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Reality Show

umananda

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29. April 2004
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345
Eine der Hauptfiguren des Wiener Aktionismus der 60er Jahre war wohl Hermann Nitsch. Seine Schüttbilder wie auch sein Orgien Mysterien Theater leben vor allem von der Provokation und nach dem Motto "Viel Feind, viel Ehr´". Nitsch verwendet Tierblut für seine Schüttbilder und lässt während des 6-Tages-Spiels Stiere "live" töten. Nun stellt sich die Frage, wo setzt die Wirklichkeit ein, die Nitsch inszenieren will? Das Blut, das Sterben des Stieres symbolisieren für Nitsch anscheinend eine Wirklichkeit.

Es ist unbestreitbar, dass es sich um eine wahrnehmbare Wirklichkeit handelt. In einer Medienwelt des 21.Jahrhunderts eigentlich nichts Außergewöhnliches. Da werden Videoclips durch die dunklen Stränge des Internets gezogen, in denen man alle möglichen Todesarten zur eigenen Erregung in die Netzhaut treiben kann. Letztendlich sorgen islamische Terroristen für abgetrennte Köpfe, die man stolz vor laufender Videokamera der Welt präsentiert. So weit bleibt alles im gewohnten Bereich. Das Angebot der Sehgewohnheiten hat sich der Nachfrage angepasst.

Warum also inszenierte damals das Burgtheater eine Realty Show? Weil es Bachler nach einem standesgemäßen Abschied dürstet, bevor er Wien in Richtung München verlässt?
Selbstverständlich lebt diese Provokation von Menschen, die in Hermann Nitsch´s Orgien Mysterien Theater eine Steuergeldverschwendung sehen, weil diese Zeitgenossen angeblich eine protofaschistische Inszenierung in diesem Mysterien Theater sehen. Nun, unser Hermann Nitsch ist zwar kein protofaschistischer Künstler, aber auch manches Opernwerk Richard Wagners wurde von vielen Kritikern als protofaschistisch empfunden und trotzdem werden Steuergelder für Inszenierungen verwendet. Es ist überhaupt ein merkwürdiges Rufen, das sich da gegen angebliche Steuergeldverschwendungen wendet, wo doch jedes Kind weiß, dass es ganz andere Arten von Verschwendungen gibt und die Kosten eines Kunstwerks nichts über seine Wahrheit aussagt.

Wahrheit" ... ist auch so ein leichtfertig hingeschriebener Begriff, der sich bedeutend leichtfüßiger anfühlt, wenn man ihn wie einst Konrad Bayer hundertmal hintereinander in einem Theater ins Publikum spricht …

Es ist eher anrührend nostalgisch, wenn ein Nitsch sich als Provokateur versteht und letzten Endes eine „kunsthistorische“ Neuauflage eine Epoche durch das Burgtheater schleppt und namhafte konservative und nichtkonservative Politiker sich mit Nitsch fotografieren lassen, um ein Kunstverständnis zu heucheln. Da sind sich Kritiker und Protagonist sehr ähnlich…

Es geht ihnen letztendlich nur darum, die Nähe zu einer Kunst zu demonstrieren, die sie zwar nicht verstehen, da es dort kaum etwas zu verstehen gibt. Realty Show … um mehr geht es hier und auch später nicht. . Es ist allemal besser, sie findet im Kunstraum statt, als in einer U-Bahn mittels Sprengstoffgürtel oder in einem Hochhaus, in dem über 3.000 Menschen starben und von Stockhausen zu einem "Kunstwerk" erklärt worden ist.

