zu haben und schon gar nicht, dass es nicht auch ehrliche Menschen gibt. Wenn du jemanden als Heuchler, Lügner, Betrüger etc bezeichnest, dann hat dieser Mensch ein bestimmtes Verhaltensmuster. Wenn ich sage „so mag dann die Intention eine andere sein“, dann ziehe ich hier eine Grenze, die eben auch „ehrliche“ Fälle einbezieht.

Die wahrlich Ehrlichen sollte man dann auch nicht als Lügner bezeichnen und somit ist dein Thema auch nicht auf die Ehrlichen gerichtet, sondern auf diejenigen, die etwas vorspielen.

Bitte um Korrektur im Verständnis.
 
louiz30 schrieb:
Zeilinger, kann mich eigentlich nicht erinnern etwas Negatives gesagt zu haben und schon gar nicht, dass es nicht auch ehrliche Menschen gibt. Wenn du jemanden als Heuchler, Lügner, Betrüger etc bezeichnest, dann hat dieser Mensch ein bestimmtes Verhaltensmuster. Wenn ich sage „so mag dann die Intention eine andere sein“, dann ziehe ich hier eine Grenze, die eben auch „ehrliche“ Fälle einbezieht.

Die wahrlich Ehrlichen sollte man dann auch nicht als Lügner bezeichnen und somit ist dein Thema auch nicht auf die Ehrlichen gerichtet, sondern auf diejenigen, die etwas vorspielen.

Bitte um Korrektur im Verständnis.
Okay, louiz30, ist korrigiert, ich habe aber Dein erstes statement auch nicht sooooo negativ aufgefasst.

Die Eröffnung dieses Themas meinerseits kommt nicht von ungefähr. Grundsätzlich bin ich der Meinung, jeder soll ehrlich sein, so lange es geht und zwar schon deswegen, weil ich das Vertrauen neben der Liebe für das Wertvollste halte, das es zwischen Menschen geben kann.

Allerdings geht mir auch ein Film - leider habe ich den Titel vergessen, vielleicht haben ihn aber andere auch gesehen - nicht aus dem Kopf, obwohl es nun auch schon wieder Jahre her ist, dass ich ihn gesehen habe.

In groben Zügen der Inhalt: Der Film handelt im Zweiten Weltkrieg. Ein Jude wird mit seinem Sohn in ein Konzentrationslager eingesperrt; der Sohn ist so zwischen 8 und 12 Jahre alt, sicher aber keine 14 und muss bereits alle Gräueltaten, Grausamkeiten und Gleichgültigkeiten des Naziregimes mitansehen. Damit der Sohn nicht den Glauben an die Menschheit verliert, lügt ihm der Vater das Blaue vom Himmel. Er sagt ihm immer wieder, dass dies nur eine Art Studienaufenthalt wäre, bei dem halt etwas Abhärtung auch trainiert würde usw usf.

Da fragte ich mich denn doch: Hätte ihm der Vater die ganze grausame Wahrheit sagen sollen, eben dass dieser Obrigkeit überhaupt nichts an ihrem Leben liegt und dass sie jederzeit damit rechnen müssten, vergast zu werden ?

Ich weiß jetzt nicht genau, wie dokumentarisch der Film tatsächlich war. Mich in die Situation des Vaters hineinversetzend, bin ich mir aber sehr unsicher, ob ich den Jungen nicht auch belogen hätte.

Im Film jedenfalls gelingt dem Jungen mit Hilfe des Vaters die Flucht und ich ging nach der Vorstellung tief ergriffen und sehr nachdenklich aus dem Kino.

Liebe Grüße

Zeili
 
Moral IST Heuchelei. Selbst nach deiner Definition, Zeili, ist ein Moralist einer, der fühlen durch verstandesmäßiges ersetzt. Durch Glauben. Moral ist die Wertvorstellung, die wir unseren Eltern und deren Eltern glauben, egal wie dumm und schädlich sie ist. Ein Mensch der fühlt, braucht m.E. keine Moral. Der Lügner vertritt lediglich die Moral, nachdem er sie erkannt hat.

Viele Grüße
Bernd
 
Zuletzt bearbeitet:
Louiz30 schrieb:
„Alle drei Formen können in ein und derselben Person vorkommen und sind heutzutage schon fast eine „normale“ Verhaltensweise, denn kaum jemand gibt sich so wie er ist und kaum jemand sagt genau das, was er denkt.“

Zeilinger schrieb:
Hallo louiz30 !
"Vertrauen ist gut - Kontrolle ist besser". Welchem Menschen, hätte ich gerne gewusst, der nur ein paar Jahre gearbeitet hat, war es lieber, bei seiner Arbeit kontrolliert zu werden, anstatt Vertrauen zu genießen ?
Zeili

Und hier möchte ich anknüpfen und dies an einem Beispiel aufzeigen. Als ich noch berufstätig war hatte ich einmal eine Betriebsabteilung zu untersuchen, um der Betriebswirtschaft Daten zu liefern, die für die Preiskalkulation wichtig waren, wobei es mir darauf ankam, die manuelle Tätigkeit von der reinen Maschinenlaufzeit zu trennen.