Nitsch_Schuettbild_l.jpg


Die Kunst spiegelt immer auch die Realität. Ob sie es nun möchte oder nicht. Aber manche Realitäten sind es einfach nicht wert, dass sich die Kunst mit ihr auseinandersetzt. Und trotzdem ist es gut, dass sie es dessen ungeachtet macht. Es gab ja immer schon so etwas wie Vordenker. Nur gehöre ich leider zu den Menschen, die lieber selber denken und keinen VORdenker nötig haben. Meine Irrtümer sind dann wenigstens meine Irrtümer. Aber wer viel irrt, muss bekanntlich viel denken. Und manchmal kommt sogar etwas Kluges dabei heraus. Man muss viel DENKEN, um einen guten Gedanken zu haben. Ohne Training kommt ein Sportler nicht aus … und mit dem Denken verhält es sich so ähnlich. Erst RECHT, wenn es um Kunst geht.

Servus umananda
 
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AW: Realty Show

Hallo umananda !

Warum also inszenierte damals das Burgtheater eine Realty Show? Weil es Bachler nach einem standesgemäßen Abschied dürstet, bevor er Wien in Richtung München verlässt?
Soweit ich die Steirer kenne (ich bin ja selber ein gebürtiger), wollte er seine Solidarität mit Nitsch dahingehend zeigen, auch für Authentizität zu sein. Und Echtheit muss man dem Nitsch wohl zugestehen, wenn ich auch nicht der Meinung bin, dass bildende Kunst unbedingt schrecken muss. Fein ist meiner Meinung nach, zu beeindrucken, ohne zu schrecken oder Ekel zu erregen. Wenn ich daran denke, wie wenig in der Krimi-Reihe "Derrick" gestochen und geschossen wurde und wie erfolgreich diese Reihe war. Spannend von der ersten bis zur letzten Minute.

Geht man nach ORF-Sendungen wie Seitenblicke etc., muss man erkennen, dass dieser Blutkünstler inzwischen recht viele Anhänger, auch von anderen kreativen Künstlern hat. Wie auch immer - mein's ist es nicht. Ich weiß (wusste es auch vor Nitsch) auch so, dass der Schopfbraten auf meinem Teller zuerst geschlachtet wurde und Blut dabei floss.

Es ist überhaupt ein merkwürdiges Rufen, das sich da gegen angebliche Steuergeldverschwendungen wendet, wo doch jedes Kind weiß, dass es ganz andere Arten von Verschwendungen gibt und die Kosten eines Kunstwerks nichts über seine Wahrheit aussagt.
Ich habe auch noch nie gehört oder gelesen, dass Hermann Nitsch öffentliche Subventionen bezieht - oder verstehe ich da etwas falsch ?

Wolltest Du übrigens Realty Show schreiben und nicht Reali Show ? Wird das im Show-business gleichgesetzt ?

Liebe Grüße

Zeili
 
Kunst und "Kunst-Raum"

Die Erfahrung des Scheiterns vieler Projekte von Künstlern, insbesondere wenn der Schwerpunkt auf dem politischen Kontext liegt, ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Immer wenn der Künstler mit Politik und Ideologie anfängt und mit so einer Prägung Kunst erklärt oder sich selbst in diesem Kontext stellt, wird sofort die künstlerische Arbeit an den Rand gedrängt. Es geht ja dem Künstler viel mehr darum, die Kunst mit anderen gesellschaftlichen Ebenen zu kontaminieren. Er hat die Ebene der Kunst verlassen und betritt das ideologische Feld.

Dror Feiler Elimelech, ist ein „Künstler“, dessen Schwerpunkt ausschließlich im politischen Kontext zu sehen ist, da seine politischen Botschaften dahingehend einfach zu interpretieren sind. Dort das Böse und auf der anderen Seite, also wo er sich selber befindet, liegt das Gute. Der israelische Botschafter Zvi Mazel demolierte 2004 wutentbrannt bei einem Besuch des Museums in Stockholm das Kunstwerk "Schneewittchen und der Irrsinn der Wahrheit" in Stockholm und im feuilletonistischen Blätterwald rauschte es, da man hier einen Angriff auf die Freiheit der Kunst zu entdecken glaubte.

image_fmabspic_0_0.jpg

Wir kennen das seltsame Werk mit dem blutrot gefärbtem Wasserbassin, dem unschuldig weiß darauf segelndem Modellschiffchen und dem segelartig darauf thronendem Bild der lächelnden, palästinensischen Selbstmordattentäterin Hanadi Jaradat inzwischen zur Genüge. Es wird komplettiert durch die soundtechnisch verfremdete Bachkantate „Mein Herz schwimmt in Blut“ und von einem Text, der das Schneewittchen-Märchen mit der Chronik des Jaradat-Attentats vom Oktober 2003 verschaltet.

Es ist ja nichts Ungewöhnliches, wenn liberale Gesellschaften darüber streiten, ob selbst der Kannibalismus letztendlich nur eine Frage des Geschmacks sei, sondern es geht um die Kunst selber, wie viel sie davon verträgt, wenn sie sich aus den Augen verliert.

Stockhausen oder Christoph Schlingensief ist ja nicht nur eine Frage des Geschmacks oder ob hier die Realty Show schon lange RTL und SAT1 verlassen hat und sich in den Köpfen von feuilletonistischen Geistern festgesetzt hat.

Im Jahr 2000 hat ein Projekt in Wien großes Aufsehen erregt. Christoph Schlingensief verwirklichte im Rahmen der Wiener Festwochen für eine Woche mitten im touristischen Zentrum von Wien eine Vision, die einen Abschiebecontainer für Asylanten zeigte, der interaktiv beeinflussbar, rund um die Uhr beschallt mit rassistischen Ansprachen und beklebt mit fremdenfeindlichen FPÖ-Wahlplakaten. Die Erregung vor Ort gehörte zur Inszenierung. Der Passant als ungewollter Schauspieler. Inszenierung. Unter dem Motto "Ausländer raus!" konnte täglich per Zuschauerabstimmung im Internet ein Bewohner "abgeschoben" werden. In Form der damals viel diskutierten TV-Show "Big Brother".

auslaender.jpg


Kunst in Echtzeit … die Ausländer im Container waren übrigens keine Schauspieler, sondern wirkliche Asylanten. Einige wurden später tatsächlich abgeschoben.

Nichts ist dem Projekt „Schlingensief“ bei den Wiener Festwochen entgegen zu setzen … nur eine Frage stellt sich. Die Akteure „Asylanten“ waren ECHT und einige von ihnen hatten darin sogar eine Chance gesehen, das Aufnahmeverfahren mit ihrer Projektbeteiligung günstig zu gestalten. Da werden gewisse Erinnerungen an Leni Riefenstahl*, die bildmächtige und geniale Filmregisseurin, wach … und so stellt sich die Frage, ob Kunst Grenzen haben muss oder GRENZENLOS sein sollte … ??? Und wer setzt diese Grenzen?

51Up0hfLMpL.jpg

Viele Statisten im Filmprojekt „Tiefland“ waren inhaftierte Sinti und Roma und wurden später in Konzentrationslagern ermordet.


Servus umananda
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Realty Show

Ob die Kunst Grenzen benötigt? Möglicherweise. Allerdings kann sie sich die Grenzen nur selbst setzen. Kämen diese Grenzen von außen wäre die Kunst in ihrer Freiheit beschnitten, wenn nicht gar ihrer beraubt.

Inwieweit nun der oder die Schaffende Menschen für Inszenierungen benützt (im schlechtesten Sinne) liegt einzig in seiner oder ihrer Verantwortung. In manchen Fällen sagt dies mehr über die Inszenierenden als Menschen aus, was ich nicht weiter kommentieren möchte, als über die Kunst per se.

Bei Nitsch liegt die Sache ja vollkommen anders. Die Teilnehmer an den Orgien-Mysterien-Theater tun dies, einzig um daran teilzuhaben, entnehme ich zumindest den Berichten darüber. Wenn ein solches auch im Burgtheater stattgefunden hat, soll es, meiner Meinung nach, so sein. Es interessiert mich nicht und regt mich nicht auf.