Ein Teil der Belegschaft bekam die Frühstücks- und Mittagspause als Arbeitszeit mitbezahlt, weil es angeblich keinen Produktionsausfall gab.
Wie sich herausstellte waren die betreffenden Arbeiter aber „Schauspieler, Lügner und Heuchler“, denn sie gaben vor, dass sie den Lohn der Pausen zu Recht erhalten würden. In Wirklichkeit war es aber so, dass sie zwar die Pumpenaggregate laufen ließen, was Lärm erzeugte, ohne dass eine Förderung also Produktion, im Sinne des Arbeitsvertrages stattfand.

Nachdem dies in der Studie aufgezeigt wurde, kam es zwangsweise dazu, dass die Pausen nicht mehr als bezahlte Arbeitszeit anerkannt wurden, was damals für die betreffenden Schwindler, einen Verlust von 0,75 Std./Tag x 20 Tage gleich 15 Std./Monat, also rund 255,00DM brutto, gleich ca. 3.400,00 DM/Jahr einschl. Weihnachts- und Urlaubsgeld ausmachte.

Dieser Schock saß für diese Leute sehr tief, zumal sie glaubten, dass ihnen niemand auf die Schliche kommen könne. Dies konnte ich kürzlich anlässlich eines Betriebsausfluges für Rentner unseres ehemaligen Arbeitgebers beobachten. Jetzt, also ca 15 Jahre später, traf ich einen der betroffenen Arbeiter wieder und es war auffallend, dass er es auf jeden Fall vermied, mit mir zusammen zutreffen, obwohl er mich kannte.

Zusatzitat: „wann überschreiten sie die Grenze zur Moral ?“

Dies war ein Beispiel von vielen, die man aufzählen könnte. Steuerbetrug wäre ein weiteres Beispiel, zumal jeder der das Finanzamt nicht hintergeht in der Gesellschaft als Dummkopf gilt. Je höher sich die Steuerhinterziehung beläuft, umso angesehener ist der betreffende Bürger in der Gesellschaft. Dies geht sogar soweit, dass ein angebliches Ehrenwort gegenüber wohlmeinenden Lobbyisten mehr gilt, als Staatstreue.

MfG Jan Amos
 
fühlen, denken, handeln

denken, handeln, fühlen

handeln, fühlen, denken

Arbeitshypothese 1
ein Heuchler heuchelt Mitgefühl,
weil bei ihm fühlen ganz hinten steht

denken, handeln, fühlen

'Wissenschaftler' neigen gerne dazu,
auf ihr Gefühl zu verzichten,
heucheln deshalb aber nicht,
da sie sich prinzipiell gefühlsbetonten Argumentationen verschließen

Arbeitshypothese 2
Heuchelei beruht wie Konservatismus auf einer Verwechslung

konservativ ist, wer vorher und nachher durcheinanderbringt

heucheln tut, wer handeln und denken durcheinanderbringt,
und nachfolgend Mitgefühl für die Folgen zeigt,
obwohl die Intention des Heuchlers das konservative Nichtstun war

klingt kompliziert,
aber ich denke, Arbeitshypothese 2 ist es
 
jumping someone else's train

Karriere mit dem Werk eines anderen machen,
dem man zuvor ein Bein gestellt hat

oder man ist begnadeter Schauspieler,
aber dann ist das Umfeld eigentlich selber schuld

Hauptmann von Köpenick
 
Werbung:
Bernd schrieb:
Moral IST Heuchelei. Selbst nach deiner Definition, Zeili, ist ein Moralist einer, der fühlen durch verstandesmäßiges ersetzt. Durch Glauben. Moral ist die Wertvorstellung, die wir unseren Eltern und deren Eltern glauben, egal wie dumm und schädlich sie ist. Ein Mensch der fühlt, braucht m.E. keine Moral. Der Lügner vertritt lediglich die Moral, nachdem er sie erkannt hat.
Obwohl ich Dich, Bernd, trotz Deiner "Allgemeinen Informationen" für recht moralisch halte, muss ich Dir hier widersprechen.

"Moral ist Heuchelei" kann schon semantisch-philosophisch nicht stimmen, weil Heuchelei ein moralischer Begriff ist. Ich finde auch nicht, dass ein Moralist einer ist, der fühlen durch Verstandesmäßiges ersetzt. Ein Moralist ist jemand, der sich nicht scheut, Menschen, Tiere, Pflanzen oder Dinge für gut oder schlecht zu befinden. Immanuel Kant war ein Moralphilosoph, weil er "gut" definierte. Rückert ist ein Moralphilosoph, weil er sagte: "Das Starke muss nicht unbedingt das Gute sein".
Glauben ist mMn nichts Verstandesmäßiges, sondern ein Gefühl, manche sagen, ein Gottes-Geschenk.
Moral kann von unseren Vorfahren kommen, muss aber nicht. Ich zum Beispiel habe die Hälfte meiner Moralvorstellungen selbst bzw. mit Hilfe eines Priesters und (mehreren) Schriftstellern entwickelt. Ich gebe Dir aber recht, dass wir am längsten an die Punkte glauben, in denen sich unsere Eltern einig waren bzw. sind. Ich komme Dir auch entgegen, dass ein Mensch, der nur Positives fühlt - nur liebt und achtet - keine (sonstige) Moral braucht. Lieben und Achten gehören aber (unter anderem ?) zur christlichen Moral.

Der Lügner vertritt lediglich die Moral, nachdem er sie erkannt hat.
Mit diesem Satz kann ich Null anfangen.

Liebe Grüße

Zeili
 
Zurück
Oben