Ob eine Nation nun die Kunst aus staatlichen Mitteln sponsert, sie damit in eine bestimmte Richtung zu drängen versucht oder ob die Kunst gemäß dem freien Spiel der Kräfte ihren Weg bahnen muß, das wäre ein anderes Thema. Ich persönlich bin für Letzteres, da in Übersee gesehen, daß sie sich verschiedenartig, lebendig und frei entfaltet, selbst wenn viele Schaffende einem Brotberuf nachgehen müssen.

Im Grunde kann jeder Dummkopf jede Geschmacklosigkeit mit dem Etikett „Kunst“ versehen. Wenn jemand Terroranschläge zum Kunstwerk erklärt, dann ist dies dermaßen jenseitig, daß es keiner weiteren Bemerkung bedarf.
 
AW: Realty Show

Ob die Kunst Grenzen benötigt? Möglicherweise. Allerdings kann sie sich die Grenzen nur selbst setzen. Kämen diese Grenzen von außen wäre die Kunst in ihrer Freiheit beschnitten, wenn nicht gar ihrer beraubt.

Inwieweit nun der oder die Schaffende Menschen für Inszenierungen benützt (im schlechtesten Sinne) liegt einzig in seiner oder ihrer Verantwortung. In manchen Fällen sagt dies mehr über die Inszenierenden als Menschen aus, was ich nicht weiter kommentieren möchte, als über die Kunst per se.

Bei Nitsch liegt die Sache ja vollkommen anders. Die Teilnehmer an den Orgien-Mysterien-Theater tun dies, einzig um daran teilzuhaben, entnehme ich zumindest den Berichten darüber. Wenn ein solches auch im Burgtheater stattgefunden hat, soll es, meiner Meinung nach, so sein. Es interessiert mich nicht und regt mich nicht auf.

Ob eine Nation nun die Kunst aus staatlichen Mitteln sponsert, sie damit in eine bestimmte Richtung zu drängen versucht oder ob die Kunst gemäß dem freien Spiel der Kräfte ihren Weg bahnen muß, das wäre ein anderes Thema. Ich persönlich bin für Letzteres, da in Übersee gesehen, daß sie sich verschiedenartig, lebendig und frei entfaltet, selbst wenn viele Schaffende einem Brotberuf nachgehen müssen.

Im Grunde kann jeder Dummkopf jede Geschmacklosigkeit mit dem Etikett „Kunst“ versehen. Wenn jemand Terroranschläge zum Kunstwerk erklärt, dann ist dies dermaßen jenseitig, daß es keiner weiteren Bemerkung bedarf.

Die Kunst kann sich nur selber Grenzen setzen ... jede andere Begrenzung wäre ein nicht hinnehmbarer Eingriff. Zwar verhindern solche staatlichen oder ideologischen Eingriffe nichts an der künstlerischen Kreativität ... aber die Kunst müsste mit Zensur und anderen Widrigkeiten einen Kampf ausfechten, der Kräfte verschleißen würde, die man woanders besser einsetzen könnte.

Kunst soll und kann auch nicht jeden gleich interessieren ... darum geht es ja auch nicht. Es geht mir ja auch nicht um den persönlichen Geschmack ... das kann kein Kriterium dafür sein, was Kunst um ihrer selbst willen verantworten möchte.

Die Subvention ist eine wertvolle und in vielen Bereichen die einzige Möglichkeit, einer gezielten Förderung, die der Kunst Möglichkeiten einräumt, die nicht unbedingt durch privates Sponsoring ersetzt werden kann.

Das Burgtheater versucht sich zwar als Wirtschaftsunternehmen ... doch ohne den österreichischen Staat könnte sich die größte Sprechbühne der Welt nicht am Leben erhalten. Staatliche Sammlungen ... die früher durch staatlicher Macht gesammelt wurden ... könnten sich ohne Subvention ebenfalls nicht am Leben erhalten. Das Kunsthistorische Museum, das zu den fünf größten Sammlungen dieser Erde gehört ... müsste schwere Schäden akzeptieren ... der Lack würde im wahrsten Sinne des Wortes abfallen. Ich schreibe nur "Sankt Petersburg und Eremitage" ... und jeder Kunstkenner weiß sofort, was das Herabsenken von Subventionen für fatale Folgen haben wird.

Aber all das sind Dinge, die ich nicht zum Thema machen wollte ... im Grunde wollte ich die Verantwortung des Künstlers thematisieren... der Künstler sollte hier im Mittelpunkt stehen ... sei es nun der Filmemacher, Schriftsteller, Künstler, Musiker oder Schriftsteller ... und am Ende das Publikum ... Kunst findet im öffentlichen Raum statt ... und ohne Öffentlichkeit ist das Kunstwerk bedeutungslos ... erst das Auge bzw. Ohr macht ein Werk zu einem Kunstwerk.

Servus umananda
 
AW: Reality Show

Hallo,
ein interessanter Thread, es sind viele Dinge angesprochen, fast zu viele um einen Aspekt ausgiebig von allen Seiten umfassend zu beleuchten.
Konnte nicht klar herauslesen worum es Dir geht umananda? Um die Ignoranz von provokanter oder politischer Kunst? Um das Anprangern der Verherrlichung von Mord und Totschlag in der Öffentlichkeit? Oder fühlst Du Dich auch gänzlich unverstanden wie wir meisten Künstler genauso?

Dass sich der kreativ tätige Mensch oft von Behörden, Beamten, konservativen Bürgern, Mitläufern oder ängstlichen Zeitgenossen unverstanden fühlt, dagegen ist kein Kraut gewachsen, damit muss er leben.
Da ist es auch eine Kunst sich trotz aller Gedanken, Ideen und Visionen so auszudrücken und zu Vermitteln, dass die Mitmenschen folgen können.
Das ist sehr schwer, erlebe es auch immer wieder, einfacher ist es den Wust von Gedanken und Empfindungen einfach raus zu lassen und nach mir die Sinnflut.
Sowohl die Provokation sollte so gesetzt sein, dass sie den Kern der Sache trifft und nur diesen, als auch die politische Kunst sollte einen Aspekt deutlich kritisieren und nicht alles ein wenig durch den Kakao ziehen.
Jedoch eine Garantie damit Gehör zu finden so wie Nitsch oder Helnwein gibt es nicht.
Es ist meine Erfahrung als Künstler vor Ort in der Regien, dass die Provokation immer eine gewisse Rolle spielt aber genauso wichtig ist es die aktuellen menschlichen Themen aufzugreifen die typisch sind für den Landstrich.
So konzentriere ich mich politisch als auch provokativ in der künstlerischen Arbeit auf die Psyche des Menschen, auf die innere Wahrheit jedes Einzelnen und das bedeutet sich zunächst vor allem mit der eigenen inneren Wahrheit auseinander zu setzen. Wie soll die Öffentlichkeit einen verstehen wenn man sich selbst nicht versteht, wenn man seine eigene Wahrheit nicht kennt, sie aber vermitteln möchte...

gruß fluuu
 
AW: Reality Show

Es ist meine Erfahrung als Künstler vor Ort in der Regien, dass die Provokation immer eine gewisse Rolle spielt aber genauso wichtig ist es die aktuellen menschlichen Themen aufzugreifen die typisch sind für den Landstrich.
So konzentriere ich mich politisch als auch provokativ in der künstlerischen Arbeit auf die Psyche des Menschen, auf die innere Wahrheit jedes Einzelnen und das bedeutet sich zunächst vor allem mit der eigenen inneren Wahrheit auseinander zu setzen. Wie soll die Öffentlichkeit einen verstehen wenn man sich selbst nicht versteht, wenn man seine eigene Wahrheit nicht kennt, sie aber vermitteln möchte...

gruß fluuu

Eine sehr bemerkenswerte Antwort ... auf die man wiederum sehr vielfältig antworten kann. Aber ich möchte mich zuerst einmal auf den von mir als Zitat wiedergegebenen Abschnitt konzentrieren, da er genau das Wesentliche anspricht, das ich mit meinen ebenfalls sehr umfangreichen Ausführungen in Gang setzen wollte.

Welche "Psyche" spricht ein Künstler an? Ist es die Mutmaßung ... der ANDERE habe diese oder jene psychische Konstellation ... oder ist es vielmehr die eigene "Befindlichkeit" ... die man als Künstler herstellt?

Kann es so etwas wie eine "politische" Kunst überhaupt geben?

Nehmen wir als Beispiel die Performance, die vor allem in der politisierten Gesellschaft der 70er Jahre ihren Schwerpunkt auf eine sogenannte "Wissensvermittlung" legte ... (sei es nun Feminismus oder gesellschaftspolitische Aspekte aller Art) ... man trat mit Konzepten vor einem bereitwilligen Publikum als Adressat auf und wollte sich politisch einzumischen.

Dahingehend habe ich mich in beiden Beiträgen annähern wollen ... und eine Frage gestellt bzw. mich in einer Frage versucht ... kann sich Kunst überhaupt politisch "einmischen"? Und wenn sie es tut ... was bewirkt sie ...?

Ist die eigene "Wahrheit" dazu da ... sie anderen (Publikum) vermitteln zu wollen? Oder verliert der Künstler das Recht auf die eigene Interpretation, wenn das Werk erst einmal ein öffentliches Kunstwerk geworden ist?

Servus umananda
 
AW: Reality Show

Provokation hat so einen Bart wie Methusalem. Nackert schockiert heute keinen mehr, Gewaltszenen in Installationen eingebaut... es zuckt das Publikum mit den Achseln ein paar applaudieren und geben ihren Senf ab, um sich als fortschrittlich auszugeben. In einer Zeit, in der beinahe alles erlaubt zu sein scheint und Tabus dermaßen niedrig angesetzt sind, daß ein Verstoß dagegen nicht möglich ist, ist Provokation einfach totgelaufen. Provocare,auffordern, anregen, reizen, herausfordern. Von Reiz, Aufforderung oder gar Herausforderung ist in manchen Fällen kaum etwas zu bemerken.

Selbst die von einigen Kreisen als „konservative Spießer“ Bezeichneten läßt der zigste Aufguß von Provokation kalt. Im Grunde hat sich nach unzähligen Stürmen im Wasserglas die Gleichgültigkeit breit gemacht.

Vor allem scheint sich in manchen Fällen der Spieß(er) umzudrehen und die Provokation wird provoziert durch schmunzelnde Gleichmut. Oft kann ein „politischer“ Künstler den Spießer nicht mehr provozieren. Umgekehrt sehr wohl. Was nun geschehen könnte, daß in der Kunst Strömungen auftreten, die ihrerseits das bis zum letzten Auszutzeln provoziert habende Establishment selbst provozieren. Provokation macht zuweilen einfach Spaß, nicht nur in der Kunst! Wie weit man damit gehen will? Nun das muß jeder Künstler mit sich selbst, mit seinem Gewissen ausmachen. In einer Zeit fast ohne Tabus mehr denn je.

Was im Endeffekt Bestand haben wird, entscheiden künftige Generationen. Deshalb sollte man die Kunst einfach in Ruhe lassen, sie annehmen oder auch nicht.

Was bewegt denn die Menschen? Die Liebe, der Tod, das bisserl an Gefühlen, Empfindungen dazwischen.

Ist ein Werk einmal "res publica" in jeder Form, verliert der Künstler die eigene Interpretation, tritt in den Hintergrund, da eine öffentliche Sache, ein Werk jedem einzelnen Raum für die eigene Gefühlswelt gestatten muß. So sehe ich das zumindest. Ansonsten wäre ein Werk nur für den Schaffenden selbst ins Leben gerufen worden und wäre keine öffentliche Sache. Dem Betrachter die eigene Gefühlswelt in einem Werk aufzwingen zu wollen, wäre ein sinnloses Unterfangen. Der Betrachter, so er es wünscht, geht eine Beziehung mit einem Werk ein und nicht mit dem Schaffenden.
 
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AW: Reality Show

Ist die eigene "Wahrheit" dazu da ... sie anderen (Publikum) vermitteln zu wollen? Oder verliert der Künstler das Recht auf die eigene Interpretation, wenn das Werk erst einmal ein öffentliches Kunstwerk geworden ist?
Wer je einsam war, wird die Frage sofort und eindeutig beantworten:
Die eigene Wahrheit ist dazu da, um sie deswegen möglichst vielen anderen bekanntzugeben, weil man nur dadurch eine Chance hat, Zustimmung zu ernten, Einigkeit mit jemand anderen zu erzielen oder auch "nur" etwas zu lernen.

Der Künstler verliert nie das Recht auf eine eigene Interpretation, in (unserer) pluralistischen Gesellschaft hat dieses Recht auf Interpretation aber auch jeder andere. Wir - egal ob Künstler oder Kunstkonsument - haben dabei aber immer die Chance, Gleichgesinnte zu finden.​

Die Ansicht, nie Gleichgesinnte zu brauchen, ist mMn pubertär - und damit meistens auch temporär.

Liebe Grüße

Zeili
 
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AW: Reality Show

Wer je einsam war, wird die Frage sofort und eindeutig beantworten:
Die eigene Wahrheit ist dazu da, um sie deswegen möglichst vielen anderen bekanntzugeben, weil man nur dadurch eine Chance hat, Zustimmung zu ernten, Einigkeit mit jemand anderen zu erzielen oder auch "nur" etwas zu lernen.

Der Künstler verliert nie das Recht auf eine eigene Interpretation, in (unserer) pluralistischen Gesellschaft hat dieses Recht auf Interpretation aber auch jeder andere. Wir - egal ob Künstler oder Kunstkonsument - haben dabei aber immer die Chance, Gleichgesinnte zu finden.​

Die Ansicht, nie Gleichgesinnte zu brauchen, ist mMn pubertär - und damit meistens auch temporär.

Liebe Grüße

Zeili

Ja die Sprache ist ein Mörderstück .... schlägst du dich auf ihre Seite, schlägt sie dich zurück ... hat mal der Peter Alexander der Intellektuellen gesungen ... André Heller .... so ungefähr .... anstatt "Sprache" hat er die Idylle gemeint. Das war vor meiner Zeit ... in den 70er ....

Ich hätte das Wörtchen "alleinige" nehmen sollen ... oder verliert der Künstler das alleinige Recht auf die eigene Interpretation, wenn das Werk erst einmal ein öffentliches Kunstwerk geworden ist? ...

Und das bejahe ich ... auch wenn du von Pubertät und anderen Klassifizierungen schreibst. Ich befinde mich weder in irgendeiner Schublade noch sonstwo ... und das Kunstwerk hat den Künstler verlassen ... beziehungsweise er hat durch das Loslassen sein Werk zu einem Kunstwerk werden lassen. Alles ANDERE wäre Sonntagsmalerei ... Freizeitbeschäftigung.

Wer war schon jemals "einsam" ... die meisten, die sich "EINSAM" wähnen ... sind sowieso nur ALLEIN ...

... interpretieren kann ein Künstler sein Kunstwerk so lange er lustig ist ... doch bedauere ich diesen Künstler irgendwie ... anstatt sein Kunstwerk endgültig zu entlassen, klammert er sich ( ... als hätte er Verdauungsschwierigkeiten) an jenes Kunstwerk ... anstatt ein neues Werk zu schaffen.

Und das Finden von "Gleichgesinnten" hat damit eigentlich nichts zu tun ... man stößt immer wieder auf jene Geister ... die uns ähnlich sind. Das lässt sich nun einmal kaum vermeiden.

Servus umananda
 
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